Unruhe in New York Trump könnte alles zum Einsturz bringen

Bei der UN-Generalversammlung in New York stehen Israels Krieg in Gaza und die Bedrohung des Friedens in Europa durch Russland im Fokus. Für Deutschland geht es um Schadensbegrenzung, vor allem mit Blick auf eine Rede von Donald Trump.
Aus New York berichtet Patrick Diekmann.
Die ersten anderthalb Stunden waren Sturm. Als das Flugzeug von Johann Wadephul am Montagmorgen in Richtung New York abhebt, wird die Delegation des Außenministers zunächst heftig durchgeschüttelt. Aufleuchtende Anschnallzeichen, die Maschine wippt immer auf und ab, Gegenstände fallen aus den Taschen der Vordersitze. Erst über dem Atlantik kehrt Ruhe ein. Aufatmen.
Das Wetter gibt einen Vorgeschmack darauf, was Wadephul in den kommenden Tagen bei der UN-Generaldebatte in den USA erwartet: Israels Kriegsführung im Gazastreifen, Debatten über die Anerkennung von Palästina als Staat, Wladimir Putins Krieg in der Ukraine und Russlands militärische Drohungen gegenüber den europäischen Nato-Partnern. In der Politik überlagern sich derzeit die globalen Krisenstürme. Es gibt keine Verschnaufpause, keine Ruhe.
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Die Bundesregierung möchte möglichst viele der europäischen Interessen im westlichen Bündnis fest verankern. Deutschland wirbt dafür, die Häuser zu vernageln, und sich geschlossen gegen den Sturm zu stellen. Doch einfach wird das nicht. Im Gegenteil: In New York droht neuer Streit über Israels Kriegsführung im Gazastreifen und die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland.
Vor seinem Abflug kritisiert Wadephul die israelische Regierung, aber auch indirekt westliche Partner wie Kanada oder Australien, die in den vergangenen Tagen Palästina als Staat anerkannten. Der deutsche Außenminister wirbt für Verhandlungen, es sei wenig hilfreich, "mit dem Kopf durch die Wand zu wollen".
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Dabei kann auch Deutschland den Abgrund sehen: Ein Scheitern zentraler außenpolitischer Ziele ist möglich. So erteilte die israelische Regierung am Wochenende einer Zweistaatenlösung eine Absage, ein herber Rückschlag für die deutsche Diplomatie. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump abwiegelnd auf die Verletzung des Nato-Luftraums in Europa durch Russland reagiert. Das stärkt nicht nur Kreml-Chef Wladimir Putin, sondern nährt in Europa die Unsicherheit darüber, was Sicherheitsgarantien der USA unter Trump überhaupt noch wert sind.
In den kommenden Tagen erwartet Wadephul in New York also ein politisches Minenfeld. Die ein oder andere Explosion ist dabei nicht unwahrscheinlich.
Angst vor Trumps Rede
In allererster Linie liegt das an Donald Trump. Der US-Präsident wird am Dienstag vor der UN-Generalversammlung sprechen – ein Auftritt mit Eskalationsgefahr. Denn wie bei seinen Amtsvorgängern sind Trumps Reden bei den Vereinten Nationen immer auch ans heimische Publikum gerichtet.
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Für die westlichen Partner der USA ist die diesjährige UN-Generaldebatte teilweise ein Blindflug, denn der US-Präsident wird am Dienstag den zentralen thematischen Fokus setzen. Dass vollkommen unklar ist, worüber Trump sprechen wird, nährt die Besorgnis auf internationaler Ebene.
Der Republikaner sprach erstmals 2017 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Damals nahm er sich das nuklear gerüstete Nordkorea zur Brust, nannte Kim Jong Un "Raketenmann" und drohte, das Land "vollständig zu zerstören". Es war der Startschuss zu mehreren Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber, die diesem viel öffentliches Rampenlicht verschafften, den um nukleare Abrüstung bemühten USA aber keine politischen Erfolge einbrachten.
Daraus könnte man schließen, dass sich der US-Präsident auch dieses Mal auf ein zentrales Thema konzentrieren wird. Doch das ist einen Tag vor seiner Rede noch ungewiss.
Denkbar wären mehrere Schwerpunkte. Trump könnte mit Blick auf die Verlegung von US-Gruppen vor die Küsten Venezuelas über seinen Kampf gegen den internationalen Drogenhandel sprechen. Er könnte sich auf illegale Migration fokussieren oder verkünden, dass sich die Amerikaner aus weiteren Teilen der Finanzierung der UN zurückziehen – was Teile seiner Anhänger fordern.
Trotz der Kriege und militärischen Drohgebärden gilt es als unwahrscheinlich, dass der US-Präsident Russlands Staatschef Putin, Israels Premier Benjamin Netanjahu oder den chinesischen Präsidenten Xi Jinping verbal attackieren wird. Zu Netanjahu und Putin pflegt Trump weiterhin ein gutes Verhältnis, und Xi will er im Herbst in China treffen.
Für Deutschland und die EU stellt sich also vor allem die Frage, wie groß der Schaden ist, den Trump bei den europäischen Interessen anrichten wird. Die Hoffnungen auf eine positive Entwicklung sind gering. Erneut geht es mit Blick auf den US-Präsidenten vor allem um Schadensbegrenzung.
Palästina-Anerkennungen überschatten die UN-Woche
Deutschland sitzt bei einigen politischen Fragen zwischen den Stühlen. Die Bundesregierung verurteilt zwar die israelische Kriegsführung, die humanitäre Lage im Gazastreifen und die israelischen Annexionen im Westjordanland. Doch Deutschland verzichtet im Gegensatz zu vielen westlichen Partnern in der EU und unter den G7 aber darauf, Palästina als Staat anzuerkennen. Wie lange die Bundesregierung diese Position halten kann, ist ungewiss. Die politischen Ziehkräfte sind immens.
Einerseits spricht sich im Angesicht des Leides der Menschen in Gaza und der israelischen Geiseln, die von der Terrormiliz Hamas verschleppt wurden, ein Großteil der EU und eine Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit für einen härteren Kurs gegenüber der israelischen Führung aus. Andererseits fällt es vor allem der Union schwer, sich in der Frage von Netanjahu und den USA – dem letzten verbliebenen Unterstützer Israels – abzuwenden.
Die Bundesregierung schiebt die Frage der Anerkennung Palästinas vor sich her, und das hat auch einen fachlichen Hintergrund. Schließlich hilft es den Palästinensern aktuell wenig, wenn sie als Staat anerkannt werden und gleichzeitig Israel ihr Hoheitsgebiet kontrolliert. Ein palästinensischer Staat scheitert aktuell klar am Willen Israels, aber auch daran, dass die Palästinenser derzeit keine politischen Strukturen haben, um diesen Staat zu führen.
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Die Anerkennung Palästinas, über die am Montag in New York debattiert wird, ist vor allem ein symbolischer Akt, ein Zeichen des internationalen Widerstands gegen die Tötung Zehntausender Zivilisten und Tausender Kinder im Gazastreifen. Die Debatte ist ein Zeichen dafür, dass Netanjahu die internationale Solidarität mit Israel nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 aufgebraucht hat. Für Deutschland wird es immer schwieriger, sich dieser Frage zu verschließen – auch wenn es international aufgrund der deutschen Geschichte auch Verständnis für die Position der Bundesregierung gibt, wie t-online aus diplomatischen EU-Kreisen erfuhr.
Putin bedroht Europa
Für Außenminister Wadephul werden die Gespräche in New York also heikel. Neben dem Nahostkonflikt erwartet der Außenminister bereits am Montag eine Aussprache im UN-Sicherheitsrat über die wiederholten Verletzungen des Nato-Luftraums durch Russland.
Der Kreml hatte in den vergangenen Wochen zunächst unbewaffnete Drohnen nach Polen geschickt und dann den estnischen Luftraum mit schwer bewaffneten Kampfflugzeugen verletzt. Putin testet die Nato, und die westliche Militärallianz reagiert bislang offenbar zu schwach, um Moskau abzuschrecken.
Auch hier droht für die Bundesregierung Ungemach. Zwar steht Deutschland in der Frage und bei der Unterstützung der Ukraine fest an der Seite der europäischen Partner. Trotzdem steht das westliche Bündnis vor der Aufgabe, seine Reaktionen auf die russischen Provokationen zu justieren – und auch hier ist vor allem Trump das Problem.
Denn die Sicherheit Europas hängt vorwiegend von den USA ab. Trump reagierte nur zurückhaltend auf die russischen Provokationen. Mit Blick auf die über Polen abgeschossenen Drohnen nahm der US-Präsident Putin sogar in Schutz, sprach von einem möglichen Versehen. Experten zufolge ist das Unsinn, da die Anzahl der Drohnen zu groß war und sie von verschiedenen Standorten aus starteten.
In New York kommt es nun also zum Showdown im UN-Sicherheitsrat. Die europäischen Nato-Vertreter werden schwere Vorwürfe gegenüber Russland erheben. Putins Vertreter werden die russischen Provokationen herunterspielen oder völlig abstreiten. Entscheidend wird aber vor allem die Reaktion der Amerikaner sein. Denn stellt sich die Trump-Administration an die Seite Moskaus, wird das Gefühl der Hilflosigkeit in Europa wachsen. Wie sollen sich die europäischen Nato-Partner darauf verlassen können, dass die USA sie unterstützen, falls Putin die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses ernsthaft testet?
In den kommenden Tagen steht in den USA also mehr auf dem Spiel als die Souveränität des europäischen Luftraums. Es geht um das Fundament europäischer Sicherheit, welches im Krisensturm Risse zeigt. Auch die Bundesregierung hat politisch keine andere Wahl, als das Haus der europäischen Sicherheit zusammenzuhalten. Doch ob die Kraft der Europäer dafür ausreicht, ist ungewiss.
Eine schwierige Woche wartete daher auf Außenminister Wadephul. Er wird am Montag im UN-Sicherheitsrat die russischen Luftraumverletzungen verurteilen und versuchen, bei der Zweistaatenkonferenz Deutschland als Brückenbauer zu präsentieren. All das ohne die Rückendeckung von Kanzler Friedrich Merz, der sich wohl in Deutschland um die innenpolitische Großwetterlage kümmern muss.
- Eigene Recherche









