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Viktor Orbáns Macht in Ungarn: Notstand nach Notstand am Parlament vorbei


Orbáns Machtanhäufung
Auf den Corona-Notstand folgt der Ukraine-Notstand

dpa, Gregor Mayer

Aktualisiert am 25.05.2022Lesedauer: 3 Min.
Viktor Orbán in einer Videoansprache: Der ungarische Regierungschef hat den Notstand verhängt. (Quelle: Glomex)
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Viktor Orbán zementiert seine Macht: Für den neuen Notstand hatte das ungarische Parlament erst Stunden zuvor die Verfassung geändert. Bürgerrechtler üben scharfe Kritik.

Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident Viktor Orbán entscheidet über praktisch alle wichtigen Fragen in seinem Land allein. Von ihm hängt nicht nur ab, welche Gesetzesvorlagen ins Parlament gelangen. Das Plazet für Investitionen, der Höhenflug und Absturz von Karrieren, die Zuteilung und der Entzug von Pfründen – alles das geht letztlich über seinen Schreibtisch.

Bei der Machtfülle verwundert es auf den ersten Blick, dass Orbán erste Amtshandlung nach der Vereidigung seiner neuen Regierung die Verhängung des Notstands war. Es ging Schlag auf Schlag. Am Dienstag hatte das Parlament überhaupt erst per Verfassungsänderung die Grundlage dafür geschaffen – mit der Kreation des "Notstands wegen eines bewaffneten Konflikts, einer Kriegslage oder humanitären Katastrophe in einem Nachbarland".

Kurz vor Mitternacht verkündete das Ungarische Amtsblatt dann den neuen Notstand. Am Mittwoch 00.00 Uhr (MESZ) trat er in Kraft. Die Ukraine, gegen die Russland seit drei Monaten Krieg führt, grenzt unmittelbar an Ungarn.

"Wir dürfen keine einzige Minute verlieren"

In einem Facebook-Video wandte sich Orbán an die Bevölkerung. "Wir dürfen keine einzige Minute verlieren", sagte er, denn in der Nachbarschaft herrsche Krieg. Dies bedeute eine ständige Gefahr für Ungarn. Die physische Sicherheit der Bürger, aber auch ihre Energieversorgung und ihr Wohlstand stünden wegen der "Brüsseler Sanktionen" gegen Russland auf dem Spiel. Seine Regierung brauche deshalb maximale Handlungsfreiheit.

Dabei regiert Orbán schon seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 auf der Grundlage des Gesundheitsnotstands. Schon dies ermöglichte es ihm, Gesetze durch Verordnungen außer Kraft zu setzen und Verordnungen zu erlassen, die Bürgerrechte und Freiheiten einschränken – was sonst nur durch Gesetze geschehen kann.

Den Corona-Notstand lässt Orbán am Ende dieses Monats auslaufen. Dafür kommt der Ukraine-Notstand – und das, obwohl der Ungar keine Waffen an die Ukraine liefert und auch keine Waffenlieferungen durch sein Land zulässt. Die Kampfhandlungen verlaufen in gut 1.000 Kilometern Luftlinie von der ungarischen Grenze entfernt. Ukrainische Flüchtlinge ziehen zwar in großer Zahl durch Ungarn, aber bis Mitte April baten dort gerade mal 16.000 Geflüchtete um Asyl.

"Das neue Normal"

"Das Ausnahmerecht ist von nun an das neue Normal", meint die Juristin Emese Pasztor von der ungarischen Bürgerrechtsorganisation Tasz. "Mit der letzten Verfassungsänderung hat die Regierung die Spielregeln ein weiteres Mal den eigenen Bedürfnissen angepasst."

Das Bestreben, ein ohnehin willfähriges und pflegeleichtes Parlament zu umgehen, mag absurd erscheinen. Doch Orbán schätze den Komfort, seine Maßnahmen ohne Debatte und Zeitverlust, mit einem einzigen Federstrich – mit seiner Signatur unter der jeweiligen Notverordnung – durchsetzen zu können, so die Bürgerrechtlerin.

Schon den Corona-Notstand nutzte Orbán für Schachzüge, die nichts oder wenig mit der Pandemiebekämpfung zu tun hatten. So entzog er oppositionell regierten Kommunen Geld- und Steuermittel, schränkte die Versammlungs- und Meinungsfreiheit ein und ließ Geschäftsfreunden Vorteile zukommen.

Demokratieabbau auch vor den Notständen

Aber schon bevor sich Ungarns starker Mann von Notstand zu Notstand hangelte, baute er mithilfe der parlamentarischen Zweidrittelmehrheit seiner Fidesz-Partei die Demokratie in Ungarn ab. Dazu trugen unter anderen das repressive Mediengesetz von 2010, verschiedene Justizreformen sowie diskriminierende Gesetze gegen Menschen bei, die nicht heterosexuell sind.

Die Europäische Union (EU) steht deshalb mit Orbán an mehreren Fronten auf Kriegsfuß. Unter Verweis auf rechtsstaatliche Defizite hält die EU-Kommission die für Ungarn vorgesehenen Gelder aus dem Corona-Hilfsfonds vorerst zurück – da geht es um mehr als sieben Milliarden Euro.

Jetzt droht Orbán mit einem Veto gegen das Ölembargo, das die EU im Rahmen ihres sechsten Sanktionspakets gegen das Krieg führende Russland plant. Der EU-Gipfel am kommenden Montag und Dienstag könnte zu einem neuen Showdown mit Ungarns "Notstands-Kaiser" führen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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