Umstrittenes Energieprojekt in Tibet China beginnt Bau von weltgrößtem Staudamm

In Tibet entsteht das größte Wasserkraftwerk der Welt. China sieht darin ein Klimaprojekt, doch die anliegenden Länder befürchten schwerwiegende Folgen.
China hat mit dem Bau eines riesigen Staudamms am Yarlung Tsangpo im Süden Tibets begonnen. Am Samstag fand in der Stadt Nyingchi der symbolische Spatenstich für das umstrittene Megaprojekt statt. Wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua meldete, nahm auch Ministerpräsident Li Qiang an der Zeremonie teil. Der geplante Damm soll nach Angaben aus Peking das größte Wasserkraftwerk der Welt werden und den bisherigen Rekordhalter, den Drei-Schluchten-Staudamm, übertreffen. Das Projekt ist Teil des 14. Fünfjahresplans der chinesischen Regierung und wurde im Dezember 2023 offiziell genehmigt.
Die chinesische Regierung argumentiert, der Damm sei ein Beitrag zum Klimaschutz. Geplant sind fünf kaskadierte Kraftwerke, also nacheinander geschaltete Kraftwerke entlang eines Flusses, mit einer jährlichen Kapazität von 300 Milliarden Kilowattstunden. Das entspricht etwa der dreifachen Kapazität des Drei-Schluchten-Staudamms. Sie sollen Strom in verschiedene Regionen Chinas liefern, auch innerhalb der Autonomen Region Tibet. Die Baukosten liegen laut offiziellen Angaben bei rund 143,6 Milliarden Euro. Projektträger ist die neu gegründete China Yajiang Group.
Indien befürchtet chinesische Kontrolle des Wassers
Der Yarlung Tsangpo fließt vom Himalaya in Tibet über Indien bis nach Bangladesch, wo er in den Golf von Bengalen mündet. In Indien heißt er Brahmaputra. Weil China das Wasser am Oberlauf staut, warnen Kritiker vor erheblichen Auswirkungen für die Nachbarstaaten flussabwärts.
Die indische Regierung in Neu-Delhi befürchtet Beeinträchtigungen der eigenen Wasser- und Nahrungssicherheit und hat China bereits im Januar aufgefordert, die Interessen der Anrainerstaaten zu respektieren. Sollte das Projekt negative Folgen haben, werde man "Maßnahmen zum Schutz unserer Interessen ergreifen", erklärte das indische Außenministerium. Um seine eigenen Wasserrechte abzusichern, treibt Indien zudem eigene Staudammprojekte im nordöstlichen Bundesstaat Arunachal Pradesh voran – einem Gebiet, das von Indien kontrolliert, aber von China als Teil Südtibets beansprucht wird.
Umweltgefahr oder Klimaschutz?
Neben den geopolitischen Spannungen äußern auch Umweltorganisationen und Fachleute deutliche Kritik. Das Staudammprojekt bedrohe empfindliche Ökosysteme im Himalaya und könne durch die Aufstauung ganzer Landstriche zur Vertreibung von Anwohnern führen. Hinzu kommt die Lage in einem seismisch aktiven Gebiet: Bei Erdbeben besteht das Risiko schwerer Schäden bis hin zu einem Dammbruch.
China betont hingegen, das Bauvorhaben sei wissenschaftlich geprüft und stelle keine Gefahr für Umwelt, Wasserrechte oder geologische Stabilität dar. Vielmehr könne der Damm laut Außenministerium zur Katastrophenprävention beitragen und die Anpassung an den Klimawandel unterstützen.
Der Bau des Staudamms wurde 2020 erstmals öffentlich als Teil der nationalen Wasserkraftstrategie genannt. Die Planungen wurden im Dezember 2023 genehmigt. Derzeit ist vorgesehen, dass der Staudamm in mehreren Etappen errichtet wird. Es handelt sich um das größte Wasserkraftprojekt weltweit.
- Mit Material der Nachrichtenagentur afp
- scmp.com: China’s Li Qiang announces launch of Tibet mega dam project that has worried India (Englisch)