t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



Menü Icon
t-online - Nachrichten für Deutschland
HomeGesundheitSchwangerschaftKinderwunsch

Unerfüllter Kinderwunsch: Wie Paare leiden


Unerfüllter Kinderwunsch
"Mach doch mal Kopfstand nach dem Sex!" Wenn der Storch so gar nicht will

t-online, Simone Blaß

01.09.2011Lesedauer: 5 Min.
Zwischen Hoffnung und Enttäuschung: Wenn der Kinderwunsch einfach nicht in Erfüllung gehen will.Vergrößern des BildesZwischen Hoffnung und Enttäuschung: Wenn der Kinderwunsch einfach nicht in Erfüllung gehen will. (Quelle: imago-images-bilder)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von Unfruchtbarkeit, wenn sich nach ein bis zwei Jahren regelmäßiger Bemühungen kein Nachwuchs eingestellt hat. Dann beginnt die meist sehr belastende Fruchtbarkeitsbehandlung, bei der das Paar zwischen Hoffnung und Enttäuschung oft allein dasteht.

Jahrelang hat man peinlich genau verhütet, die Karriere verfolgt, ewig auf den Traumprinzen oder die Traumprinzessin gewartet und dabei nie infrage gestellt, dass irgendwann Kinder die Liebe krönen würden. Wenn man dann Monat für Monat, vielleicht sogar schon Jahre darauf wartet, dass die Regel ausbleibt, muss man sich irgendwann eingestehen, dass es ohne "nachzuhelfen" wohl nicht mehr klappen wird. Sich einzugestehen, dass man (im Moment zumindest) auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen kann, ist hart. Schließlich betrifft das nicht nur einen selbst, sondern auch den Partner.

Felix Wegener heißt eigentlich gar nicht Felix Wegener und vielleicht ist er auch gar nicht bei der Stadt Bochum angestellt. Aber er ist mutig. In seinem gerade erst erschienenen Buch "Nichtschwimmer" erzählt er von seinen Erfahrungen mit dem unerfüllten Kinderwunsch und der Tatsache, dass seine extrem gemütlichen Spermien daran schuld sind. Dabei geht er nicht nur schonungslos mit sich selbst um, sondern behandelt das Thema auch mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor. Doch auch, wenn das Buch sehr amüsant ist, so merkt man doch genau, welche Unsicherheiten, welcher Kummer sich entwickeln können, wenn man sich ein Kind wünscht und es nicht klappt! Die ultimative Methode zum Kinderkriegen hat auch Felix Wegener nicht gefunden, aber er hat, genau wie seine Frau, unter den Fruchtbarkeitsbehandlungen sehr gelitten.

Die Liebe wird auf eine harte Probe gestellt

Schön wäre, man könnte sagen: So oder so ist es und das kann man dagegen tun. Aber das geht nicht. Jeder Fall von unerfülltem Kinderwunsch ist anders, hat andere Gründe und die Betroffenen haben andere Strategien, damit umzugehen. Manchmal unterscheiden sich diese Strategien so sehr, dass die Partnerschaft am Kummer zerbricht. Manche Paare dagegen wachsen noch enger zusammen.

Um diese schwere Lebensphase trotzdem gut zu überstehen, suchen sich viele Betroffene neben guten Freunden, denen sie ihr Herz ausschütten können, auch "Schicksalsgefährten". Menschen, die Gleiches durchmachen oder durchgemacht haben. Solche Gespräche können trösten und Hoffnung geben, aber - und da muss man vorsichtig sein - die Ansichten von anderen sind subjektiv und können nicht nur Mut machen, sondern auch dazu führen, dass man denselben verliert.

Der wichtigste Gesprächspartner sollte aber immer der eigene Partner sein. Die Gefahr, sich in sich zurückzuziehen und den anderen nicht mehr am seelischen Auf und Ab teilhaben zu lassen, ist nämlich genauso groß wie die, das ganze gemeinsame Leben vom Kinderwunsch beherrschen zu lassen. Hier die Balance zu finden, ist nicht einfach.

"Mach doch mal Kopfstand nach dem Sex!"

Freundinnen oder Arbeitskolleginnen werden schwanger und strahlen vor Glück, die Eltern wünschen sich sehnlichst ein Enkelkind - Paare mit unerfülltem Kinderwunsch werden oft ganz schön unter Druck gesetzt. Vor allem die Frauen neigen dann dazu, sich zurückzuziehen, um ihre starken Emotionen unter Kontrolle zu halten. Je länger ein Paar zusammen ist, desto häufiger taucht die Frage auf, ob man denn kein Kind wolle. Antwortet man ehrlich, so kann man sich vor Ratschlägen kaum retten. Die reichen dann von "Ihr dürft das nicht so verbissen sehen" bis hin zu "Mach doch mal direkt nach dem Sex einen Kopfstand, bei xy hat das auch geholfen!" Schwieriger wird es noch im Kollegenkreis. Denn mal abgesehen davon, dass im Berufs- und Karriereleben das Kinderkriegen nach wie vor nicht den allerhöchsten Stellenwert hat: Man sollte intime Details wie diese lieber aus dem Job raushalten und sich besser nicht beim Plausch in der Teeküche über entnommene Eizellen oder müde Spermien unterhalten. Auch, wenn es manchmal schwerfällt.

Negative Gefühle darf man zulassen

Unfruchtbarkeit ist oft eng mit Scham verknüpft. Mit dem Gefühl, kein vollwertiger Mensch, gar ein Versager zu sein. Einer der Hauptgründe, warum sich vor allem Männer erst verhältnismäßig spät einer Untersuchung stellen.

Gehen dann die Versuche, die Schwangerschaft künstlich herbeizuführen, immer wieder schief oder kommt es gar zu Fehlgeburten, verstärken sich diese Gefühle. Schnell fühlt man sich dann überfordert. Ein Teufelskreis: Denn den psychischen Stress wiederum machen sich die Betroffenen selbst zum Vorwurf. Schließlich weiß man ja um den Zusammenhang zwischen Stress und Fruchtbarkeit. Der Diplompsychologe Tewes Wischmann, Mit-Autor des Buches "Der Traum vom eigenen Kind", nimmt diesen Befürchtungen etwas Wind aus den Segeln. Er bietet am Universitätsklinikum Heidelberg eine psychologische Beratung an. Im Rahmen einer Studie hat man dort festgestellt, dass sich die seelische Belastung durch entsprechende Beratung deutlich verringern lässt. Schneller schwanger aber wurde deswegen interessanterweise keine der Frauen.

Stattdessen lernt man, nicht sein gesamtes Denken und Fühlen auf das Wunschbaby zu richten. Und erkennt, dass Ängste, maßlose Enttäuschung und Traurigkeit in diesem Zusammenhang ganz normal sind und auch zugelassen werden dürfen, ohne den Erfolg der Behandlung zu reduzieren. Das nimmt den Druck.

Der eigene Lebensplan wird infrage gestellt

Die unvoreingenommene Perspektive kann dabei helfen, Erwartungen, Hoffnungen, Enttäuschungen und persönliche Grenzen zu formulieren und damit mehr Übersicht über das emotionale Chaos zu gewinnen. Sich die Frage zu stellen, warum zum Beispiel der Wunsch nach einem Kind so enorm groß ist, kann durchaus wichtig sein. Welche Rolle spielt die erhoffte Schwangerschaft in Zusammenhang mit dem Selbstbewusstsein und was wird möglicherweise in eine Elternschaft hineininterpretiert und von ihr erhofft? Das sind zentrale Fragen, die gemeinsam bearbeitet werden.

Solche Gespräche helfen auch, im Vorfeld von Behandlungen vorbereitet zu sein, auf das, was kommt. Auf mögliche Nebenwirkungen und Risiken, auf Enttäuschungen, aber auch auf die finanzielle Belastung. Und darauf, dass die Fruchtbarkeitsbehandlung möglicherweise ohne Erfolg verläuft. Denn auch damit muss man rechnen. Man sollte sich damit auseinandersetzen, was man tun wird, wenn der Wunsch nach einem Baby unerfüllt bleibt. Ob eventuell auch ein Pflegekind oder eine Adoption infrage käme. Oder ob es noch andere Lebensträume gibt, die man in Angriff nehmen könnte.

Den Traum vom Wunschbaby zu begraben ist echte Trauerarbeit

Hält der Kinderwunsch schon sehr lange an, sind alle Möglichkeiten ausgeschöpft und ist die Hoffnung am Ende, dann kommen die Emotionen, die daraus entstehen, echter Trauerarbeit gleich. Der Unterschied allerdings ist, dass das Umfeld nur bedingt nachvollziehen kann, dass man wirklich trauert. Denn schließlich, so das häufige Argument, habe es ja nie ein Kind gegeben, dessen Verlust man nun betrauern müsse. Ähnlich den Reaktionen, die Frauen mit Fehlgeburten oft erleben müssen. Betroffene Paare ziehen sich notgedrungen in sich selbst zurück, verstellen sich nach außen und das kostet noch zusätzlich Kraft.

Unfruchtbarkeit kann das seelische Gleichgewicht komplett durcheinanderbringen und oft hilft es, sich professionelle psychische Unterstützung zu suchen. Das muss keine Therapie sein, dazu genügt es meist, mit einem Lebensberater zum Beispiel von pro familia, Wohlfahrtsverbänden oder ähnlichen Einrichtungen zu sprechen. Auch das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland e.V, dessen Vorsitz Dr. Tewes Wischmann angehört, bietet eine Liste von geeigneten Beratern.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website