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Russland bei UN-Treffen: Aus Putin bricht plötzlich Wut heraus


Russland am Pranger
Plötzlich bricht sich die Wut auf Putin Bahn

Eine Analyse von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 23.09.2025Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin sorgt für Ärger: Der Kreml-Chef verunsichert die europäischen Nato-Partner mit militärischen Provokationen.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin erregt Ärger: Der Kremlchef verunsichert die europäischen Nato-Partner mit militärischen Provokationen. (Quelle: Vyacheslav Prokofyev)
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Russland führt seit mehr als drei Jahren Krieg in der Ukraine; Wladimir Putin testet zudem mit Drohnen und Kampfflugzeugen die Verteidigungsfähigkeit der Nato in Europa. Die Wut darüber entlädt sich nun bei der UN-Generalversammlung.

Aus New York City berichtet Patrick Diekmann

Auf Außenstehende kann das Prozedere einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats wie ein Schauspiel wirken: Ein Land wird aufgerufen, ein Vertreter des Landes trägt sachlich und im ruhigen Ton eine kurze Rede vor. Vorwürfe werden zwar formuliert und direkt adressiert. Aber es gibt keinen Widerspruch, keinen Streit, kaum Emotionen. Der Rest der Runde starrt still und stoisch ins Leere. Die Idee dahinter ist historisch gewachsen: Länder sollen größere Krisen oder gar Krieg nicht durch verbale Eskalationen im Rahmen der Vereinten Nationen weiter verschärfen.

Auffällig ist das besonders dann, wenn es wie am Montag um die russische Aggression in Europa geht. Kremlchef Wladimir Putin führt nicht nur seit mehr als drei Jahren Krieg in der Ukraine, sondern hat erst kürzlich Drohnen in den Luftraum Polens und schwer bewaffnete Kampfflugzeuge in das Hoheitsgebiet Estlands geschickt – und damit die Souveränität von Nato-Territorium verletzt. Im Rahmen der UN-Vollversammlung wurde deshalb der Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung zusammengerufen.

Experten sind sich einig, dass der Kreml die Verteidigungsbereitschaft der Nato testen, Unsicherheit in Europa schüren oder gar das westliche Bündnis spalten möchte. Denn die Europäer bewerten ihre Bedrohungslage offenbar anders als US-Präsident Donald Trump. Putin hat mit seinen Provokationen diese strategischen Ziele fast alle erreicht. Die europäischen Nato-Partner wirken schwach. Sie müssen nun eine Reaktion präsentieren, um Russland von weiteren Grenzüberschreitungen abzuhalten.

Was vor diesem Hintergrund am Montag im sonst so ruhigen Sicherheitsrat passierte, ist daher bemerkenswert: Es knallte gewaltig. Viele europäische Länder standen auf der Rednerliste, sie griffen Russland scharf an und zogen eine rote Linie. Diese, so kündigten sie es an, werde zu einer Eskalation führen, sollte der Mann im Kreml sie überschreiten.

Russlands Vertreter streitet ab und verlässt den Saal

Seit Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine stand Russland auch im UN-Sicherheitsrat schon oft am Pranger. Es ist fast schon zu Routine in New York geworden, dass hohe russische Vertreter dann ihre eigene Sicht auf den Krieg präsentieren – vor allem mit Blick auf russische Kriegsverbrechen oder die Angriffe gegen zivile Infrastruktur in der Ukraine. Meist lesen sie diese dann ungerührt von einem Blatt ab. Dort, wo Moskaus Erklärungsmuster an Grenzen stößt, streitet der Kreml die Vorwürfe einfach ab.

Russland ist Vetomacht im UN-Sicherheitsrat, hat dementsprechend eine große Macht. Die Institution ist in allen zentralen politischen Fragen gelähmt, in denen sich die Vetomächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich uneins sind. Das ist oft der Fall wegen der Rivalität zwischen China und den USA, der Nato und dem Bündnis zwischen Moskau und Peking.

Russland spielte diese Machtkarte in New York auch am Montag. Zunächst bestritt der stellvertretende russische UN-Botschafter Dmitri Poljanski die Darstellung der Nato-Staaten und sprach von "dreisten Lügen". Der Flug der Kampfjets habe "unter strikter Einhaltung der internationalen Luftraumnutzungsregeln" stattgefunden. Estnischer Luftraum sei nicht verletzt worden. Zudem gebe es keinen Beweis, dass die Drohnen in Polen russischer Herkunft seien.

Nach seiner Rede verließ Poljanski sofort den Saal. Dieses Vorgehen ist nicht neu. Die führenden Vertreter des Kremls in New York wollen die von vielen Ländern vorgetragene Kritik nicht hören. "Deswegen setzen sie manchmal eine Praktikantin auf den Stuhl, die sich dann die Reden der anderen Nationen anhört", sagte eine UN-Mitarbeiterin. Die Fronten sind verhärtet, selbst bei den Vereinten Nationen, der Herzkammer der Diplomatie.

Deutschland für ausgewogene Reaktion

Viele einzelne Redner kritisierten auch am Montag Russland – mal mit weniger, mal mit mehr Schärfe. Doch plötzlich kippte die Stimmung. Die Wut auf Putin wurde überaus deutlich, als Polens Außenminister Radoslaw Sikorski an der Reihe war. Er brachte den Abschuss von russischen Flugobjekten ins Spiel: "Wenn ein anderes Flugzeug oder eine andere Rakete absichtlich oder versehentlich ohne Erlaubnis in unseren Luftraum eindringt, abgeschossen wird und die Trümmer auf Nato-Gebiet fallen, kommen Sie bitte nicht hierher, um sich darüber zu beschweren", sagte er in Richtung des Kremls.

Eine Drohung an Putin, eine klare rote Linie und das Signal: Das Maß ist voll.

Das sieht auch der deutsche Außenminister Johann Wadephul so. Der CDU-Politiker rief die Weltgemeinschaft angesichts von Russlands Provokationen auf, den Druck auf Moskau zu erhöhen. "Mit seinem rücksichtslosen Verhalten gefährdet Russland die regionale Sicherheit und den Weltfrieden", sagte der CDU-Politiker in New York. Es sei die gemeinsame Verantwortung der UN-Mitgliedstaaten, jene zur Rechenschaft zu ziehen, die Frieden und Sicherheit gefährdeten.

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Die deutsche Strategie ist in der Frage klar: Die Bundesregierung bekräftigt stets ihre Solidarität mit Polen und Estland. Doch unter der Hand möchte man eine Eskalation unbedingt verhindern, keine russischen Flugzeuge abschießen. Davor sollten andere Schritte liegen, Nato-Kampfflugzeuge etwa Warnschüsse abgeben. Trotzdem muss die Reaktion eben ausreichen, um Putin abzuschrecken – ein schwieriger Balanceakt zwischen einer zu starken Eskalation und einer Reaktion, die Putin kaltlässt.

USA bekräftigen Sicherheitsgarantien

Der polnische Regierungschef Donald Tusk hatte zuletzt den Abschuss von russischen Flugobjekten angekündigt, die in den polnischen Luftraum eindringen. Dahinter kann er nur noch schwer zurück, sollte Putin testen, wie ernst er es damit meint. Dementsprechend muss sich Polen der Rückendeckung seiner westlichen Partner sicher sein.

Die Reaktion der Amerikaner bewirkte da Erleichterung bei den Europäern. Denn die USA haben in New York angesichts russischer Luftraumverletzungen bekräftigt, das Nato-Gebiet vor Eindringlingen schützen zu wollen. Der neue US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Michael Waltz, versicherte bei der Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats, die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten würden "jeden Zentimeter des Nato-Territoriums verteidigen".

Doch US-Präsident Trump ist hinsichtlich dieser Position der Amerikaner bei Weitem nicht so klar. Öffentlich hatte er erklärt, dass die russischen Drohnen womöglich versehentlich nach Polen flogen. Nachdem russische Kampfflugzeuge minutenlang den estnischen Luftraum verletzt hatten, stellte der US-Präsident dem Baltikum und Polen erst auf Rückfragen von Reportern seinen Beistand in Aussicht.

Trump versteht sich gut mit Putin, er will mit Russland Geschäfte machen. Dementsprechend lehnt er weitere Sanktionen gegen Moskau und seine internationalen Verbündeten ab. Neuerdings sollen laut dem US-Präsidenten erst die Europäer kein russisches Öl mehr kaufen und China sanktionieren, bevor Trump weitere Sanktionen umsetzen will.

Der Mann im Weißen Haus hält Putin also den Rücken frei. Und solange der Druck auf Russland nicht steigt, kann Russland nicht nur seinen Krieg weiterführen, sondern auch sein Spiel im UN-Sicherheitsrat.

Verwendete Quellen
  • Begleitung von Außeminister Wadephul zur UN-Vollversammlung in New York
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