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Russland unter Putin: Dubioser Leichenfund wirft Fragen auf


Russischer Manager tot
Ein Kopf fehlt – und noch viel mehr


Aktualisiert am 18.09.2025Lesedauer: 3 Min.
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Polizeiwagen in Russland: Ein Manager ist unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. (Archivbild) (Quelle: IMAGO/Shatokhina Natalia)
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Ein kopfloser Manager und ein gescheitertes Milliardenprojekt: Der Tod von Alexej Sinitsyn wirft Fragen auf – und legt die Probleme eines gigantischen Bergbau-Vorhabens offen.

Der Morgen des 7. September startete in dem Örtchen Solnetschnoje (Das Sonnige) entgegen seinem Namen düster. Unter einer Brücke des 70-Seelen-Dorfes wurde eine kopflose Leiche entdeckt. Ein Abschleppseil baumelte noch von der Brücke herunter. Schnell stand fest: Bei dem Toten handelt es sich um den Kaliningrader Geschäftsmann Alexej Sinitsyn.

Er war Generaldirektor von K-Potash Service, einem Unternehmen für die Förderung von Kalisalzen. Sein Tod wurde von der regionalen Abteilung des russischen Ermittlungskomitees bestätigt. Nach einer ersten Version, die Quellen in den Strafverfolgungsbehörden äußerten, könnte die Todesursache Suizid gewesen sein.

"Neben der rechtsmedizinischen Untersuchung wird auch ein postmortales psychologisch-psychiatrisches Gutachten angeordnet", erklärte das regionale Ermittlungskomitee. Ein Ermittlungsverfahren läuft.

Generaldirektor von nichts

In den deutschen Medien wurde Sinitsyn schnell zu den Top-Managern gezählt, die in den vergangenen Jahren in Russland unter merkwürdig anmutenden Umständen ums Leben gekommen sind. Doch ein Blick in offizielle Dokumente zeigt: Sinizyn war Generaldirektor eines Unternehmens, das faktisch nie den Betrieb aufgenommen hat.

Das Unternehmen K-Potash Service hat seinen Sitz in einem Dorf namens Niwenskoje in der Nähe der russischen Enklave Kaliningrad. Die Besitzer sind die niederländische Firma Vyrex B.V. und das zypriotische Unternehmen Openlane LTD.

Über die Absicht, in der Region ein Bergwerk und ein Kali-Magnesium-Aufbereitungskombinat zu errichten, war erstmals im Jahr 2014 die Rede. Ursprünglich sollten die Schächte direkt auf dem Gelände der ehemaligen Lukoil-Basis in Niwenskoje gegraben werden. Das Bergwerk sollte 2021 die Arbeit aufnehmen – doch dem standen die Anwohner im Weg.

Wladimir Putin schaltete sich ein

Aufgrund von Protesten der Anwohner, die eine Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen befürchteten, verschoben sich die Baufristen. 2017 schaltete sich sogar Kremlchef Wladimir Putin ein: "Die Menschen beschweren sich über den Bau eines Bergbau- und Aufbereitungskombinats zur Gewinnung von Kalisalzen. Ich sage jetzt nicht, dass dieses Projekt geschlossen oder gestoppt werden muss – ich weiß es nicht, es gibt keine vollständigen Informationen zu dieser Frage, aber man muss sich anschauen, was dort geschieht“, sagte damals Putin.

Schließlich wurde beschlossen, den Produktionsstandort um 930 Meter von den Wohnhäusern zu verlagern. Das Bergwerk sollte nun 2025 in Betrieb gehen, das Kombinat 2026. Das gesamte Investitionsvolumen berechnete man auf 59 Milliarden Rubel (nach aktuellem Kurs ca. 60 Millionen Euro). Rund 2 Milliarden Rubel pro Jahr werde das Projekt in das Regionalbudget einbringen, schwärmte der Minister für Wirtschaft und Industrie der Region, Dmitri Kuskow. Außerdem werde der Abbau von Bodenschätzen und die Produktion von Düngemitteln mehr als 1.600 Arbeitsplätze schaffen.

2020 übertrugen die Regionalbehörden insgesamt 19,8 Hektar Ackerland für das Projekt. Zudem plante man eine 13 Kilometer lange Eisenbahnstrecke, ein Straßennetz, einen Gasleitungsanschluss, Kesselhäuser, Feuerwachen, Wasserbecken, Umspannwerke, Verwaltungsgebäude, Wohnheime, Kläranlagen, Lager und vieles mehr.

Warum das Projekt in Niwenskoje für Putin bedeutsam ist

Russlands Landwirtschaft schwächelt. Die Preise, etwa für Kartoffeln, steigen. Zuletzt musste der russische Staatschef Wladimir Putin das einräumen. Kalisalze sind ein wichtiges Düngemittel.

Seit zehn Jahren kein Umsatz

Im Oktober 2022 stieg Alexej Sinitsyn in das Projekt ein – als Generaldirektor von K-Potash Service. Doch dort, wo längst Kalisalze gefördert werden sollten, steht noch immer nichts.

Seit mehr als zehn Jahren erwirtschaftet das Unternehmen keinen Umsatz, im Jahr 2024 belief sich der Verlust nach offiziellen Angaben auf 3,45 Milliarden Rubel. Die Zahl der Mitarbeiter sank kontinuierlich – von 114 Personen im Jahr 2019 auf 27 Beschäftigte im Jahr 2024.

Im vergangenen Jahr wurde der Betriebsstart des Kalibergwerks erneut verschoben. Damals erklärten die Investoren, dass Projektierungs- und Erkundungsarbeiten durchgeführt und die Ausrüstung ausgetauscht werden sollen.

33 Verfahren gegen K-Potash Service

In den vergangenen Jahren hatte der Investor zudem mehrfach Rechtsstreitigkeiten mit der russischen Umweltaufsichtsbehörde, unter anderem wegen nicht bezahlter Bußgelder in Verwaltungsverfahren. In einem Gerichtsdokument vom Oktober 2022 verwies die Firma auf ihre "schwierige finanzielle Lage". Insgesamt laufen 33 Verfahren im Gesamtwert von 370,6 Millionen Rubel gegen K-Potash Service. Die meisten Streitigkeiten stehen im Kontext der Nichterfüllung von Verpflichtungen und Verwaltungsverstößen.

In einer anderen Entscheidung hieß es, dass das Unternehmen laut Lizenz bis zum 1. Mai 2023 ein technisches Projekt zur Erschließung der Lagerstätten vorlegen und diese spätestens am 1. November 2032 in Betrieb nehmen müsse. Laut der von der Regionalregierung bereitgestellten Information orientiert sich der Investor nun an diesem Datum.

Ob sich Investitionsvolumen und Projektparameter geändert haben, verraten die Regionalbehörden indessen nicht. Auf der Webseite der Verwaltung der Sonderwirtschaftszone Kaliningrad, in der K-Potash Service als ansässig gilt, fehlen derzeit jegliche Angaben über die Höhe der Investitionen. Es scheint so, als ob jetzt nicht nur der Generaldirektor der Firma tot ist, sondern das gesamte große Vorhaben.

Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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