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Trump eskaliert bei UN-Rede: Deutschland beißt sich auf die Zunge


US-Präsident eskaliert bei UN-Rede
Trump stellt Deutschland vor Probleme

Eine Analyse von Patrick Diekmann

24.09.2025Lesedauer: 6 Min.
Donald Trump: Der US-Präsident schoss bei seiner UN-Rede auch gegen Deutschland.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Der US-Präsident schoss bei seiner UN-Rede auch gegen Deutschland. (Quelle: IMAGO/Bianca Otero/imago-images-bilder)
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Donald Trump teilt in seiner UN-Rede auch heftig gegen die deutsche Politik aus. Die Bundesregierung schluckt möglichen Ärger über die USA bislang hinunter. Doch wie lange kann das noch gut gehen?

Aus New York berichtet Patrick Diekmann

Es gab in den vergangenen Monaten einige Momente, in denen Donald Trump seine Zuhörer überraschte. Etwa in Gesprächen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte, beim Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz, bei der Beerdigung von Papst Franziskus oder bei den jüngsten Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Trump war freundlich, lobte nicht nur sich selbst, sondern auch seine Gegenüber. Diese Momente erinnerten daran: Die USA sind noch immer in einem westlichen Bündnis mit vielen europäischen Partnern.

Video | Baerbock kontert Trump
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Quelle: t-online

Am Dienstag sprach Trump über eine Stunde vor der UN-Generalversammlung – und, um es kurz zu sagen: Es war keiner dieser Tage, kein Moment der Versöhnlichkeit. Das wurde schon im ersten Moment klar, als der Republikaner die Bühne betrat. Sein Teleprompter funktionierte nicht, was den US-Präsidenten ärgerte. Er habe noch nie etwas von den Vereinten Nationen bekommen, außer einem kaputten Teleprompter und einer defekten Rolltreppe, sollte er im späteren Verlauf seiner Rede sagen. Ungeachtet der Tatsache, dass sein Team die Technik für seine Rede stellte, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) später herausfand.

Stilistisch knüpfte Trump an den ersten Moment des Ärgers in seiner Rede nahtlos an. Lob verteilte er vor allem an sich selbst, seine Präsidentschaft und die USA. Er lud den Rest der Welt ein, sich ein Beispiel an seiner Regierung zu nehmen. Insbesondere Deutschland kam in Trumps Schusslinie. Unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe die Bundesrepublik den "kranken Weg" der Ampelkoalition bei der Einwanderungs- und Energiepolitik verlassen und nutze wieder Atomenergie, sagte er – obwohl es in Deutschland keinen Beschluss zum Wiederhochfahren deutscher Kernreaktoren gibt. Zugleich brüskierte er die Präsidentin der Vollversammlung, Annalena Baerbock, die als frühere "Ampel"-Vertreterin auf dem Podest hinter ihm saß.

Doch nicht nur für Baerbock, sondern für Deutschland insgesamt war Trumps Rede in New York eine erneute Schmerzensprobe. Trump wetterte gegen internationale Zusammenarbeit, gegen Migration, er leugnete die Klimakrise und bezeichnete die Politik vieler europäischer Staaten als "dumm". Der US-Präsident forderte auch die Bundesrepublik auf, ihre Politik der vergangenen Jahrzehnte über Bord zu werfen. Und das rührt am Wertefundament deutscher Politik.

Wie kann die Bundesregierung darauf reagieren?

Bislang verfolgen Kanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul (beide CDU) die Strategie, Trumps Angriffe auszusitzen, die Schmerzen herunterzuspielen, die Trump verursacht. Solange der US-Präsident Deutschland nicht konkret politisch schadet, geht es darum, die USA im Boot zu halten – in den Politikfeldern Zusammenarbeit fortsetzen, wo es möglich ist. Die Bundesregierung betreibt eine interessengeleitete Außenpolitik, beißt sich mit Blick auf Trump auf die Zunge. Trotzdem geht diese Strategie auch mit einem Gesichtsverlust Deutschlands einher – und ihr Erfolg ist zumindest bisher überschaubar.

Merz verbessert deutsche Beziehungen zu Trump

Die Regierung von Friedrich Merz kann sich zumindest hinsichtlich der Diplomatie auf die Fahnen schreiben, dass sich der Ton in den Beziehungen zwischen Deutschland und den USA beruhigt hat. Es hätte deutlich schlimmer kommen können, heißt es aus Regierungskrisen. Immerhin hegte Trump vor Beginn seiner zweiten Amtszeit im Januar einen Groll gegen Deutschland – insbesondere durch seine Konflikte mit der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel. Beide waren sich in zentralen politischen Fragen uneinig – und Merkel hielt demonstrativ Distanz, was Trump wiederum nicht schätzte.

Die Bundesregierung ist erst seit Anfang Mai im Amt. Merz und Wadephul schafften es trotzdem relativ schnell, sich mit der Trump-Administration abzustimmen. Der Bundeskanzler war politischer Gegenspieler von Merkel, er will die Migration nach Deutschland eindämmen, setzt keinen großen Fokus auf die Klimapolitik, und unter ihm will die Bundesrepublik deutlich mehr für Verteidigung ausgeben. Zudem zeigte sich Deutschland in Nato-Kreisen zuletzt sogar als Vorkämpfer dafür, dass die Mitgliedsstaaten fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben.

Das gefällt Trump durchaus – und bietet US-Rüstungsunternehmen zusätzlich die Chance, an der deutschen Aufrüstung zu verdienen. Ein guter Deal.

Deshalb betonen deutsche Regierungsmitglieder, einen ruhigen und guten Arbeitsmodus mit der Trump-Administration gefunden zu haben. In der Tat hätte vieles schlimmer kommen können: Trump hätte sich aus der Nato und US-Soldaten aus Europa zurückziehen können. Die Amerikaner hätten auch die Ukraine nicht weiter unterstützen können.

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All diese Szenarien – die Abwendung von Europa – lagen im Weißen Haus durchaus auf dem Tisch. Sie sind nicht eingetreten. Und das wertet die Bundesregierung durchaus als strategischen Erfolg ihrer ersten Monate.

Bauchschmerzen im Umgang mit Trump wachsen

Jedoch können die vergangenen Monate auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Trump das Machtgefälle gegenüber Deutschland und vielen europäischen Staaten ausspielt. Er lässt sich hofieren wie ein König, etwa beim Nato-Gipfel in den Niederlanden oder jüngst bei seinem Besuch in Großbritannien. Die Augenhöhe, die das transatlantische Bündnis noch unter dem ehemaligen Präsidenten Joe Biden ausgezeichnet hatte, ist verloren gegangen. Viele europäische Länder stecken aktuell in wirtschaftlichen Problemen, sicherheitspolitisch ist Europa ohnehin noch lange Zeit von den Amerikanern abhängig.

Gründe genug, warum sich aktuell eigentlich kein Europäer einen Streit mit Trump leisten will. Im Gegenteil: Sie machen selbst gute Miene zum bösen Spiel, wenn Trump sie kritisiert. Es kam kaum Druck aus Europa, als der US-Präsident Putin traf, als er Selenskyj im Weißen Haus vorführte oder er Russland Fristen setzte und sie verstreichen ließ – ohne Folgen für Putin.

Es ist die deutsche Strategie, möglichst viel transatlantische Zusammenarbeit über Trumps Amtszeit zu retten, auch um die Bundesrepublik vor wirtschaftlichem Schaden zu bewahren. Der Preis dafür: Ruhe bewahren, wenn Trump über Deutschland und Europa schimpfen sollte. Und die Europäer akzeptierten im Juni einen Zolldeal, der einen allgemeinen Basiszollsatz von 15 Prozent auf die meisten EU-Importe in die USA festlegt, auch auf Autos und Autoteile.

Teile der Bundesregierung sehen sich mit einem blauen Auge davongekommen. Auch hier hätte es schlimmer kommen können, schließlich waren von US-Seite deutlich höhere Zölle im Gespräch, und Länder wie Japan hat es deutlich schlimmer getroffen.

Trotzdem wachsen auch die Bauchschmerzen in Deutschland, vor allem Teile der SPD fordern, dass die EU-Kommission den Zolldeal neu verhandelt. Schließlich ist die EU ein großer Wirtschaftsraum, der durchaus Macht in Handelsfragen ausüben kann – auch gegenüber den Amerikanern. Zudem haben auch die Europäer beobachtet, dass Staaten wie China oder Indien gegenüber Trump nicht nachgeben. Vor allem Peking hat mit einer Strategie der Härte erreicht, dass die US-Administration immer wieder zurückruderte.

Deutschlands Weg aus der Machtlosigkeit

Für die Bundesregierung sind diese Fälle nicht unbedingt ein Vorbild. Denn die Europäer brauchen die USA mehr, als China es tut. Deswegen gehen die Planungen aktuell in eine andere Richtung: Zunächst einmal möchte sich auch Deutschland aus der Abhängigkeit von den Amerikanern lösen.

So sieht der Aufrüstungsplan der Bundesregierung vor, dass Deutschland seine massive Aufrüstungsoffensive vor allem auf die europäische Industrie ausrichten wird. Nur acht Prozent der Mittel sollen in amerikanische Waffen fließen. Das wird Trump nicht gefallen und ist zumindest als Zeichen des deutschen Widerstandes gegenüber der Entwicklung der USA zu interpretieren. Die Bundesrepublik möchte perspektivisch aus der Abhängigkeit – und damit auch aus der Machtlosigkeit – heraus.

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Diese Diversifizierungsstrategie betrifft aber nicht nur sicherheitspolitische Bereiche. Auch wirtschaftlich und diplomatisch legt die Bundesregierung neue Drähte, wirbt um aufstrebende Mächte wie Indien oder Indonesien, stärkt die ohnehin schon guten Verbindungen zu Ländern wie Japan oder Kanada. Denn wenn sich die USA auch nach Trump weiter von in Europa wichtigen Grundwerten wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entfernen sollten, werden andere Partner noch wichtiger werden.

Langfristig schneidet sich Trump auch mit Blick auf Deutschland ins eigene Fleisch. Denn seine Politik führt dazu, dass sich enge Partner von den USA langfristig entfernen werden. Aber das braucht Zeit, geht nur sehr langsam, und auch Deutschland wird im Angesicht der aktuellen US-Regierung wahrscheinlich noch einige Kröten schlucken müssen. Doch wie lange geht das noch gut?

Denn auch der innenpolitische Druck auf Merz wird in Zukunft wachsen, den Gesichtsverlust gegenüber Trump nicht einfach so hinzunehmen – allen möglichen Konsequenzen zum Trotz.

Verwendete Quellen
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