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Bildungspolitik: Pro und Contra zu den wichtigsten Reformvorschlägen


Bildungspolitik
Blinder Aktionismus oder überfällige Modernisierung?

t-online, dapd, dpa, rw

21.07.2010Lesedauer: 4 Min.
Protest vor dem Kieler Bildungsministerium.Vergrößern des BildesOft provozieren Bildungsreformen heftige Proteste. (Bild: dpa) (Quelle: dpa)
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Auf fast keinem Politikfeld wird so viel reformiert wie auf dem Bildungssektor. Und bei kaum einer Debatte schlagen in der Gesellschaft die Emotionen so hoch. Alle Eltern wollen für ihren Nachwuchs die beste Bildung. Ihnen ist klar: Gerade in Deutschland hängen die Zukunfts-Chancen der jungen Generation von einer guten Schulbildung ab. Wie die am besten zu erreichen ist, darüber gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Und weil die Bildungspolitik in die Hoheit der Länder fällt, sehen die Schulsysteme von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich aus. Sechs Jahre Grundschule hier, vier dort. Abitur in zwölf oder in 13 Jahren. Gesamtschule oder mehrgliedriges System mit Stadtteilschule und Gymnasium. 16 Länder, 16 Systeme. Wir haben für Sie die wichtigsten aktuellen Reformideen zusammengetragen. Was sind die Stärken, was die Schwächen der verschiedenen Modelle? Auch Ihre Meinung ist gefragt!

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Es ist im Moment nicht leicht, den Überblick zu behalten. Fast alle Bundesländer arbeiten an einer Reform ihres Schul- und Bildungswesens oder setzen gerade eine um. Was es für Familien bedeutet, etwa bei einem Umzug, wenn in jedem Bundesland völlig unterschiedliche Schulsysteme existieren, daran denken die Schulpolitiker in den Bundesländern offenbar nicht. Doch auch in der Sache wird längst nicht jede Reform von Eltern, Schülern und Lehrern als Verbesserung empfunden. Oft sind die Reformpläne von heißen Diskussionen und viel elterlicher Kritik begleitet, oder sie werden, wie jüngst in Hamburg geschehen, per Bürgervotum gleich ganz beerdigt.

Vier, fünf oder sechs Jahre Grundschule

Der erste Streitpunkt findet sich schon bei den Kleinsten. In allen Bundesländern gilt: Eingeschult werden die Kinder in der Regel, wenn sie sechs sind. Hier hören die Gemeinsamkeiten dann aber auch schon auf. Die klassische Organisation der Grundschule mit vier Jahrgängen steht nicht nur in Hamburg auf dem Prüfstand. Dort sollte die sechsjährige Grundschulzeit für alle eingeführt werden, was in der Hansestadt heftigen Widerstand provoziert hatte und nun in einem Volksvotum gegen die verlängerte Grundschule gipfelte. Sechs Jahre gemeinsames Lernen, das gibt es sonst nur in Berlin und Brandenburg. Mit der Orientierungsstufe gibt es für die Klassen fünf und sechs dort sogar eine ganz eigene Schule. Nach Leistungsstärke voneinander getrennt und auf weiterführende Schulen verteilt, werden die Schüler erst danach. Die schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koaltion im Saarland geht einen ganz eigenen Weg. Sie plant die Einführung des fünfjährigen gemeinsamen Grundschullernens.

Befürworter eines längeren gemeinsamen Lernens argumentieren, die frühe Trennung bereits nach der vierten Klasse verstärke die Abhängigkeit zwischen sozialer Herkunft und Bildungs-Chancen. "Längeres gemeinsames Lernen in der Grundschule ist pädagogisch sehr wichtig", argumentiert auch der Saarländische Kultusminister Klaus Kessler (Grüne). "Der Schulerfolg hängt dann auch nicht mehr so stark vom Elternhaus ab." Kritiker halten dem entgegen, eine Verlängerung der Grundschulzeit sei der Einstieg in die Einheitsschule durch die Hintertür. Am besten zu fördern seien Kinder aber in möglichst homogenen Lerngruppen, also nach Leistungsstärke sortiert. Zudem, so der deutsche Philologenverband, amputiere eine längere Grundschulzeit die Gymnasien in ihrer Gestaltungskraft. Zumal wenn zeitgleich das Abitur in zwölf Jahren eingeführt werde. Nur noch sechs, statt wie bisher meist neun Jahre Gymnasium - das geht vielen zu weit.

Abitur in zwölf Jahren

In fast allen Bundesländern ist ein Abiturzweig eingeführt, der in zwölf Schuljahren zur Reifeprüfung führt. Dort, wo das noch nicht der Fall ist, laufen meist entsprechende Planungen. Bildungspolitiker reagieren damit auf den im europäischen Vergleich recht späten Berufseinstieg der deutschen Schüler. Auch hier mangelt es nicht an Kritik. In vielen Fällen wurde es versäumt, mit der Verkürzung der Schulzeit auch die Lehrpläne zu straffen. Nun muss oft der gleiche Stoff in kürzerer Zeit gepaukt werden. Vielerorts gehen Eltern, Lehrer und Schüler in seltener Eintracht dagegen auf die Barrikaden. Sie halten den zusätzlichen Stress und Leistungsdruck für unzumutbar. Kinder verbrächten immer mehr Freizeit vor dem eigenen Schreibtisch oder, sofern es der elterliche Geldbeutel erlaubt, beim Nachhilfeunterricht. Eltern und Pädagogen sind besorgt, die Schüler würden durch die viele Lernerei ihrer Kindheit und Jugend beraubt.

Auslaufmodell Hauptschule

Waren zuvor nur einige Experten der Meinung, die Hauptschule gehöre abgeschafft, bekam die Debatte mit dem Brandbrief des Lehrerkollegiums der Berliner Rütli-Schule echten Zündstoff. Die Lehrer kapitulierten in dem Brief vor den Verhältnissen an ihrer Hauptschule und sprachen sich gar für die Abschaffung der ganzen Schulform aus. In der Folge war ein bundesweiter Trend zu beobachten, aus dem klassischen dreigliedrigen ein zweigliedriges Schulsystem zu machen. Wenn auch der ein oder andere Realschullehrer davon nicht begeistert sein mag, scheint diese Entwicklung kaum noch aufzuhalten. Die demografische Entwicklung, dass die Gesamtzahl der Schüler abnimmt, begünstigt diesen Trend. Zwei verschiedene weiterführende Schulen sind einfach leichter zu finanzieren als drei.

Es gibt allerdings auch Kritiker dieser Entwicklung. Für sie ist die bloße Abschaffung einer ganzen Schulform eine verpasste Chance. "Die Inhalte und Strukturen dieser Schulart müssen erneuert werden", spricht sich etwa Peter Thiele von der Katholischen Erziehergemeinschaft Oberbayern für den Erhalt der Hauptschule aus, wenn auch mit neuem Gesicht. Gerade dort sei es möglich, leistungsschwächere Schüler intensiv beim Weg zu einem Ausbildungsberuf zu begleiten. Dies könne etwa durch mehr Praktika oder gezieltes Bewerbungstraining geschehen.

Ganztagsschule - Dem elterlichen Einfluss weitgehend entzogen

In den meisten europäischen Ländern ist sie schon längst Realität. Und mittlerweile hat die Ganztagsschule auch in Deutschland ihren Siegeszug angetreten. Sie steht bei ihren Befürwortern für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Frau. Außerdem wird gerne darauf verwiesen, dass nahezu alle Staaten mit guten PISA-Ergebnissen ein Ganztagsschulsystem haben. Ein weiteres Argument ist für Viele, dass bei flächendeckender Ganztagsbetreuung, der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Bildungs-Chancen des Schülers schwinde. Schließlich sind diese dann länger ihrem sonst gewohnten, leider oft bildungsfernen, Umfeld entzogen.

Genau das ist es aber auch, was so manche Eltern beunruhigt. Sie sehen ihren eigenen erzieherischen Einfluss auf ihr Kind beschnitten, wenn es schon in Grundschuljahren erst am späten Nachmittag nach Hause kommt. Gerne wird an dieser Stelle etwas polemisch auf die Realität in der DDR verwiesen. Dort war es politisch gewollt, dass Eltern ihr Kind möglichst früh und lange in staatliche Obhut geben. In vielen Schulen mit Ganztagsanbot ist dieses deshalb nicht verpflichtend. Dort können Eltern ihr Kind freiwillig für die Ganztagesbetreuung anmelden.

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