EU-Verbot Echte Probleme sind ihnen wurst

Während Europa mit Krisen kämpft, debattiert das EU-Parlament über die Namen von vegetarischen Produkten. Erstaunlich, wer sich da als neue Sprachpolizei profiliert.
Darf ein Schnitzel aus Soja sein? Darf eine Wurst vegetarisch sein? Das sind tatsächlich Fragen, mit denen sich das EU-Parlament befasst. Als hätten wir keine anderen Probleme als Veggieburger und Tofuwürste. Als würde in Europa nicht seit drei Jahren ein Krieg mit Tausenden Opfern toben, die Wirtschaft in vielen Staaten schrumpfen, die Arbeitslosenzahlen steigen.
Am Mittwoch haben die Parlamentarier nun tatsächlich beschlossen, dass vegetarische Fleischersatzprodukte künftig nicht mehr Burger, Schnitzel und Wurst heißen dürfen. Der Verbraucher, heißt es, könne sich sonst "getäuscht" fühlen. Aber mal ehrlich: Wer glaubt ernsthaft, ein Veggie-Schnitzel sei aus Schwein oder Kalb? Wer im Supermarkt zum Tofu-Burger greift, weiß genau, was er kauft. Der Begriff "Schnitzel" beschreibt hier keine Tierart, sondern Form und Zubereitungsweise.
Sprache verändert sich, ein Schnitzel verändert sich
Wer die Logik weiterdenkt, müsste auch den Namen der deutschen Mortadella ändern. Denn mit der echten italienischen Spezialität aus Bologna hat sie kaum etwas zu tun. Für den Durchschnittsitaliener ist die deutsche Variante reine Verbrauchertäuschung. Trotzdem kommt niemand auf die Idee, deutsche Mortadella mit Paprika und Pistazien zu verbieten.
Die Debatte um Fleischersatzprodukte zeigt, wie sehr sich Politik manchmal in Symbolfragen verliert. Es geht hier nicht um die Wurst, sondern um Deutungshoheit. Statt über Zutaten, Nachhaltigkeit oder Transparenz zu sprechen, also über Verbraucherschutz, wird über Wörter gestritten. Als wäre der Schutz eines Namens wichtiger als die Frage, was tatsächlich im Produkt steckt. Sprache lebt. Sie verändert sich, wenn sich unser Essen, unser Denken, unsere Lebensweise verändern.
Ein Schnitzel aus Soja ist deshalb kein Widerspruch, sondern ein Zeichen dieser Entwicklung. Wer das verbietet, will Stillstand verordnen – und das klingt dann doch ziemlich altbacken. Eine frittierte Scheibe Blumenkohl darf dann nicht mehr Blumenkohlschnitzel heißen, sondern: in Mehl, Ei und Semmelbröseln gewendete und dann frittierte Blumenkohlscheibe. Viel Spaß beim Lesen von Speisekarten!
Die CSU ist die neue Sprachpolizei
Geradezu amüsant wird es, wenn man sich ansieht, aus welcher Ecke das Veggie-Wurst-Verbot forciert wurde: Konservative und rechte Kräfte haben im EU-Parlament gemeinsam abgestimmt. Übrigens gegen den erklärten Willen der großen Supermarktketten oder Produzenten wie der Rügenwalder Mühle. Selbst die nicht gerade als Hochburg des Vegetariertums bekannte Fleischbraterei "Burger King" hatte sich gegen das Verbot ausgesprochen.
Ansonsten lässt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder keine Gelegenheit aus, den Grünen Regulierungswut vorzuwerfen. Von "Sprachpolizei" und "Wortverboten" war da allzu oft die Rede. Nun war sein Parteifreund, Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU), eine der treibenden Kräfte hinter dem Verbotsantrag. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz hatte sich für den Verbotsantrag ausgesprochen: "Eine Wurst ist eine Wurst. Wurst ist nicht vegan."
Da darf schon die Frage erlaubt sein, welche Partei denn tatsächlich gerne Wortverbote ausspricht. Und ob sich die Damen und Herren von der Union schon mal mit der Entwicklung von Sprache befasst haben? Oder ob sie keine anderen Probleme als vegetarischen Aufstrich haben. Aber das ist dann auch schon wurscht.
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