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Studie: Düsteres Bild der britischen Jugend


Erziehung
Studie: Düsteres Bild der britischen Jugend

spiegel-online, Frank Patalong

04.11.2011Lesedauer: 4 Min.
Wie wilde Tiere? Wie schlimm ist unsere Jugend wirklich?Vergrößern des BildesWie wilde Tiere? Wie schlimm ist unsere Jugend wirklich? (Quelle: imago-images-bilder)
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Fast die Hälfte der Briten hält Heranwachsende laut einer Umfrage für unverbesserlich. Kinder und Jugendliche seien unhöflich, brutal, verroht. Die Hilfsorganisation Barnardo's gibt die Schuld zurück: Das wahre Problem seien nicht die Kids, sondern die Erwachsenen.

Studie: Kinder seien hoffnungslose Brut

Eine aktuelle Studie über die Einstellung der Briten zu ihrem Nachwuchs macht Schlagzeilen in der britischen Presse: Die Kinderhilfsorganisation Barnardo's will herausgefunden haben, dass fast die Hälfte der Briten Kinder für eine hoffnungslos böse Brut hält. Ein Viertel der Befragten glaubt demnach, dass die angeblich eben gar nicht lieben Kleinen bereits mit zehn Jahren jenseits jeder Besserung seien. Satte 44 Prozent der vom Meinungsforschungsinstitut ICM Research befragten 2000 Briten gaben an, dass "die Jugend" gerade regelrecht verwildere.

Mitschuld der Erwachsenen

Welche Mitschuld tragen aber die Erwachsenen, wenn sie den Nachwuchs offenbar schon im Kindesalter aufgeben? Mit der Debatte hat sich die Studie bereits bezahlt gemacht, denn natürlich wurde sie genau aus diesem Grunde in Auftrag gegeben: Sie flankiert den Beginn einer medienwirksamen Barnardo's-Kampagne ("Life stories": Erste TV-Spots ab Donnerstagabend, 3.11.2011) für mehr Toleranz und Unterstützung für Kinder und Jugendliche.

Düsteres Bild der Jugend

Dass die Umfrage so gezielt vorging, ändert nichts daran, dass die Briten, entsprechend befragt, ein ziemlich düsteres Bild von "der Jugend" zu haben scheinen. Barnardo's-Chefin Anne Marie Carrie hält es für "deprimierend, dass so viele Leute bereit sind, Kinder fallen zu lassen". Was sie meint:

  • 49 Prozent der Befragten finden, Kinder begännen, sich "wie Tiere" zu verhalten;
  • 44 Prozent glauben, dass die britische Jugend "verwildert" sei;
  • 47 Prozent glauben, dass das Grundproblem darin bestehe, dass das Verhalten der Jugendlichen ausfallend und von Wut und Gewalt gekennzeichnet sei;
  • 25 Prozent glauben, dass für Kinder, die sich schlecht oder asozial benehmen, schon mit zehn Jahren jede Hoffnung verloren sei;
  • Nur 36 Prozent der Befragten finden, dass ein Heranwachsender, der in Ärger gerät, vor allem Hilfe brauche - 38 Prozent erklärten, sie sähen das anders.

Verrohungs- und Verblödungsprozess

Es ist so eine Sache mit der Einstellung der Älteren zum Nachwuchs. Dass die Jugend laut ist, sich schlechter benimmt als früher und sowieso dümmer und fauler ist als frühere Generationen, wurde schon in der Antike beklagt - wenn das stimmte, wären wir heute das Produkt eines seit 3000 Jahren laufenden Verblödungs- und Verrohungsprozesses.

Die Grundhaltung, Heranwachsende zu disziplinieren und zu regulieren, sie über Jahre nach eigenem Vorbild zu Erwachsenen zu formen, gehört wohl zum ganz normalen Verhaltensrepertoire der älteren Generationen. Kindliches und jugendliches Verhalten eckt an, weil es schlicht un-erwachsen, also dem Leitbild und Ziel nicht entsprechend ist.

Jugend wird immer schlimmer - das war schon immer so

Auch die Wahrnehmung, dass der liebe Nachwuchs immer schlimmer wird, teilen wir offenbar kollektiv seit Jahrtausenden. Nur laufen hier zum einen Wahrnehmung, Erinnerung und Wirklichkeit krass auseinander, zum anderen stehen Einstellung zu und Verhalten von Jugendlichen natürlich auch in einem Zusammenhang.

Die erschreckend negative Einstellung der Jugend sei auch aus der gesellschaftlichen Fokussierung auf das Schlechte, Böse zu erklären, glaubt Natasha Cripps, die die Bernardo's-Befragung initiierte. Medien berichteten eben eher über Jugendgewalt, als über ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen. Und eine negative Grundhaltung wirke auf sie zurück.

Die Statistik zeigt: Immer weniger Heranwachsende machen Probleme

Da ist was dran: Auch hierzulande ist Kinder- und Jugendgewalt sowie auf niedrigerer Ebene die oft als ungut wahrgenommene Verhaltensveränderung von Kindern untereinander und gegenüber Erwachsenen ein Dauerthema. Der Kinderpsychologe Michael Winterhoff verkaufte von seinem Buch "Warum unsere Kinder Tyrannen werden" fast eine halbe Million Exemplare, Jugendgewalt ist ein Dauerthema der sozialwissenschaftlichen Forschung und selbst der Bundestag beschäftigt sich in regelmäßigen Abständen mit solchen Themen. Und das, obwohl in Deutschland statistisch messbar sowohl Jugendkriminalität als auch Jugendgewalt seit längerem rückläufig sind. Allein im letzten Jahr sank die entsprechende Quote laut Kriminalitätsstatistiken des BKA um fast zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr, der dritte signifikante Rückgang in Folge. Die Zahl der Gewalthandlungen unter Schülern, die mit körperlichen Schädigungen einhergingen, sank laut wissenschaftlichem Dienst des Bundestages von 1997 bis 2007 um mehr als 30 Prozent - die Lebenswelt der Schüler wird sicherer, nicht unsicherer.

Gewalt unter Jugendlichen eigentlich rückläufig

Allerdings ergeben auch die polizeilichen Statistiken kein konsistentes Bild. Immer wieder gibt es starke Schwankungen: Gewalt unter Jugendlichen ist zugleich rückläufig und schlimmer als in vergangenen Jahren, es wird seltener geprügelt, aber immer brutaler.

Allerdings ist das wohl kein Anzeichen einer allgemeinen Verrohung, sondern geht wie in Großbritannien mit bestimmten sozialen Merkmalen einher. Das Gros der gewalttätigen Kinder und Jugendlichen kommt aus sozial schwachen Familien, aus Gewaltverhältnissen. Ein Befund, der auch von den Erkenntnissen über die Randalierer gestützt wird, die erst kürzlich britische Innenstädte verwüsteten.

Häusliche Gewalt, asoziale Familien - das Umfeld prägt

Die Barnardo's-Kampagne will genau solche Zusammenhänge bewusst machen. Die Hilfsorganisation weist darauf hin, dass von den Jugendlichen, die in Großbritannien mit den Justizbehörden zu tun bekämen, rund 60 Prozent signifikante Kommunikationsprobleme hätten; rund 40 Prozent der weiblichen und 20 Prozent der männlichen straffälligen Jugendlichen seien selbst Opfer von häuslicher Gewalt geworden; 27 Prozent der Jungen und 55 Prozent der betroffenen Mädchen hätten Zeiten in staatlicher Aufsicht oder Jugendfürsorge verbracht.

Das eigentliche Problem sind die Eltern, nicht die Kinder

Es gehe nicht darum, dass Erwachsene rüpelhaftes Verhalten hinnehmen sollten, erklärt Barnardo's-Chefin Anne Marie Carrie, "aber wir müssen unsere Einstellung gegenüber problematischen Kindern ändern. Wir scheinen vergessen zu haben, dass die meisten Kinder sich bestens benehmen, sind aber bereit, unhinterfragt ein Stereotyp zu akzeptieren, das Jugendliche als kriminell und Abscheu erregend beschreibt". Es komme darauf an, Problemkinder eben nicht aufzugeben.

Die Pointe der Kampagnen-Spots, die das Heranwachsen von Problemkindern in zeitlich umgekehrter Reihenfolge vom gesunden, sozialen Erwachsenen zurück zum gestörten Kind beschreiben, lautet: "Es muss nicht so enden, wie es begann."

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