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E.O.F.T. 2013/2014: Tom Randall und Pete Whittaker im Interview


Aktiv- & Skiurlaub
Offwidth-Weltmeister Tom Randall & Pete Whittaker: normal und doch anders

trax.de, Hanna Engler

Aktualisiert am 11.10.2013Lesedauer: 8 Min.
Offwidth-Kletterer Tom Randall und Pete Whittaker.Vergrößern des BildesTom Randall und Pete Whittaker - zwei Briten, die sich den inoffiziellen Weltmeister-Titel im Offwidth-Klettern hart erarbeitet haben. (Quelle: trax.de/Alex Ekins)
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Waiswuaschd, Brezn, zünftige Musi - immerhin verzichten wir aufs Bier. Es muss ein Kulturschock für die beiden Briten sein, die direkt aus dem Flieger in die Wirtschaft gekommen sind, zum Interview bei traditioneller Brotzeit. Doch Tom Randall und Pete Whittaker scheint die bayerische Spezialität zu munden. Die beiden unterschiedlichen Kletterpartner haben sich den inoffiziellen Weltmeistertitel im Offwidth-Klettern geholt - mit der ersten freien Besteigung des Century Crack in Utah, die eigentlich für unmöglich gehalten wurde. Der lange Weg dorthin ist jetzt in "Wide Boyz" auf der European Outdoor Film Tour (E.O.F.T.) zu sehen. Trax.de war bei der Premiere in München, sehen Sie hier Bilder vom Abend und aus den E.O.F.T.-Filmen.

Wide Boyz haben Unmögliches möglich gemacht

Es sind zwei Briten, die es schaffen, diesen legendären Spalt im Fels erstmals erfolgreich zu klettern. Keine Amerikaner, die das Rissklettern als ihr Hoheitsgebiet ansehen, speziell das Offwidth-Klettern ("Offwidth" bezeichnet einen Riss, der zu breit ist, um die Faust zu verklemmen, aber schmaler als ein Kamin, in den der ganze Körper passen würde) - schließlich stehen in den USA über 100 harte (Klettergrad über 5.12) und über 5000 leichte Routen zur Verfügung. Im Vereinigten Königreich sind es gerade mal fünf harte, und 250 leichte Routen, die Tom Randall und Pete Whittaker zumindest theoretisch klettern können. Doch sie sind vor allem in der Gegend um Sheffield unterwegs, die eigentlich nur einen einzigen besonderen Felsen, den Stanage Edge (oder Stanage), vorzuweisen hat, der aus einer weltweit recht einzigartigen, groben Sandsteinart besteht. Und natürlich Toms Haus, das kurzerhand zur Trainingshalle umgebaut wurde, um das Unmögliche möglich zu machen...

Century Crack 42 Mal durchgeklettert - bevor es zum echten ging

Vielleicht versteht man eher, wie die beiden wie Freunde wirkenden Kletterpartner diese Meisterleistung in den USA geschafft haben, wenn man hört, dass jeder einzelne den fast 50 Meter langen Riss im Grunde genommen schon 42 Mal geklettert ist - im Keller von Toms Haus, in dem sie die Einzelstücke der Route perfekt nachgebaut haben. Doch richtig beeindruckt ist man erst, wenn man es sieht. So entspannt das Interview bei Würsteln und süßem Senf läuft, umso stärker ist für mich der Kontrast, den 33-jährigen Tom und seinen gerade mal 22 Jahre alten "Schützling" Pete später auf der Bühne der E.O.F.T.-Premiere zu sehen: Es ist die beeindruckendste Darstellung am Abend. Sie präsentieren nicht nur den Film, sie präsentieren nicht, wie sie den Century Crack tatsächlich gemeistert haben. Nein, sie stellen sich einfach dar wie zwei normale Menschen - die etwas anders sind, etwas verrückt vielleicht. Und das mit Witz und einer Souveränität, die ich vor allem dem jungen Pete am Morgen noch nicht zugetraut hätte.

"Der nächsten Route gebe ich Petes Telefonnummer"

Saß er mir in der Frühe eher schüchtern gegenüber und trug nur ab und zu etwas zum Gespräch bei - während Tom übersprudelte voller Erzählungen über das Klettern, seine Familie und wie man Routen Namen gibt ("Der nächsten gebe ich Petes Telefonnummer") -, so steht Pete abends auf der Bühne wie ein "alter Hase" und erntet für seine sympathische Darstellung seines Partners, der zumindest in den Anfängen wohl sein Lehrer war, immer wieder Lacher. Vielleicht lag es an dem Flug, den er hinter sich hatte, oder der ungewohnten Umgebung, aber in der Wirtschaft wirkte Pete noch wie der Schüler seines Mentors. Auf der Bühne aber treten sie wie Partner auf, auch noch als Tom erzählt, wie sie sich in der Kletterhalle, in der er die Routen installierte, kennenlernten und er das junge Talent zu einem verrückten Rekordversuch überreden konnte, auf den sich sonst keiner einließ: An einem Tag wollten sie soviel Risse wie möglich klettern - sie hielten zwar "nur" 17 Stunden durch, schaften aber 152 Risse (jeder) und damit den Rekord. Eine Partnerschaft ward geboren.

Mit 16 Jahren schon Kultstatus

Eine Partnerschaft - als ich von Freundschaft rede, wird mit durchaus ernstem Unterton gescherzt: Freunde und Kletterpartner, das sei ein großer Unterschied -, die auf Respekt aufgebaut ist. Bei unserem Treffen frage ich weiter nach ihrer ersten Begegnung. Es bleibt nicht bei "wir haben uns in der Kletterhalle getroffen". Tom erzählt, dass Pete damals (er war gerade mal 16 Jahre alt) Kultstatus in der Szene genoss - weil er einfach alle Routen meisterte. Routen, die Tom entwarf. "Das hat mir gestunken! Dieser junge Kerl knackt alle meine Routen. Und das mit schlechter Technik." Die sieht man später auf den Fotos, die die beiden Risskletterer von ihrem Trainingsmarathon in Toms Keller mitgebracht haben. "Immer einen oder beide Füße über dem Kopf!" Gerade diese Bilder bringen erheblich Lacher aus dem Publikum, einfach zu komisch, wie der blonde "Jüngling" verrenkt am Felsen hängt.

Also nahm der 11 Jahre ältere Tom das junge Talent unter seine Fittiche. Von sich selbst behauptet der Familienvater, der seine Tochter zweisprachig aufzieht und gar nicht genug von ihr erzählen kann, von Natur aus eigentlich schwach zu sein und nur durch viel harte Arbeit Kraft genug fürs Klettern aufzubringen. Das widerspricht allerdings meinem Eindruck. Man sieht den beiden ganz genau an, welche Muskeln sich hinter den von Sweatshirts bedeckten Oberkörpern verstecken, und selbst die Finger sehen irgendwie dicker und kräftiger aus. Dabei scherzen sie, dass der Bergsteiger Kyle Dempster (auch bei der E.O.F.T. zu sehen) bei der Ankunft am Flughafen so schwach ausgesehen habe, dass sie ihn bestimmt im Armdrücken besiegen würden - zu zweit...

Zwei Jahre hartes Training am künstlichen Century Crack

Irgendwann formte sich in ihren Köpfen die Idee mit dem Century Crack in Utah. Und sie begannen zu trainieren. Jeden Tag. Zwei Jahre lang. Umso besser sie wurden, umso mehr Gewichte nahmen sie. Am Ende baumelten unzählige Kletterhaken und Karabiner um ihre Hüften, um unter möglichst echten Bedingungen zu trainieren. Das alles im Keller und im Garten von Toms Haus in Sheffield. Immer wenn die kurz vor ihrer Abfahrt nach Moab geborene Tochter Hanna im Haus mal schlief oder anderweitig betreut wurde, ging der frischgebackene Vater in den Keller, auch mal nachts um ein Uhr - allerdings ohne Pete, dazu war er dann doch nicht bereit...

Aber auf den Bildern, die die beiden Kletter auf der Premiere zeigen, sieht man, wie bereit sie wirklich waren für ihren großen Traum. Erst dann wird mir wirklich klar, wie viele Schmerzen sie ewig lange auf sich genommen haben, wie viel Schweiß und (Herz-)Blut sie gelassen haben, nur für ein einziges Ziel, das so weit weg war. Manche sagen, Rissklettern sei die schmerzhafteste Disziplin im Klettersport. Da ist sicher etwas dran, oft hängt das ganze Körpergewicht der Athleten nur an den ineinander verkeilten Händen, einer Fußspitze oder gar nur zwei Fingern, die in einem Spalt klemmen. Blutige Hände und viele Rollen Tape standen auf der Tagesordnung.

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Rissklettern: Kraft, Kampf und hochtechnisch

Doch gleichzeitig, und auch das hat Pete mir schon am Tisch erzählt, ohne dass ich es richtig verstanden hätte, ist Rissklettern hochtechnisch. Das zeigen nicht nur die Videoszenen, in denen im Inneren der künstlichen Risse in Toms Keller gefilmt wurde und die zeigen, wie die Sportler ihre Hände verschränken, verkeilen, drehen, Füße und Hände getrennt oder zusammen einsetzen, um vorwärts zu kommen - horizontal wie vertikal. Sondern auch Toms kleine Showeinlage auf dem kurzerhand auf der Bühne aufgestellten Risskletter-Gerät.

Technik, Kraft, Durchhaltevermögen - die im Keller aufgebaute Trainingsstätte hält all diese Anforderungen an die beiden Kletterer bereit. Zur Motivation stehen an einigen Stellen Sprüche wie "Go on Fatty" (an einer Einheit, an der sie Sit-Ups ohne, später mit Gewichten machen). Am "Board of truth" führen sie Liste über jede geleistete Trainingseinheit, die Menge an Strichen erinnert an eine Gefängniswand. Und schließlich brechen die beiden ja auch irgendwie aus ihrem persönlichen Gefängnis im Keller aus, um letztendlich im Jahr 2011 die Freiheit des Cracks in Amerika zu erklettern, diesen zu meistern und sich die Anerkennung zu holen, für die sie so lange geschuftet haben.

Die E.O.F.T.-Filme: Nackt durch einen Fluss in Kirgisistan

Die Outdoor-Filmtour ist aber nicht nur etwas für Kletter-Fans. Besonders viel Jubel erhält der Film "The Road from Karakol", ebenso wie der Auftritt des Künstlers auf der Bühne. Kyle Dempster erzählt, warum er alleine auf seine Reise mit dem Fahrrad durch Kirgisistan aufgebrochen ist (mit einem Blick zum Franzosen Sébastien de Sainte Marie, der direkt davor seinen Steep Skifilm "Sound of the Void" vorgestellt hat: "Meine Freundin hatte leider einen schweren Unfall beim Steep Skiing" ('Steilwand-Skifahren', Anm. d. Red.), und wie wichtig das Filmen für seinen Seelenzustand war: "Die Kamera war mein persönlicher Wilson" (aus dem Kinofilm "Cast away" mit Tom Hanks, Anm. d. Red.).

Der Bergsteiger war auf dem Bike durch Kirgisistan, die "Schweiz von Zentralasien", gefahren, um zu unberührten Gipfeln zu gelangen und einige Erstbegehungen mit nachhause zu nehmen: Straßen gab es kaum welche, Wege eigentlich auch nicht, dafür Grenzposten, die mit Wodka bestochen wurden, und Flüsse, die nackt durchschwommen wurden. Eine lustige wie eindrucksvolle Geschichte, die laut Dempster ohne großes Budget oder Sponsoring durchgeführt wurde. So richtig mag man es ihm nicht glauben, als er sagt "Abenteuer brauchen kein großes Marketing", schließlich zeigt er sein Video - in dem auch beeindruckende Aufnahmen aus der Luft vorkommen - bei E.O.F.T, einer kommerziellen Filmtour, von großen Marken gesponsert. Das tut der Faszination des Filmes allerdings keinen Abbruch...

Der Winter ist die beste Zeit zum Surfen in Norwegen

Noch mehr beeindruckt mich die Geschichte zweier Norweger, die mal eben eine neunmonatige Auszeit zum Surfen nehmen wollten ("North of the Sun"). Der Winter ist die beste Zeit zum Surfen an der 22.000 Kilometer langen norwegischen Küste. Das allein hört sich für uns sonnenverwöhnte Mittel- und Südeuropäer schon gewöhnungsbedürftig genug an, Surfen gehört doch eigentlich nach Bali oder Hawaii. Aber aus der reinen Auszeit von Inge Wegge und Jørn Nyseth wurde in dem Moment ein Projekt, als sie all den Müll sahen, der sich an ihrem einsamen Strand angesammelt hatte. Kurzerhand entstand die Mission, von Müll zu leben und den Rest aufzusammeln: Im Supermarkt erstanden sie nur Lebensmittel, die bereits abgelaufen waren. Aus dem Müll, den sie am Strand fanden, bauten sie sich eine eigene kleine Hütte hinter einem windgeschützten Felsen, später noch einen Holzofen - allein das für mich unvorstellbar. Man schaut den beiden Jungs zu, wie sie frierend die Neopren-Anzüge anziehen und surfen gehen, als es so gut wie keine Sonne am Tag gibt, surfen sie im Dunkeln, sie hacken Holz, räumen den Strand auf. Und man kann sie nur bewundern und vielleicht ein wenig beneiden für das Glück, dass sie in der Einfachheit der Hütte und des Strands gefunden haben.

Von Canyoning bis zum Skifilm alles dabei

Ein weiterer Film, "The Beginning", zeigt Canyoning, nichts was mich bisher so richtig umgehauen hätte. Aber die kurzen Szenen sind besser als erwartet: Es liegt nicht nur an dem Motto "in der Kürze liegt die Würze", sondern auch an den extrem detaillierten Aufnahmen auf der großen Leinwand - Outdoor-Filme auf dieser Größe zu sehen, lohnt sich definitiv. Das Publikum leidet mit, als Warren Verboom bei seinen Sprüngen in die Felsrutschen aufprallt - meist mit dem Steißbein (vereinzelt sind "Au"- und "Ah"-Rufe zu hören). Doch nach dem Film erzählt der Schweizer auf der Bühne völlig unberührt, dass er keine Schmerzen und mittlerweile kaum noch blaue Flecken hat.

Ähnlich leidet das Publikum beim Skifilm "Supervention" mit, als die Freeskier bei ihren Kunststücken über Geländer an Pfosten hängenbleiben oder beim Sprung über die Schanze an die Wand die Landerampe leicht verpassen - ein cooler Film, der den Winter einläutet und den Premierenabend beendet, zu dem sich sogar Bergsteiger Stefan Glowacz die Ehre gibt. Auch wenn es seltsam anmutet, dass er dort eine deutsche Automarke vertritt, wo er sonst immer "by fair means" klettert (das heißt, dass man so weit wie möglich aus eigener Kraft, ohne technische Hilfsmittel unterwegs ist).

Interview mit wenig Fragen, aber vielen Eindrücken

Doch was mir mehr in Erinnerungen bleibt, ist der gemütliche Plausch mit den beiden Offwidth-Klettern, an dessen Ende mich Tom fragt, ob ich nicht noch seine Lieblingsfarbe wissen will. Ich tippe auf Blau und er nickt lachend. Und da fällt mir doch noch eine Frage ein: Mit wem würden sie gerne mal klettern gehen? Sie denken lange nach, scheinen niemandem bestimmten im Kopf zu haben, doch dann meint Tom: "Mit der japanischen Kletterlegende Yuji Hirayama. Ich glaube, mit dem Japaner scheint man einfach richtig Spaß haben zu können." Ach ja, also doch nicht nur Schmerz, auch Spaß haben die beiden beim Rissklettern...

Mehr über die beiden Wide Boyz unter www.wideboyz.blogspot.de.
Die E.O.F.T. 2013/2014 ist noch bis zum 23. Januar 2014 auf Tour durch Deutschland (www.eoft.eu/de).

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