So lassen sich Kinder motivieren
Eigentlich sind Kinder von Natur aus neugierig und wissbegierig. Sie lernen spielerisch, selbststΓ€ndig und instinktiv, solange dieser Prozess freiwillig ablΓ€uft. Das spontane und lustvolle Lernen verliert sich dann meist mit der Schulpflicht. Von da an greifen nΓ€mlich Erwachsene gezielt in den Lernprozess ein, erwarten Leistung, legen ZeitplΓ€ne und Inhalte fest.
Zahlreiche Studien belegen, dass die Freude an der Schule nach der Grundschulzeit bestΓ€ndig abnimmt und ein erheblicher Prozentsatz der SchΓΌler den lexikalischen Stoff einfach auswendig lernt. Statistisch verschlechtern sich die Noten im Laufe der Schulzeit kontinuierlich, die Arbeitszeit der SchΓΌler hingegen steigt. Resultat: PassivitΓ€t und Resignation wachsen. Doch es gibt Strategien, der Demotivation und "Null-Bock-Einstellungβ entgegenzuwirken und das Interesse am Lernen und die Neugier auf Neues zu erhalten.
Ursachen erkennen
Um der fehlenden Motivation auf den Grund zu gehen, sollten Eltern zunΓ€chst deren Ursachen erkennen. Mangelnde Konzentration, Γberforderung, Notendruck, Spannungen mit dem Lehrer oder Probleme mit Freunden oder MitschΓΌlern kΓΆnnten verantwortlich fΓΌr das lΓ€hmende Desinteresse sein. Dabei ist ein ausfΓΌhrliches GesprΓ€ch nΓΆtig, bei dem die Eltern dem Kind das GefΓΌhl vermitteln kΓΆnnen, dass es aktiv an der ProblemlΓΆsung beteiligt ist.
Motivationsbremsen oft hausgemacht
Oftmals ist die trΓ€ge und phlegmatische Haltung des Kindes auch hausgemacht. Denn Motivationskiller wie UnselbststΓ€ndigkeit und geringes Selbstbewusstsein entstehen leicht, wenn Eltern zu stark in Lernprozesse eingreifen, dem Kind zum Beispiel bei den Hausaufgaben das Denken abnehmen oder alle FreizeitaktivitΓ€ten fΓΌr den Nachwuchs organisieren. Das blockiert jegliche Eigeninitiative.
Auch wer immer die Leistungen eines Kindes mit denen anderer vergleicht, provoziert ein Motivationsloch. "Solange das Kind besser ist als die MitschΓΌler, der Nachbarsjunge oder die Geschwister, wΓ€chst das SelbstwertgefΓΌhl. In dem Moment, wo das Kind aber scheitert, ist auch die Motivation schnell weg", weiΓ die Schweizer Motivationsforscherin Alexandra M. Freund.
ZusΓ€tzlich Druck mit der weit verbreiteten "Wenn-Dann-PΓ€dagogikβ auszuΓΌben, um die erlahmende Motivation anzukurbeln, bringt ebenfalls wenig. In seinem Buch "Null Bock auf Lernen?β plΓ€diert DiplompΓ€dagoge Detlef TrΓ€bert beispielsweise dafΓΌr elterliche BedingungsΓ€tze wie "Du gehst erst raus zum Spielen, wenn die Hausaufgaben gemacht sindβ einfach umzukehren und ihnen so den drohenden Unterton zu nehmen. Denn eine Aussage wie "Wenn du mit deinen Hausaufgaben fertig bist, kannst du gleich raus zum Spielenβ, klinge wesentlich positiver und sporne Kinder mehr an, so der PΓ€dagoge. Β΄
Belohnungen gegen die fehlende Lust
Um Kinder aus dem Antriebstief zu holen, kΓΆnnen auch kleine Belohnungen Wunder wirken. Das bedeutet jedoch nicht, bei jeder gemachten Hausaufgabe oder erledigten Pflicht ein Geschenk parat zu haben. Das ist inflationΓ€r und die Gefahr besteht, dass Kinder dann nur um der Belohnung willen Dinge mit Elan angehen.
Ideal und angemessen sind zum Beispiel gemeinsame Unternehmungen oder mehr freie Zeit: Wenn beispielsweise Englischvokabeln sehr gut gelernt sind und die Eltern sich durch AbhΓΆren davon ΓΌberzeugt haben, dann kann ihr Kind eine entsprechend vereinbarte Pause machen, in der es Computer spielen darf, obwohl dies normalerweise erst nach den Hausaufgaben erlaubt ist. Die Aussicht, etwas auΓer der Reihe tun zu dΓΌrfen, kann so die Motivation enorm steigern.
Mit Geld als Motivationsmittel sollten Eltern jedoch dosiert umgehen oder es, noch besser, ganz vermeiden: Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Kinder, die mit Geld fΓΌr kreative Arbeit belohnt wurden, schnell die Lust daran verloren haben. Denn ein paar Euro mehr in der Tasche kΓΆnnen nicht die eigentlichen Motive ersetzen: Kinder wollen die Welt erforschen und etwas bewegen, sich selbst beweisen, dass sie etwas leisten kΓΆnnen, und von ihrem Umfeld geliebt werden.
Loben statt kritisieren
Der wichtigste Motivationsmotor ist deshalb das Lob: Mit Ermunterung im RΓΌcken scheuen sich Kinder nicht davor Neues auszuprobieren. Die ZΓΌricher Motivationsforscherin Alexandra M. Freud weiΓ, wie wichtig Anerkennung als Antrieb ist. Denn wenn man Kinder regelmΓ€Γig ermuntere, ΓΌberlegten sie eher von sich aus, wie sie eine Aufgabe meistern kΓΆnnten: "Und sie geben dabei auch nicht schnell auf, sondern werden durch das Scheitern sogar angesporntβ, so die Psychologin. Sie lernten so, dass Fehler nicht unbedingt negativ sind, sondern ein wichtiger Faktor im Lernprozess sein kΓΆnnen.
Wenn man seinem Kind allerdings immer nur sagt, dass alles wunderbar ist, fΓΆrdert das nicht unbedingt dessen Ansporn. "Das bringt ein Kind nicht dazu, dass es sich spΓ€ter auch mal schwierigen Aufgaben stellt. Echtes Lob ist differenzierter", so Freund. Ein Kind mΓΌsse auch klar gesagt bekommen, was es verbessern kΓΆnnte.
Kinder, die gar nicht gelobt werden und denen immer nur vorgehalten wird, was sie nicht kΓΆnnen, werden vorsichtig. Sie fΓΌrchten sich vor Misserfolg, Herausforderungen meiden sie lieber. "Diese Kinder gehen eher auf Nummer sicher. Die wollen eher Aufgaben mit einem Schwierigkeitsgrad haben, den sie sicher bewΓ€ltigen kΓΆnnen", erklΓ€rt Alexandra M. Freund.
Eigenmotivation fΓΆrdern
Motivationsanreize mΓΌssen nicht nur von auΓen kommen. Kinder kΓΆnnen sich mit kleinen Tricks auch selbst ermutigen und aus der Frustfalle befreien. Zum Beispiel steigern Merkzettel wie βIst Mathe erst einmal getan, fΓΌhlt sich der Tag viel besser anβ oder βManche trΓ€umen vom Erfolg, ich bin wach und arbeite dranβ ΓΌber dem Schreibtisch den Eigenansporn und ΓΌberwinden den inneren Schweinehund. DiplompΓ€dagoge TrΓ€bert nennt solche Hilfen MotivationskrΓΌcken, zu denen auch Eigenbelohnungen wie Freunde treffen, Musik hΓΆren oder eine kleine SΓΌΓigkeit gehΓΆren kΓΆnnen. Detlef TrΓ€bert betont, dass es sich dabei nicht um SpektakulΓ€res handeln muss: βAll das kann ich im Alltag sowieso haben. Es hΓ€ngt von meiner Einstellung ab, ob ich es zur Belohnung erhebe.β
GrundsΓ€tzlich erschlieΓen sich Kinder ihre Welt gerne eigenstΓ€ndig. Dazu gehΓΆrt auch, dass sie herausfinden, wozu sie Lust haben und den inneren Antrieb selbst entdecken. "Es ist eine wichtige Erfahrung fΓΌr ein Kind, dass man Langeweile selber abstellen kann, dass man sich selbst seine Zeit strukturieren und gestalten kann", sagt Alexandra M. Freund. Kinder mΓΌssten sich auch mal langweilen dΓΌrfen, um Eigenmotivation zu entwickeln, und sie brΓ€uchten offene Angebote.
Die Welt durch Lesen entdecken
"Eine gute Strategie ist, dem Kind zu sagen: 'Lies doch mal was'. Also, nicht schon mit einem ausgesuchten Buch ankommen. Dann muss das Kind selber sehen, was es damit macht", rΓ€t die Psychologin. Wenn das Lesefieber dann entfacht ist, sollten Eltern auch spΓ€ter nicht versuchen ihrem Nachwuchs mΓΆglichst "anspruchsvolleβ Literatur aufzudrΓ€ngen. Das Wichtigste an der Lesemotivation ist, dass eigenstΓ€ndig Interesse fΓΌr bestimmte Themen entwickelt wird. Ob es sich dabei um Comics, Zeitschriften oder Sci-Fi-Geschichten handelt, ist gleichgΓΌltig. Entscheidend ist die damit gefΓΆrderte Lesekompetenz, die fΓΌr einen motivierten und erfolgreichen Schulalltag sorgt.
Angewendetes Wissen ist interessanter
Die Bereitschaft sich fΓΌr ein ungeliebtes Schulfach oder fΓΌr vermeintlich langweilige Themen zu begeistern, kΓΆnnen Eltern fΓΆrdern, indem sie Ihrem Kind zeigen, wo es das Erlernte anwenden kann. Diesen ganzheitlichen Lernansatz verfolgte beispielsweise der Psychologe Reuven Feuerstein. Seine These: Nur wer weiΓ, wofΓΌr er etwas lernt und dabei sieht, wie er es im tΓ€glichen Leben anwenden kann, der wird auch bereit sein, sich mit Dingen zu beschΓ€ftigen, die ihm Schwierigkeiten bereiten.
So kΓΆnnte beispielsweise ein Kind, das wenig Lust auf Vokabellernen hat, von seinen Eltern motiviert werden, englischsprachige Anleitungen von Computerspielen zu lesen. Wenn das Kind dann irgendwann beim Verstehen der Texte nicht mehr auf Hilfe angewiesen ist, wΓ€chst seine Motivation sich weiterhin mit Englisch zu beschΓ€ftigen. Der erkannte Nutzen fΓΆrdert so die Lernbereitschaft.