Trump als Friedensstifter? "Für Russland ist das ein enormer Verlust"

US-Präsident Donald Trump inszeniert sich als Friedensvermittler, unter anderem im Kaukasus. Doch hat er den schwelenden Konflikt wirklich beendet?
Die Rede von Donald Trump bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen erregte in vielerlei Hinsicht Aufsehen. Neben scharfen Attacken gegen die UN und Leugnungen des Klimawandels feierte sich der US-Präsident erneut als Friedensstifter.
"In einem Zeitraum von nur sieben Monaten habe ich sieben endlose Kriege beendet", behauptete Trump am Dienstag erneut in New York. Dazu zählt er unter anderem auch den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Als er sich zuvor schon einmal für sein angebliches Friedenswerk feierte, war Trump in seiner Nennung der betroffenen Länder offensichtlich durcheinandergekommen.
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Was ist dran an den Friedensverdiensten des US-Präsidenten, der die Länder nicht korrekt benennen kann, für deren Frieden er verantwortlich sein will? t-online blickt auf die aktuelle Lage im Kaukasus.
Um diesen Konflikt geht es
Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan ist einer der ältesten der jüngeren Zeit. Die Führung der Sowjetunion sprach das überwiegend armenisch bewohnte Gebiet 1921 Aserbaidschan zu. Dagegen gab es in Bergkarabach immer wieder Proteste, bis Ende der 1980er-Jahre ein blutiger Konflikt ausbrach, in den schließlich auch Armenien einstieg und gemeinsam mit der Armee Bergkarabachs die Region unter seine Kontrolle brachte.
2020 startete Aserbaidschan eine Offensive, um die Region zurückzuerobern. Bergkarabach selbst bezeichnete sich als unabhängig, in einer UN-Resolution wurde das Gebiet bis zu einer endgültigen Lösung des Konflikts Aserbaidschan zugesprochen. Seitdem war Bergkarabach nur noch über eine Straße direkt von Armenien zu erreichen, den sogenannten Latschin-Korridor.
Da Aserbaidschan im Krieg von 2020 ein Drittel Bergkarabachs sowie alle umliegenden armenischen Regionen eroberte, kontrollierte der autoritär regierte Staat auch die Versorgungslinien. Im Dezember 2022 begann Aserbaidschan mit der Blockade des Latschin-Korridors und ließ weder Nahrung noch Öl in das umkämpfte Gebiet. Der ehemalige Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno Ocampo, bezeichnete die Aushungerungstaktik der Aserbaidschaner damals im Gespräch mit t-online als Genozid.
Der Latschin-Korridor ist mittlerweile wieder frei, aber die Landgrenze ist geschlossen. So gibt es keine Chance für Bergkarabach-Armenier, nach Bergkarabach zu kommen.
Diese Rolle spielt Trump im Kaukasus
Am 8. August 2025 kam es in Washington, D.C. zu einem entscheidenden Spitzentreffen: Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan und Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew trafen den US-Präsidenten Donald Trump im Weißen Haus. Die Konfliktländer erklärten dabei, dauerhaft auf Krieg zu verzichten und bestätigten 17 ausgehandelte Punkte eines künftigen Friedensvertrags.
Das Herzstück der Einigung: das sogenannte TRIPP-Abkommen. TRIPP steht dabei für "Trump Route for International Peace and Prosperity" ("Trump-Route für internationalen Frieden und Wohlstand"). Dahinter steckt ein Infrastrukturprojekt in Armeniens Sjunik-Region.
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Im Rahmen des Abkommens verpachtet Armenien die Region für 99 Jahre an die USA. Das soll die Entwicklung und Sicherung jenes Transportkorridors gewährleisten, der das aserbaidschanische Festland über armenisches Gebiet mit seiner Exklave Nachitschewan verbindet. Genauer sollen hier unter anderem amerikanische, türkische und europäische Unternehmen Eisenbahnen, Autobahnen, Energiepipelines und Telekommunikationsinfrastruktur bauen und betreiben.
Die Türkei dürfte das Abkommen erfreuen, Russland und den Iran wiederum eher verärgern: Aserbaidschan verfügt damit über eine direkte Landverbindung in die Türkei. Der Einfluss von Russland und dem Iran wird damit weiter geschwächt, weil bisherige Nord-Süd-Routen in den Hintergrund rücken. Stattdessen üben jetzt die USA den größten geopolitischen Einfluss in der Region aus.
Ist Trumps Abkommen ein Wendepunkt?
Zwar stellt das Abkommen durchaus einen Wendepunkt im Südkaukasus dar. Allerdings geht es hier noch nicht um langfristig gesicherten Frieden, sondern vielmehr um Handelsbeziehungen, kurzfristige Sicherheit für die Region und eine Verschiebung des Machtgefüges, insbesondere zwischen Russland und den USA.
Im Gespräch mit t-online stellt Tigran Grigoryan, Leiter des Regional Center for Democracy and Security in Armenien, klar: Bei dem Treffen in Washington, D.C. habe man zwar Punkte eines künftigen Friedensvertrags ausgehandelt. Und auch generell habe das Abkommen die aktuelle Lage im Kaukasus entschärft. "Es hat das Risiko einer Eskalation in der Region verringert, was durchaus positiv zu werten ist", so Grigoryan.
Aber er betont auch: Unterschrieben sei der Friedensvertrag noch nicht. "Bis zur Unterzeichnung ist noch viel Zeit", sagt er. Vorher müsste die Verfassung geändert werden. Das fordere Aserbaidschan von Armenien als grundlegende Voraussetzung für eine Unterzeichnung. Ein mögliches Referendum wäre erst nach den Parlamentswahlen im Jahr 2026 denkbar.
Vage Formulierungen bergen Konfliktpotenzial
Zwar seien die Grundsätze der Souveränität und territorialen Integrität in dem Abkommen enthalten. Immerhin fordere Aserbaidschan im Grunde einen extraterritorialen Korridor von Armenien. Allerdings merkt Grigoryan an: "In dem Abkommen stecken noch einige mehrdeutige Formulierungen, unter anderem der Begriff der ungehinderten Konnektivität zwischen Aserbaidschan und Nachitschewan."
Ein großes Problem sei dabei, dass es keine Details zu den tatsächlichen Vorschriften für diese Route gebe. "Wir wissen nicht, ob die Eröffnung dieser Route mit der Eröffnung anderer Verkehrswege einhergehen wird, die vor dem Krieg existierten. Es gibt also noch viele Fragen, die unbeantwortet sind. Und vieles wird schließlich von den Details abhängen."
Regional Center for Democracy and Security
Das Regional Center for Democracy and Security ist ein unabhängiger Thinktank mit Sitz in Eriwan. Dessen Ziel ist es, politische Entscheidungsträger und die breite Öffentlichkeit über wichtige Entwicklungen in Armenien und der Region zu informieren und als Plattform für evidenzbasierte Forschung und Analyse zu dienen.
Grigoryan schildert zudem, dass Armenien und Aserbaidschan die Ergebnisse des Treffens in Washington sehr unterschiedlich interpretieren. Während Aserbaidschan erklärte, es habe sein Ziel erreicht, einen Korridor mit Armenien zu erhalten, verkündete Armenien: Die Frage des Korridors sei nun endgültig abgeschlossen und es könne keine Extraterritorialität geben.
Experte: "Es geht den USA nicht nur um PR"
Die wirren Äußerungen Trumps, als er die Länder kurzerhand verwechselte, in denen er Frieden gestiftet habe, tut Grigoryan mit Humor ab: "Es ist fast schon normal, dass Trump Länder nicht korrekt benennen kann."
Doch er betont auch: Die USA haben bereits Taten folgen lassen. Erst vor weniger als zwei Wochen hätten die USA verkündet, 145 Millionen US-Dollar an Hilfsgeldern für Armenien bereitzustellen. Das sei der erste Schritt zur Verwirklichung des TRIPP-Programms. "Es gibt also Entwicklungen, die zeigen, dass es den USA nicht nur um PR geht."
Eine grundlegende Sorge bleibt allerdings bestehen: Grigoryan befürchtet, dass die USA langfristig ihr Interesse an der Region verlieren könnten. "Denn langfristige Überlegungen sind nicht gerade typisch für die derzeitige US-Regierung."
Zwar habe das Abkommen die Gefahr einer erneuten Eskalation deutlich reduziert. Grigoryan geht deshalb für die kommenden zwei bis drei Jahre davon aus, dass die Situation in der Kaukasusregion stabil bleibe. Aber es sei schwer vorherzusagen, was danach passieren könnte – vor allem, falls das Interesse der USA wieder abnimmt, während die Meinungsverschiedenheiten zwischen Armenien und Aserbaidschan erst richtig deutlich werden.
Machtvakuum eröffnete Chancen für US-Einfluss
Überhaupt habe erst ein Machtvakuum im Jahr 2022, als der Ukraine-Krieg ausbrach, dazu geführt, dass die USA im Kaukasus so involviert sind, erklärt der Experte. Seitdem erleben Armenien und Russland die bisher schwerste Krise ihrer bilateralen Beziehung.
Aserbaidschan habe das Vakuum genutzt, um Armenien im September 2022 anzugreifen. "Eine Reaktion Russlands blieb aus, es folgte nicht einmal eine Stellungnahme. Das war der Startschuss für eine neue Außenpolitik, die auf Diversifizierung ausgerichtet ist." Das Ziel Armeniens: neue Partner im politischen sowie im wirtschaftlichen Kontext zu finden.
Seitdem hat sich Armenien von Russland distanziert und Kontakt zu den USA aufgenommen. Aber auch zu Indien: "Indien ist Armeniens wichtigster Partner im Hinblick auf Verteidigung geworden und verkauft dem Land große Mengen an Waffen." Als wichtigster europäischer Partner Armeniens gilt wiederum Frankreich.
Auch die Europäische Union war in Armenien aktiv: Ende 2022 wurden europäische Grenzbeobachter in dem Land stationiert. Die EU habe damit ebenfalls eine stabilisierende Rolle gespielt, sagt Grigoryan.
Eine lang ersehnte Atempause
Grigoryan resümiert: Nach wie vor befinde sich Armenien in einer vulnerablen Situation. Das Land erhole sich gerade von einem über Jahre anhaltenden Konflikt und stelle Verteidigungsreserven wieder her. "Deshalb ist selbst eine kurzfristige Stabilität und ein vorübergehender Frieden für die Zukunft des Landes von entscheidender Bedeutung", so Grigoryan.
Trumps Abkommen sei zwar noch kein final unterzeichnetes Friedensabkommen. Aber es verschafft Armenien eine lang ersehnte Atempause, die Aserbaidschan seinem Nachbarland so vorher nicht gewährt hat. Und auch für den russischen Präsidenten Wladimir Putin hat das Abkommen Folgen: "Für Russland ist die amerikanische Präsenz ein enormer geopolitischer Verlust."
- Gespräch mit Tigran Grigoryan am 23.09.2025
- rcds.am: About Us (englisch)
- newarab.com: "What is Trump's TRIPP corridor and how does it affect MENA?" (englisch)
- kharcenter.com: "TRIPP Route: From Unimpeded Passage to Sovereign Control?" (englisch)
- kas.de: "Historischer Durchbruch für Frieden im Südkaukasus?"
- x.com: Post von Brendan Hanrahan vom 11.09.2025
- zeit.de: "EU entsendet Grenzbeobachter nach Armenien"
- t-online.de: "Worum geht es im Konflikt um Bergkarabach?"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa







