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Energiekonzern RWE: Darum will der Riese früher von der Braunkohle weg


Braunkohle
Wieso RWE die Konzernstrategie auf den Kopf stellt


Aktualisiert am 06.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Das RWE Braunkohlekraftwerk Neurath, bei Grevenbroich: Bis Ende Dezember 2029 will der Konzern komplett aus dem Kohlegeschäft aussteigen.Vergrößern des Bildes
Das RWE-Braunkohlekraftwerk Neurath bei Grevenbroich: Bis Ende Dezember 2029 will der Konzern komplett aus dem Kohlegeschäft aussteigen. (Quelle: IMAGO/Jochen Tack)

Der Energieriese RWE rühmt sich mit einem Kohleausstieg in Eigenregie. Damit überholt der Konzern die Konkurrenz und stützt das Klima - aber nur teils sein Image.

Es ist nicht weniger als das Ende einer Ära: Einer der größten deutschen Energieversorger steigt aus der Kohle aus – acht Jahre früher als es das Gesetz bislang vorschreibt.

Was für den Konzern selbst lange als unvorstellbar erschien, soll nun Realität werden: Für 2030 hat RWE das Ende der Kohleförderung im Rheinischen Revier angekündigt. Es ist eine Art "Kohleausstieg light", für deren Bekanntgabe am Dienstagmorgen nicht nur der Chef des Essener Unternehmens, Markus Krebber, sondern auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und seine NRW-Amtskollegin Mona Neubaur (Grüne) vor die Presse traten.

Was sie gemeinsam in Berlin vorgestellt haben, liest sich als energie- und klimapolitischer Kompromiss: Zum 31. März 2030 will RWE die letzten beiden Blöcke in Neurath sowie den finalen Block in Niederaußem abschalten, für die zuletzt noch Silvester 2038 als gesetzlicher Todestag galt. Im gleichen Atemzug gaben der Konzern und das Ministerduo jedoch auch bekannt, zwei Blöcke an der rheinländischen Nord-Süd-Bahn doch nicht Ende 2022 vom Netz zu nehmen.

Eine Abwägung für Klima und Energiesicherheit

Die Kraftwerksblöcke Neurath D und E sollen nun bis Ende März 2024 weiterlaufen, um die Energieversorgung auch in der anhaltenden Gaskrise zu sichern. Aus Sicht von Energieökonom Andreas Löschel hängt diese Entscheidung eng mit dem vorgezogenen Kohle-Aus zusammen.

"Für die Regierung dürfte dabei eine ganz zentrale Frage gewesen sein, wie man die kurzfristige Rückkehr der Kohlekraft mit den langfristigen Klimaschutzplänen unter einen Hut bekommt", so Löschel. Gerade die Grünen stünden diesbezüglich unter großem Druck.

Habeck lobte die Verständigung mit RWE entsprechend als "Meilenstein für den Klimaschutz". Das Ziel der Ampelregierung aus dem Koalitionsvertrag, den generellen Kohleausstieg "idealerweise auf 2030 vorzuziehen", ist damit zwar noch längst nicht geschafft. Doch schon der Alleingang von RWE kann ein bedeutender Gewinn für das Klima sein.

280 Millionen Tonnen Braunkohle sollen nach Berechnungen des Wirtschaftsministeriums durch den Förderstopp im Rheinischen Revier im Boden bleiben. Der Erdatmosphäre dürften hierdurch rund 280 Millionen Tonnen CO2 erspart bleiben – das entspricht ungefähr einem Drittel aller deutschen Treibhausgasemissionen im Jahr 2021. Wie wichtig es ist, Emissionen dieser Größenordnung zu vermeiden, zeigt ein Blick auf das verbleibende CO2-Budget der Bundesrepublik.

Um die globale Erderhitzung auf durchschnittlich 1,5 Grad Celsius zu beschränken und so die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden, darf Deutschland laut Berechnung des Sachverständigenrats für Umweltfragen nur noch eine sehr begrenzte Menge Treibhausgase ausstoßen: Nach rund 3.000.000.000 – beziehungsweise 3 Gigatonnen – ist Schluss. 280.000.000 Tonnen weniger machen dabei durchaus etwas her.

Vereinbarung mit RWE nur "erster Schritt"

Was RWE über 2029 hinaus nicht durch Kohleverstromung in die Luft pustet, kommt Sektoren wie der Stahl- und Chemieindustrie zugute, deren Dekarbonisierung schwieriger ist und mehr Zeit beansprucht. Auch andere Energieversorger scheint die Bundesregierung mit einer eher niedrigschwelligen Strategie zum früheren Kohle-Exit bewegen zu wollen.

"Man muss dabei jeweils die spezifischen Situationen in den jeweiligen Revieren im Blick haben und kann sie nicht über einen Kamm scheren", so Minister Habeck. Jedoch befinde sich das Bundeswirtschaftsministerium bereits in Gesprächen für weitere Schritte.

Derzeit planen Uniper, LEAG und EnBW an acht Standorten in Mitteldeutschland und der Lausitz noch weit über 2030 hinaus Steinkohle zu verbrennen. Klar ist aber längst: Jegliche Kohleförderung muss in Deutschland spätestens 2030 auslaufen - sonst ist das 1,5-Grad-Ziel laut zahlreicher Experten, darunter der Thinktank Agora Energiewende, nicht mehr zu halten. Aus dieser Perspektive erfüllt der Schritt von RWE gerade so die nötige Mindestanforderung.

Dass ein vorzeitiges Ende des Kohlegeschäfts jedenfalls kein zwingender wirtschaftlicher Nachteil sein muss, deutet RWEs Verzicht auf zusätzliche Entschädigungszahlungen an.

Wandel der Konzernstrategie

Die Details zu der Vereinbarung müsse man sich zwar noch anschauen, sagt Energieexperte Löschel. Doch die deutliche Zunahme an erneuerbaren Energien auf dem Markt und steigende CO2-Preise vereinfachten das Kohlegeschäft nicht gerade.

"Für die Betreiber von Kohlekraftwerken dürfte es dadurch vor allem in den 2030er Jahren immer schwieriger werden, rentabel zu wirtschaften. Sicherlich wird das auch bei den Abwägungen von RWE eine Rolle gespielt haben", so Löschel.

Besonders wenn die Gaspreise wieder sinken, dürften die Braunkohlekraftwerke ihm zufolge Probleme haben, große Renditen am Markt zu erzielen. Außerdem passten sie nicht mehr in die Konzernstrategie. Tatsächlich hätte das Signal seitens RWE kaum deutlicher sein können.

Die Verkündung des Kohleausstiegs kam wenige Stunden, nachdem bekannt geworden war, dass der Konzern für 6,8 Milliarden Euro eine US-amerikanische Solarfirma übernommen hat. Doch nicht alle sind damit zufrieden, wie RWE die Kehrtwende einläutet.

Lützerath soll weichen

Knackpunkt ist das Dorf Lützerath an der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler 2: Das Unternehmen will das Dorf trotz des eigenständig vorgezogenen Ausstiegs aus der Kohle noch abbaggern. Jahrelang hatten die Bewohner gemeinsam mit Klimaaktivistinnen und -aktivisten für dessen Erhalt und für mehr Klimaschutz gekämpft. Vergeblich – die Dorfgemeinde wurde enteignet, vor wenigen Tagen musste auch der letzte Einwohner, Bauer Eckardt Heukamp, seinen Hof verlassen.

Erst im Frühjahr hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung berechnet, dass die Braunkohlevorkommen unterhalb von Lützerath selbst in der Energiekrise nicht nötig seien, um den Braunkohlestrombedarf zu decken. Und schon 2021 stellten das Institut fest: Will man das 1,5-Grad-Ziel wahren, darf dort auch gar nicht gebaggert werden.

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Doch RWE gibt sich hart. Aus "verschiedenen Gründen" ändere sich nichts daran, dass das Dorf im rheinischen Braunkohlerevier dem bereits meteoritengroßen Loch des Tagebaus weichen solle.

Scharfe Kritik kam unter anderem von Greenpeace und der Klimabewegung Fridays for Future. Klimaaktivistin Luisa Neubauer schrieb auf Twitter, ein Kohleausstieg 2030 müsse so oder so kommen. "Und dennoch soll der klimafeindlichste Konzern Deutschlands jetzt auch Lützerath bekommen. Die Grünen sind vor RWE eingeknickt." Das Aktivistenkollektiv Ende Gelände kündigte an, die Räumung massiv behindern zu wollen.

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