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Brexit-News: Boris Johnsons unmögliche Frist – harter Brexit droht


Johnsons unmögliche Frist
Auch mit Abkommen droht ein harter Brexit

Eine Analyse von Stefan Rook

Aktualisiert am 15.11.2019Lesedauer: 3 Min.
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Boris Johnson hat es eilig: Er will nicht nur bis zum 31. Januar 2020 aus der EU austreten, sondern auch im Rekordtempo die zukünftigen Beziehungen mit der EU regeln.Vergrößern des Bildes
Boris Johnson hat es eilig: Er will nicht nur bis zum 31. Januar 2020 aus der EU austreten, sondern auch im Rekordtempo die zukünftigen Beziehungen mit der EU regeln. (Quelle: Carl Court/getty-images-bilder)

Will Boris Johnson einen harten Brexit durch die Hintertür? Er besteht auf ein neues Freihandelsabkommen mit der EU bis Ende 2020. Die Alternative ist ein Ausstieg ohne Vertrag.

Noch sind viele "Wenns" im Weg: Wenn Boris Johnson aus der Wahl am 12. Dezember als Sieger hervorgeht, wenn sein Ausstiegsabkommen durchs Parlament kommt und wenn Großbritannien dann tatsächlich zum 31. Januar 2020 aus der EU austritt: Dann ist keinesfalls alles klar und geregelt und ein EU-Ausstieg ohne Vertrag abgewendet.

Dann nämlich beginnt die "transition period", die Übergangsphase, in der die EU und Großbritannien ihre zukünftigen Beziehungen regeln wollen. Das Paket, das verhandelt wird, ist aberwitzig groß und komplex: Es geht um Handelsverträge, Sicherheitspolitik, Sozialpolitik, Bürgerrechte, Geldpolitik; kurz um alle Aspekte, die regeln, wie Großbritannien und die verbleibenden 27 EU-Mitglieder in Zukunft miteinander umgehen.

Johnson will "Super-Kanada-Plus-Vereinbarung"

Das alles will Johnson bis Ende 2020 regeln. Eine Verlängerung dieser Frist wird von Regierungsmitgliedern wie dem Staatsminister und Brexit-Beauftragten Michael Gove kategorisch ausgeschlossen. Als Argument führt Gove an, dass es Johnson ja auch in 99 Tagen gelungen sei, einen neuen Brexit-Deal mit der EU auszuhandeln – wobei er vergisst zu erwähnen, dass ein Großteil des Johnson-Deals auf dem von Theresa May beruht und die hat rund 18 Monate lang mit der EU hart gerungen.

In einem Twitter-Video vom 10. Oktober erklärt Johnson, dass er ein reines Handelsabkommen mit der EU erreichen will, ohne irgendeine Art von politischer Ausrichtung. Johnson spricht vom Modell einer "Super-Kanada-Plus-Vereinbarung" und stellt im Video klar: "Wir können ein fantastisches neues Freihandelsabkommen mit der EU bis Ende 2020 bekommen. Und wir werden die Übergangsphase nicht über das Ende von 2020 hinaus verlängern. Dafür gibt es absolut keine Notwendigkeit."

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Johnson setzt im Wahlkampf erneut eine Frist, von der Experten sicher sind, dass sie nicht einzuhalten ist. Zum Vergleich: Das Aushandeln des Freihandelsabkommens zwischen Kanada und der EU hat rund sieben Jahre gedauert. Johnson hätte nur elf Monate Zeit, denn vor dem 1. Februar – also nach erfolgtem Brexit – können die Verhandlungen nicht beginnen.

Barnier: "Moment der Wahrheit im Sommer 2020"

EU-Chefunterhändler Michel Barnier warnt bereits vor einer neuen dramatischen Phase im Brexit-Drama: "Der Sommer 2020 wird der erste Moment der Wahrheit sein, in dem wir sehen werden, wie weit wir gekommen sind und ob eine Verlängerung der Übergangsphase notwendig sein wird."

Der Zeitpunkt ist von Barnier nicht willkürlich angesetzt. Die Übergangsphase kann um ein oder zwei Jahre verlängert werden. Der Antrag dazu muss allerdings vor dem 1. Juli 2020 gestellt werden. Das bedeutet, dass Großbritannien und die EU nur vier Monate Zeit haben werden, um einzuschätzen, ob ein Abkommen bis Ende 2020 realistisch ist.

Schnelles Handelsabkommen unrealistisch

Auch Ulrich Hoppe, der Geschäftsführer der deutsch-britischen Handelskammer (AHK) in London, sieht Johnsons Zeitplan kritisch. Die Gestaltung eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich "steht in den Sternen", meint Hoppe. Ankündigungen von Johnson, nach dem Brexit schnell ein Handelsabkommen mit der EU auszuhandeln, nennt er unrealistisch. "Man kann einfach die Zölle abschaffen, und das war's. Aber es geht auch um Regularien, um Marktzugang. Und das ist komplizierter", betont er.

Wird die Übergangsphase nicht verlängert und kommt kein Abkommen bis Ende 2020 zustande, muss Großbritannien in der Folge nach den – vor allem für das Vereinigte Königreich deutlich schlechteren Regeln – der Welthandelsorganisation (WTO) Warenaustausch mit dem Rest der EU betreiben.

Erfüllt sich der Traum der Brexit-Hardliner?

Es gibt allerdings auch einen guten Grund, warum Johnson die Verhandlungen unbedingt bis Ende 2020 abschließen will. Während der Übergangsphase muss Großbritannien allen Regeln der EU folgen und weiter Beiträge zahlen – hat allerdings kein Mitsprache- und Stimmrecht bei Entscheidungen der Staatengemeinschaft. Brexiteers bezeichnen Großbritannien in dieser Phase daher als Vasallen-Staat. Eine Verlängerung dieses Zustands um ein oder gar zwei Jahre ist den Brexit-Hardlinern innerhalb Johnsons konservativer Partei nur schwer zu vermitteln.


Auf der anderen Seite wird es den einen und anderen Brexiteer geben, der sich zumindest insgeheim ein Scheitern der Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien wünscht. Dann würden die Briten am Ende doch ohne Vertrag aus der EU ausscheiden. Das ist genau das, was die Brexiteers eigentlich wollen.

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