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G7-Gipfel in Elmau: Das Putin-Beben – die wichtigste Schlacht gegen ihn tobt bereits


G7-Gipfel in Elmau
Das Putin-Beben

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 27.06.2022Lesedauer: 6 Min.
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In Bayern ringen die wirtschaftsstärksten Demokratien um weitere Maßnahmen gegen Russland. Aber Wladimir Putins Schatten legt sich über Elmau.

Die weltpolitische Lage ist kritisch und das passt eigentlich überhaupt nicht zu dem traumhaften Bergpanorama in den bayerischen Alpen. Die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten treffen sich in Elmau in einer Schneekugel. Innen gibt es Alpenromantik, die Sonne scheint und im Angesicht der zahlreichen globalen Probleme sind die wirtschaftsstärksten Demokratien zusammengerückt – es ist ein Treffen unter Freunden. Doch außerhalb der Kugel führt Russland einen blutigen Angriffskrieg in der Ukraine, stürzt die Weltwirtschaft in eine tiefe Krise, die Weltbevölkerung kämpft gegen Inflation, Hunger und gegen die Klimakrise. Die Zeiten könnten kaum stürmischer sein.

Deshalb soll vom G7-Gipfel vor allem ein Signal ausgehen: Die Demokratien möchten Geschlossenheit demonstrieren, im Systemkonflikt mit autoritären Regimen wie Russland oder China. Wladimir Putin versucht dagegen die Einheit des Gipfel zu untergraben, in dem er mit der Stationierung von Mittelstreckenraketen in Belarus erneut ein politisches Beben auslöste. Bisher ohne Erfolg, denn die aktuellen Provokationen des Kreml-Chefs blieben in Elmau bisher unkommentiert.

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Das Ringen um Geschlossenheit könnte für die G7-Staaten zur Zerreißprobe werden, denn das wirtschaftliche Gleichgewicht in der Welt verschiebt sich zu Gunsten von Ländern wie China oder Indien. Die Abhängigkeiten sind so groß, dass europäische Staaten teilweise noch immer mit Rohstoffkäufen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mitfinanzieren. Die Demokratien haben global an Einfluss verloren und sind nun darauf angewiesen, dass sie das Tauziehen um einige aufstrebende Entwicklungs- und Schwellenländer gegen Russland und China gewinnen. Aber ist das realistisch?

Putins Schatten liegt über Elmau

Es ist fast schon vergessen, dass Russland vor acht Jahren noch Mitglied der G8-Staaten war. Nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 wurde im selben Jahr der Gipfel von Sotschi nach Brüssel verlegt, Wladimir Putin ausgeladen. Ein Jahr danach trafen sich die G7-Staaten dann im bayerischen Elmau und erklärten, dass der russische Präsident auf absehbare Zeit von den Gipfeln ausgeschlossen bleibt. Es ist demnach auch ein symbolischer Ort, auch für Putin.

Vielleicht auch deshalb versuchte der Kreml-Chef schon im Vorfeld, die Schneekugel des diesjährigen G7-Gipfels zu schütteln. Russland erklärte, dass es atomar bestückbare Mittelstreckenraketen in Belarus stationieren möchte und die russische Armee beschoss die ukrainische Hauptstadt mit zahlreichen Raketen. Letzteres hat strategisch in dem Krieg keinen Sinn, Putin will lediglich mit gezielten Nadelstichen Druck auf die G7 ausüben und spielt mit der Angst vor einem Dritten Weltkrieg, um mögliche weitere Sanktionen gegen Russland zu verhindern.

Putin ist also in Elmau anwesend, sein Schatten legt sich über den Gipfelort. Militärisch ist die russische Armee in der Ukraine auf dem Vormarsch, die ukrainische Führung sieht sich in einer schwierigen Lage. Der ukrainischen Armee geht ohne Hilfe aus dem Westen das militärische Gerät aus und sie klagt über schwindende Kampfmoral. Putins Strategie der verbrannten Erde im Osten der Ukraine stellt auch die G7-Staaten vor eine Herausforderung.

G7-Ablenkungsmanöver bei Rohstoffen?

Auf dem G7-Gipfel in Elmau und beim anschließenden Nato-Treffen in Madrid in der kommenden Woche wird es deshalb auch über weitere Maßnahmen gegen Russland und zur Unterstützung der Ukraine gehen. Doch Russland kassiert vor allem aus Europa Rekordeinnahmen durch Exporte von Öl und Gas. Die Geschäfte mit den Rohstoffen füllen Putins Kriegskasse – kurzfristig ist ein Embargo nicht in Sicht.

Am Abend wird es um die Wirksamkeit der gegen Russland verhängten Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs gehen. Dabei soll auch der US-Vorschlag, eine Preisobergrenze für russisches Öl zu verhängen, diskutiert werden. Dies soll die Einnahmen Moskaus aus dem Rohöl-Export schmälern. Außerdem legten Großbritannien, die USA, Japan und Kanada mit einem Importstopp für russisches Gold noch vor Gipfelbeginn vor.

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Damit würden Russland Dutzende Milliarden Dollar aus diesem wichtigen Exportgut wegbrechen, erklärte der US-Präsident auf Twitter. Ein hochrangiger US-Regierungsmitarbeiter sagte, damit werde Russland weiter von der Weltwirtschaft isoliert. Gold sei für Russland nach Energie das zweitwichtigste Exportgut. Die Europäische Union werde sich den Plänen voraussichtlich anschließen, deutete EU-Ratspräsident Charles Michel an.

Doch letztlich sind diese Maßnahmen eher ein Ablenkungsmanöver der G7, in einer energiepolitischen Lage, in der vor allem die europäischen Staaten durch ihre große Abhängigkeit von Russland relativ hilflos sind. Kurzfristig schreckt auch die Bundesregierung mit Blick auf die Energiesicherheit vor kurzfristigen Maßnahmen zurück.

Wettlauf mit Russland

Seit Kriegsbeginn gibt es einen Wettlauf: Schaffen es die Europäer, schneller energieunabhängig von Russland zu werden, oder schafft es Putin eher, neue Abnehmer für seine Rohstoffe zu finden? Der Ausgang dieses Rennens ist offen und von dieser Frage wird abhängen, wie sehr die Sanktionen und die wirtschaftliche Isolation durch den Westen Russland schaden werden.

Aber es geht auf Schloss Elmau um noch mehr als um den Krieg in der Ukraine. Die globale Sicherheitsarchitektur befindet sich aktuell auf dem Weg in eine neue Blockbildung – der demokratische Westen auf der einen, autoritäre Regime wie Russland und China auf der anderen Seite. Die wichtigste Schlacht dieses Konfliktes hat bereits begonnen, es ist das Tauziehen um Länder wie Indien.

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Während die Finanzmärkte noch weitestgehend unter westlicher Kontrolle sind, werden viele westliche Demokratien wirtschaftlich langsam von anderen Staaten überholt. China, Indien oder die Tiger-Staaten sind wirtschaftlich auf dem Vormarsch. In diesen Ländern lebt ein großer Teil der Weltbevölkerung und die G7-Staaten kämpfen nun darum, perspektivisch nicht immer unbedeutender zu werden.

"Uns eint der Blick auf die Welt"

Deshalb werben aktuell beide Seiten um diese Länder. Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping versuchten zuletzt auf dem BRICS-Gipfel, weiter an dem antiwestlichen Block zu bauen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat zum G7-Gipfel fünf Gastländer eingeladen: Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinien.

"Uns eint der Blick auf die Welt, uns eint auch der Glaube an die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit", betonte Scholz am Sonntag nach ersten Beratungen auf dem G7-Gipfel. Aber diese Sicht auf die Gastländer, die er ausdrücklich als Demokratien eingeladen hat, ist auch etwas naiv.

So hat der indische Premierminister Narendra Modi mit seiner rechtskonservativen Regierung die Demokratie in Indien schwer beschädigt. Politische Gegner und Journalisten sitzen in dem Land im Gefängnis, unter dem Vorwand der Terrorprävention. Indien will sich zwar aus der Abhängigkeit von Peking lösen, hofft aber auf billige Rohstoffe aus Russland. Auch Südafrika gab Putin im Angesicht des Ukraine-Krieges Rückendeckung und Indonesien schreckt ebenfalls vor einer stärkeren Positionierung in dem gegenwärtigen Konflikt zurück – vor allem aus Sorge vor China.

Demokratische Werte rücken in den Hintergrund

Es handelt sich demnach hauptsächlich um Staaten, deren Regierungen vor allem nationale Interessen vertreten. Die indische Regierung sieht wahrscheinlich nicht unbedingt eine demokratische Wertebasis mit dem Westen, die von den G7-Staaten in Elmau oft herausgestellt wird. Sondern Modi versucht vielmehr von dem aktuellen Konflikt zu profitieren, in dem sein Land von beiden Seiten Zugeständnisse bekommt.

Trotzdem haben die Gastländer zusammen eine Bevölkerung von über 2,3 Milliarden Menschen, die in Zukunft eine steigende Wirtschaftskraft mitbringen werden. Deshalb sind sie im Systemkonflikt mit Russland und China wichtige Bausteine. Die G7-Staaten können es sich politisch aktuell nicht leisten, Bedingungen für eine stärkere Kooperation zu stellen. Die demokratischen Werte werden demnach wahrscheinlich eher in den Hintergrund rücken.

Letztlich zeigt sich das auch bei dem Konflikt mit China. Während US-Präsident Joe Biden auch in Elmau auf schärfere Maßnahmen gegen Peking drängt, sind vor allem die Europäer viel zurückhaltender. Die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von Europa und China ist immens und im Angesicht des Wirtschaftskrieges mit Russland ist eine Eskalation des Konfliktes mit Peking gegenwärtig nicht realisierbar. Chinas Rückendeckung für Putin zum Ukraine-Krieg, seine aggressive Expansionspolitik im Südchinesischen Meer, seine Drohungen gegenüber Taiwan und die Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren – all das hat deshalb aktuell keine Konsequenzen für die Volksrepublik.

Immerhin: In Elmau konnten sich die G7-Staaten auf ein Infrastrukturprogramm einigen, mit dem eine Alternative zur chinesischen Seidenstraße geschaffen werden soll. Trotzdem sind sie in Elmau dazu gezwungen, Probleme zu priorisieren, immerhin leiden schon jetzt die Bevölkerungen der Demokratien unter einer massiven Inflation. Das sind Probleme, die autoritäre Regime in der Form nicht haben. Deshalb geht es in den bayerischen Alpen in einigen Fragen eher um eine Weichenstellung und um wichtige Impulse für die Zukunft. Es gibt aktuell viele Krisen – Kämpfe an allen Fronten sind nicht machbar. Auch diese Erkenntnis wird wahrscheinlich vom diesjährigen G7-Gipfel in Deutschland bleiben.

Verwendete Quellen
  • G7-Gipfel in Elmau
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