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Weltbienentag 2021 | Expertin: "Balkonpflanzen sind nutzlos für Bienen"


Pestizid-Expertin
"Diese beliebten Balkonpflanzen sind nutzlos für Bienen"

  • Ron Schlesinger
InterviewVon Ron Schlesinger

Aktualisiert am 20.05.2021Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Westliche Honigbiene (Apis mellifera): Sie findet viele Petuniensorten uninteressant.Vergrößern des Bildes
Westliche Honigbiene (Apis mellifera): Sie findet viele Petuniensorten uninteressant. (Quelle: imagebroker/imago-images-bilder)

Großer Respekt für ein kleines Insekt: Am 20. Mai findet zum vierten Mal der Weltbienentag statt. Doch zu feiern gibt es wenig. Denn das fleißige Tier kämpft ums Überleben. Womit Sie Bienen helfen können, weiß Corinna Hölzel.

Er soll auf die Bedeutung von Bienen und anderen Bestäubungsinsekten aufmerksam machen: der jährliche Weltbienentag. Zwar gibt es ihn erst seit 2018, dennoch hat er seinen festen Platz im Kalender. Leider auch deshalb, weil die Anzahl von Bienenvölkern, Schmetterlingen und Co. in den letzten Jahren dramatisch zurückgeht.

Doch wir können etwas dagegen tun, meint Corinna Hölzel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND). t-online hat die Pestizid-Expertin gefragt, was für sie bienenfreundliche Pflanzen sind, warum einige Insekten so gar nicht auf Geranien fliegen und warum Sie keine Angst vor Bienen (und deren Stiche) haben sollten.

t-online: Frau Hölzel, in Belgien kämpft eine Umweltinitiative mit ungewöhnlichen Ideen gegen das Bienensterben: Gartenbesitzer sollen im Mai aufs Rasenmähen verzichten. Denn wer seinen Rasen nur alle drei bis vier Wochen mäht – statt jede Woche –, lockt bis zu zehn Mal mehr Bienen an. Sollten auch deutsche Gartenbesitzer ihren Rasenmäher im Schuppen lassen?

Corinna Hölzel: Ja, gute Initiative! (lacht) Das ist genau das, was der BUND auch fordert. Zwar nicht in einem bestimmten Monat, aber wir sagen: weniger mähen, seltener mähen. Oder versetzt mähen, das heißt nicht alle Rasenstellen zur selben Zeit kürzen. Gern auch im Garten kleine, wilde Ecken einfach so belassen, wie sie sind.

Oha, die Deutschen lieben aber gerade das akkurate Grün im Garten.

Trotzdem sollte man den Rasenmäher öfter mal stehenlassen. Das spart Zeit und Energie. Und macht weniger Lärm. Aber der wichtigste Grund ist, dass sich dann im Rasen Blühpflanzen entwickeln können, die tatsächlich blühen – und nicht gleich abgeschnitten werden. Diese Pflanzen sind sehr wichtig für Wildbienen, Schmetterlinge und andere Insekten.

Was wächst und blüht denn so auf dem Rasen außer Gänseblümchen?

Wiesenklee oder Weißklee. Der sollte überhaupt nicht stören und sieht auch noch schön aus, wenn er blüht. Oder Gundermann, ein Würzkraut, das zwar nicht so bekannt ist, aber dennoch häufig vorkommt und hübsch lila-blau blüht. Auch der Ehrenpreis gehört zu den Wildkräutern, die sich zwar im Rasen ansiedeln, aber ihn nicht überwuchern und wichtiges Bienenfutter sind.

Apropos: Was heißt eigentlich bienenfreundlich?

Das ist meist eine heimische Pflanze, die Blüten ausbildet, die wiederum Bienen anziehen. Sie finden in den Blüten sowohl Nektar als auch Pollen. Den Nektar brauchen sie für ihre eigene Ernährung, den Pollen zumeist für ihre Brut und Nachkommen.


Corinna Hölzelcoremedia:///cap/blob/content/90062496#data
ist Pestizid-Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Im Jahr 2020 wurde ihr Projekt "Pestizidfreie Kommune" als einziges deutsches Projekt für den "Polit-Oscar" des World Future Council (WFC) nominiert. Der Preis wird mit Unterstützung der Vereinten Nationen (UN) vergeben.

Viele meinen, dass jede Blume für Bienen interessant ist.

Keineswegs. Wenn man im Garten ein bienenfreundliches Beet, zum Beispiel mit mehrjährigen Stauden oder einjährigen Sommerblühern, anpflanzt, sind zwei Dinge wichtig: Die Pflanzen sollten vor allem heimisch sein und einfache, ungefüllte Blüten bilden. Gefüllte Blüten, die durch Züchtung entstanden sind, haben zwar viele zusätzliche Blütenblätter, aber die Insekten gelangen nicht mehr ins Innere der Blüte und kommen so nicht an den Nektar heran. Viele Insekten, vor allem aber Bienen, finden in gefüllten Blüten schlichtweg nichts zu fressen.

Im Mai wird der Balkon bepflanzt: Ganz oft sind Geranien, Petunien, Begonien oder Fuchsien dabei.

Ja, sie sind nach wie vor die Bestseller unter den Balkonpflanzen. Doch sie sind völlig nutzlos für Bienen und andere Insekten, weil die verkauften Sorten zumeist gefüllte Blüten besitzen und wenig nachhaltig sind. Da brauchen wir ein Umdenken.

Was fordern Sie?

Es reicht schon, wenn Garten- und Balkonbesitzer zusätzlich bienenfreundliche Blumen anpflanzen. Es gibt viele Zierpflanzen, die sehr attraktiv für Insekten sind und auch noch toll aussehen: Warum neben Geranien nicht mal Blaukissen, Margerite oder Glockenblume setzen. Man sollte es einfach mal probieren. Und dann Schritt für Schritt zukünftig auf für Insekten nutzlose Pflanzen, wie Begonie oder Petunie, verzichten.

Sollte der Handel – von der Politik – dazu gesetzlich verpflichtet werden, mehr bienenfreundliche Zierpflanzen anzubieten?

Viele Baumärkte, regionale Gärtnereien und Pflanzencenter zeichnen in ihrem Angebot ja jetzt schon vermehrt bienen- und insektenfreundliche Pflanzen aus. Wichtig ist aber noch ein anderer Aspekt: Schon bei der Pflanzenproduktion muss darauf geachtet werden, dass die Artenvielfalt unterstützt wird.

Was meinen Sie konkret?

Momentan kommt ein Großteil der Zierpflanzen aus Ländern des globalen Südens, zum Beispiel aus Afrika und Lateinamerika. Dort werden die Pflanzen mit sehr vielen Pestiziden oder Fungiziden behandelt, die gegen Schädlinge und Pilzkrankheiten helfen sollen. Später werden die Zierpflanzen nach Europa exportiert und dort weiter aufgezogen und verkauft. Das Problem: Die Pflanzen enthalten immer noch viele Pestizidrückstände, die für Bienen und andere Insekten gefährlich sind. Zudem werden auch Pflanzenschutzmittel verwendet, die in der EU schon lange verboten sind. Letztlich wissen wir auch nicht, welchem Gesundheitsrisiko die Arbeiter in den Produktionsländern durch die Gifte ausgesetzt sind.

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Das sind viele Unwägbarkeiten. Was kann Deutschland tun?

Wir sehen vor allem Baumärkte und Pflanzencenter in der Pflicht und fordern: Schaut, dass ihr die Zierpflanzen komplett und nachhaltig hier produziert oder dass ihr Bio-Zierpflanzen einkauft. Denn es nützt wenig, wenn drei, vier Geranien weniger verkauft werden, dafür aber mehr bienenfreundlicher Lavendel, der allerdings mit einer Pestiziddusche behandelt wurde, die für Mensch und Tier gesundheitsgefährdend ist.

Welche bienenfreundlichen Pflanzen kommen noch für den Balkon infrage?

Küchenkräuter wie Bohnenkraut, Thymian oder Salbei. Das macht auch Sinn, weil sie dann beim Kochen gleich griffbereit sind. Bei Kräutern sollte man allerdings darauf achten, dass sie die Blüte erreichen. Denn viele schneiden den Blütenstand schon vorher ab, weil die Pflanzenkräfte in die Blätter gehen und nicht verschwendet werden sollen. Aber: Erstens sehen Blüten von Kräutern hübsch aus und zweitens sind sie sowohl bei Honig- als auch Wildbienen beliebt. So sind Küchenkräuter für Biene und Mensch eine Win-win-Situation: die Blüten versorgen Insekten, die Blätter verfeinern die Küche.

Info
Einige Kräuter bilden während der Blüte allerdings ätherische Öle aus, die die Blätter ungenießbar oder sogar giftig werden lassen. Dazu gehört zum Beispiel Petersilie.

Sie haben gerade von Honig- und Wildbienen gesprochen. Wie gefährdet sind beide Arten?

Die Honigbiene ist ein Nutztier, um sie kümmert sich der Imker. Der geht’s zwar auch nicht immer gut, aber zumindest kann der Imker da gegensteuern. Die Wildbiene hat keinen, der sich um sie kümmert. Denn sie ist als Wildtier darauf angewiesen, dass sie in der Natur Lebensräume findet.

Das wird in unserer Agrarlandschaft aber immer schwieriger. Wirtschaftlich genutzte Felder werden größer, Blühwiesen verschwinden. Es wird immer mehr gedüngt. Deshalb ist es in den Städten, aber auch in den Gärten zunehmend wichtig, Lebensräume für Wildbienen zu schaffen.

Zählen dazu auch Bienenhotels auf Balkon, Terrasse oder im Garten?

Prinzipiell ja. Allerdings gibt es im Handel viele Hotels, die die Bienen nie annehmen werden. Einerseits wegen der Bauweise, andererseits wegen Materialien, die den Insekten eher schaden als nützen. Man kann Insektenhotels auch selbst bauen.

Im Übrigen nutzt nur ein Viertel der etwa 560 Wildbienenarten solche oberirdischen Bienenhotels. Der Rest nistet im Boden. Wenn man einen Garten hat, kann man ihnen ein Sandarium bauen. Das ist eine Art Wildbienen-Sandkasten, der aber mindestens 30, besser 40 Zentimeter tief sein sollte. Zudem sollte der Sand ungewaschen sein. Spielsand eignet sich nicht, da würden die Brutröhren einbrechen.

Hummeln gehören zu den Wildbienen und gelten als unterschätzte Bestäuber im Garten. Warum?

Das zeigt sich gerade jetzt während der Obstblüte. Wenn das Frühjahr kühl und feucht ist, so wie dieses Jahr, finden Sie keine Honigbiene draußen. Die bleibt bei Temperaturen um die zehn Grad Celsius lieber in ihrem warmen Stock, weil es ihr draußen zu kalt ist. Aber die Hummel fliegt bereits bei niedrigeren Temperaturen, sogar wenn es ein bisschen nieselt. Das ist auch ein Grund, dass wir den Bestand an Wildbienen schützen und steigern sollten, weil sie im kühlen Frühjahr unsere Obstbäume bestäuben.

Was sollte man beim Bepflanzen des Gartens beachten, sodass Bienen fast das ganze Jahr über Nahrung finden?

Als Frühblüher bieten sich im Gartenbeet Winterling, Krokus, Schneeglöckchen, später auch Lungenkraut an. Deren Blüten enthalten den ersten Pollen, der für die Bienenbrut wichtig ist. Mittel-blühende Arten wären Margerite, Ringelblume, Flockenblume, Katzenminze, Wegwarte, Distel, Phlox und natürlich die Sonnenblume.

Als spätes Bienenfutter eignen sich Herbstaster, Fette Henne und Goldrute. Neben Stauden und einjährigen Sommerblühern werden auch Gehölze, wie Sträucher und Bäume, von Bienen angeflogen. Zum Beispiel Holunder, Faulbaum, aber auch Beerensträucher. Daneben viele Gemüsesorten, wie Gurke und Möhre. Ihre Blüten sind eine willkommene Abwechslung für Bienen.

Die meisten Menschen möchten Bienen helfen. Dennoch gab im Jahr 2018 jeder vierte Deutsche (27 Prozent) in einer Onlineumfrage an, dass er Angst hat, gestochen zu werden …

Also, wenn es im Garten oder auf dem Balkon blüht, kann man nicht verhindern, dass Bienen angelockt werden. Honig- oder Wildbiene sind eher ungefährlich. Sie können zwar theoretisch stechen, aber sind extrem stechfaul.

Die meisten Stiche gehen tatsächlich auf die Wespe zurück, aber nicht weil es auf Balkon oder Terrasse blüht, sondern weil sie von süßen Getränken, Kuchen, Wurst oder Fleisch angelockt werden. Honig- oder Wildbiene interessieren sich eher nicht für Lebensmittel, außer vielleicht für Honig oder Zuckerwasser. Ansonsten sammeln sie fleißig Nektar und Pollen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Hölzel.

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