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Scheidungskinder: Mein Kind will nicht zum Vater


Scheidungskinder
Scheidungskinder: Mein Kind will nicht zum Vater

t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli

30.07.2013Lesedauer: 5 Min.
Trotz des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern wollen manche Kinder ihren Vater nicht besuchen.Vergrößern des BildesTrotz des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern wollen manche Kinder ihren Vater nicht besuchen. (Quelle: T-Online-bilder)
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Eine Scheidung ist für alle Beteiligten immer schmerzvoll. Doch gerade Kinder leiden besonders, wenn das vertraute Familienleben plötzlich auseinanderbricht und ein Elternteil - meist ist es der Vater - wegzieht. Umso wichtiger ist es, dass der Nachwuchs nach der Trennung weiterhin zu beiden Elternteilen Kontakt hat. Doch was ist, wenn Kinder sich weigern den Vater zu besuchen, geschweige denn im neuen Zuhause von Papa übernachten wollen? Eine Familientherapeutin erklärt, was in solchen Situationen am besten zu tun ist.

Das gemeinsame Sorgerecht nach der Scheidung

Jede dritte Ehe - 2012 waren es rund 179.100 - wird in Deutschland geschieden. Sind Kinder ebenfalls von der Trennung betroffen, einigen sich die Eltern sehr oft darauf, dass beide das Sorgerecht wahrnehmen und die Erziehungsverantwortung gemeinsam tragen. Dieser Grundsatz wird auch vom Gesetz favorisiert, wo es im Paragraphen 1684 des BGB heißt: "Das Kind hat das Recht zum Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt."

Die gemeinsame Elternschaft ist allerdings oft, auch wenn die geschiedenen Elternteile relativ gut miteinander auskommen, nicht leicht umzusetzen, da die Kinder zumeist im Haushalt der Mutter leben und ihren Vater nicht mehr jeden Tag sehen. Die am häufigsten praktizierte Umgangsregel ist dann der 14-Tage-Rhythmus, bei der die Kinder jedes zweite Wochenende bei ihrem Papa verbringen.

Wenn ein Wochenende bei Papa ansteht, gibt es oft Tränen

Nicht immer freuen sich die Kinder auf die Besuche beim Vater: Glaubt man den zahllosen bekümmerten und ratlosen Wortmeldungen in Elternforen, ist es keine Seltenheit, dass Kinder sich schwer tun, zu dem Elternteil zu gehen, der nicht mehr bei der Familie wohnt. So schreibt eine Mutter: "Mein fünfjähriger Sohn will seit einiger Zeit nicht mehr gerne zu seinem Papa. Immer wenn wieder ein Wochenende mit ihm ansteht, weint er und sagt, dass er lieber bei mir bleiben würde. Was soll ich tun. Ich kann ihn doch nicht zwingen?"

Und ein Vater berichtet traurig: "Ich weiß auch nicht, was los ist, aber meine achtjährige Tochter sträubt sich seit neuestem, wenn ich sie zu unserem gemeinsamen Wochenende abholen komme. Eigentlich hat bisher immer alles ganz gut geklappt, aber seitdem meine Ex und ich kürzlich wieder mal Streit hatten, ist irgendwie der Wurm drin."

Kinder haben oft Loyalitätskonflikte

Michaela Herchenhan, Diplompädagogin und familienpolitische Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für systematische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF), kennt ähnliche Probleme aus ihrem Praxisalltag. Sie erklärt: "Wenn Kinder nicht zu einem Elternteil wollen, gibt es dafür nicht immer einen konkreten Grund. Die Kinder haben in solchen Situationen oft einen Loyalitätskonflikt und meinen zu spüren, dass es beispielsweise von der Mutter nicht gewünscht ist, wenn sie zum Vater gehen. Sie möchten die Mutter nicht verletzen und wählen den Weg, der am leichtesten für sie zu gehen ist."

Um das Dilemma des Kindes zu lösen, müssten Mütter und Väter deshalb unbedingt Hand in Hand arbeiten und sich so oft wie möglich absprechen, rät die Expertin: "Dem Kind muss klar vermittelt werden, dass die Eltern sich einig sind und dass es völlig in Ordnung ist, wenn es auch zum anderen Elternteil geht und dass die Mutter gut mit der Situation klar kommt. So kann dem Kind die größte Anspannung genommen werden."

Neue Familienkonstellationen machen es noch schwieriger für Kinder

In vielen Fällen belasten die Kinder nicht nur die Befindlichkeiten ihrer getrennten Eltern, sie müssen sich auch mit neuen Familienkonstellationen auseinandersetzen - zum Beispiel, wenn der Vater eine neue Lebensgefährtin hat und diese auch noch eigene Kinder mit in die Beziehung bringt.

"Es ist verständlich, dass Kinder sich nicht sofort problemlos mit neuen Familiensystemen und Dynamiken arrangieren können", kommentiert Familientherapeutin Herchenhan. "Dabei wird ihnen einiges abverlangt und sie sind schnell überfordert, wenn sie sich sowohl auf den neuen Lebenspartner eines Elternteils, eine neue Paarkonstellation und vielleicht auch noch auf neue Patchwork-Geschwister einstellen sollen. Eltern erwarten oft viel zu früh, dass alles harmonisch ineinandergreift, weil ihre Sehnsucht nach einer neuen intakten Familie groß ist und dadurch idealisiert wird."

Gemeinsam nach alternativen Umgangsregelungen suchen

Was aber ist zu tun, wenn die Kinder vereinbarte Besuche beim Vater ablehnen? Hier empfiehlt Herchenhan betroffenen Eltern, im gemeinsamen Gespräch mit dem Kind nach neuen Lösungen zu suchen - ohne Druck auszuüben -, gleich welchen Alters die Kinder seien: "Eine gute Möglichkeit mehr Nähe aufzubauen, bietet sich, wenn der Vater allein etwas mit seinem Nachwuchs unternimmt, etwa einen Ausflug in den Zoo macht oder sogar mit seinem Kind ein paar Tage in Urlaub fährt."

Bei jüngeren Kindern, denen es Schwierigkeiten bereitet zu ihrem Papa zu gehen, könnte man zunächst versuchen, so Herchenhan, einen Kompromiss zu finden und zeitlich eng begrenzte Treffen vereinbaren, bei denen der Vater nach genauer Absprache mit der Mutter dann zum Beispiel sein Kind zu Hause für ein zwei Stunden besucht: "Wichtig ist, dass Vater und Kind dann ungestört Zeit miteinander verbringen. Niemals sollten solche Verabredungen über den Kopf des Kindes hinweg entschieden werden. Das würde seine Verunsicherung noch verstärken."

Das Wohl des Kindes muss immer im Vordergrund stehen

Wie sollen Eltern aber reagieren, wenn solche und ähnliche Maßnahmen nicht fruchten und der Elternteil, der weggezogen ist, weiterhin von seinem Kind gemieden wird? "Wenn man feststellt, dass die vereinbarte Umgangsregelung nicht funktioniert, dürfen die Eltern nie müde werden, zusammen zu überlegen, wie es besser werden könnte. Dabei muss manchmal viel Geduld und Ausdauer aufgebracht werden. Außerdem sollte immer das Wohl des Kindes im Fokus stehen und nicht das Wohl von Mutter beziehungsweise Vater", erklärt Hechenhan. Wenn das nicht klappt, können sich geschiedene Eltern professionelle Beratung über das Jugendamt holen.

Trotz Trennung in der Erziehung immer an einem Strang ziehen

Kommunikation ist die beste Voraussetzungen für einen problemlosen Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen. "Ich rate getrennt lebenden Paaren, sich mindestens einmal monatlich zusammenzusetzen, um über den gemeinsamen Nachwuchs zu sprechen. Dabei sollte aber nicht nur über Probleme, zum Beispiel in der Schule, geredet werden, sondern genauso über Positives und Erfreuliches im Leben des Kindes", sagt Herchenhan. Über diese Treffen sollten Kinder auch stets informiert sein. Dann wüssten sie, dass ihre Eltern bei der Erziehung immer noch an einem Strang zögen. Das beruhige Kinder sehr.

Konstanter Kontakt zum Kind beugt einer Entfremdung vor

Außerdem müsse der Elternteil, der weggezogen sei, neben den vereinbarten Besuchen und Treffen konstant Kontakt mit seinem Kind halten, ergänzt die Familientherapeutin: "Um einer Entfremdung vorzubeugen, ist es am praktischsten, so oft es geht, miteinander zu telefonieren." Dabei müssen vor allem Väter darauf achten, dass sie aktiv den Austausch pflegen und sich kümmern und nicht darauf warten, dass das Kind sich meldet.

Wenn all diese Bemühungen aber keine Wirkung zeigen und das Kind weiterhin auf Abstand geht, dürften betroffene Väter dennoch nie aufhören, den Kontakt zu ihrem Sprössling aktiv zu suchen, so der dringende Apell der Pädagogin: "Auch wenn Väter langfristig zurückgewiesen werden, können sie so immer guten Gewissens sagen: 'Ich habe mein Bestes getan, nichts unversucht gelassen und stets so gut es geht Sorge für mein Kind getragen.'"

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