Annalena Baerbock in New York "Wir lassen uns unsere High Heels nicht mehr nehmen"

Annalena Baerbock erklärt in einem Interview, warum sie ihr neues Leben in New York so schätzt. In ihrer Position bei der UN will sie weiterhin für Frauenrechte kämpfen.
Annalena Baerbock schätzt ihr neues Leben in New York – und vermisst Berlin nicht. "In Deutschland war das gerade für die Kinder nicht immer so einfach, dass die Mutter überall erkannt wird. Hier gehe ich komplett unter, ich kann herausgehen, ohne dass jedes Mal genau geschaut wird, ob man auch wirklich stehen bleibt, wenn die Ampel plötzlich auf Rot umspringt", sagt sie dem "Stern".
Baerbock war von 2021 bis 2025 Bundesaußenministerin, seit September steht sie der Generalversammlung der Vereinten Nationen vor. Die Kritik, sie und Robert Habeck hätten die Grünen nach der verlorenen Bundestagswahl im Stich gelassen, weist Baerbock von sich: "Neuwahlen sind ein Teil unserer Demokratie. Und die Mehrheit hat nun mal eine andere Regierung gewählt. Daher bin ich nicht mehr Außenministerin und Robert Habeck ist nicht mehr Wirtschaftsminister. Wir beide haben uns gefragt, wie wir uns nun bestmöglich einbringen können. Ich habe hier in New York das Amt der Präsidentin der UN-Generalversammlung in schwierigen Zeiten übernommen." Die Vereinten Nationen müssten reformiert werden, sagt Baerbock, "das ist aus meiner Sicht alles andere als sich aus dem Staub machen".
Baerbock: "Wir kämpfen weiter für unsere Rechte"
Dass die erfahrene deutsche Diplomatin Helga Schmid, die eigentlich als Präsidentin der Generalversammlung vorgesehen war, weichen musste, begründet Baerbock mit dem Termin der Bundestagswahl: "Der Wechsel kam durch die vorgezogene Neuwahl. Denn eigentlich sollte ja genau jetzt, in diesem September, wenn die UN-Präsidentschaft beginnt, die Bundestagswahl stattfinden. Weil das dann anders kam, konnten wir auch ein Regierungsmitglied benennen."
Baerbock will weiter für Frauenrechte kämpfen – auch bei den Vereinten Nationen, das Motto sei: "Wir sind hier. Wir bleiben. Wir kämpfen weiter für unsere Rechte. Und anders als noch vor 30 Jahren lassen wir uns dabei auch unsere feminine Freude, auch unsere High Heels nicht mehr nehmen."
Ein Video, das Baerbock zu Beginn ihres politischen Neustarts in New York in den sozialen Medien geteilt hatte, hatte viele negative Reaktionen hervorgerufen. Der kurze Clip, im "Sex and the City"-Stil zeigt, wie sie in New York in Jeans und High Heels in ein Taxi steigt.
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In einem Interview mit der "Bild"-Zeitung hatte Baerbock dazu erklärt, sie wollte damit eine junge Zielgruppe erreichen. Nicht nur als Politikerin, sondern auch als Elternteil erlebe man aktuell, "dass wir unsere Kinder manchmal gar nicht mehr erreichen, weil sie ganz anders kommunizieren". Aus dieser Generation habe niemand ihre Rede aus der Vollversammlung geschaut. "Junge Menschen schauen auf Social Media. Wenn man die erreichen will, dann braucht man auch Formate, um dort hinzukommen."
Ob sie nach ihrer einjährigen Amtszeit nach Berlin zurückkehren wird, ist für Baerbock noch "vollkommen offen", wie sie dem "Stern" nun sagte. Den Posten der UN-Generalsekretärin strebe sie derzeit nicht an: "Dass ich das Amt übernehme, ist ausgeschlossen."
Baerbock für unabhängigen Staat Palästina
In ihrer neuen Rolle sprach Baerbock sich gestern für die Gründung eines "unabhängigen und existenzfähigen" palästinensischen Staates aus. Dieser Staat müsse "Seite an Seite mit dem Staat Israel leben, in Frieden und Sicherheit, mit gegenseitig anerkannten Grenzen und voller regionaler Integration", sagte Baerbock bei einer Konferenz zu einer Zweistaatenlösung für den Nahen Osten in New York.
Die Zweistaatenlösung sei "der einzige Weg um sicherzustellen, dass zukünftige Generationen von Palästinensern und Israelis in Frieden, Sicherheit und Würde leben können". Die internationale Staatengemeinschaft werde sich weiter dafür einsetzen und konkrete, zeitgebundene und unwiderrufliche Schritte zur Realisierung identifizieren. "Und wir sind gewillt, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen und internationale Garantien zu bieten."
Aufgeben wäre "Ende dieser Institution"
Das Ziel könne nicht aufgegeben werden. "Wenn wir aufhören, das anzuvisieren, was richtig ist, weil wir es noch nicht erreicht haben, dann wird sich das Böse durchsetzen. Das wäre das Ende dieser Institution."
Bevor an diesem Dienstag die UN-Generaldebatte mit etwa 150 Staats- und Regierungschefs beginnt, zielte das Treffen am Tag zuvor darauf ab, einer Zweistaatenlösung neuen Schwung zu geben. Sie soll den Druck auf Israel erhöhen, sich auf Verhandlungen einzulassen. Zuletzt hatten mehrere wichtige Staaten angekündigt, die Unabhängigkeit Palästinas anzuerkennen. Weltweit tun dies rund 150 Nationen.
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- Mit Material von dpa


