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Annalena Baerbocks große UN-Woche: Es ist ein Kampf ums Überleben


Annalena Baerbock
Es gibt Spekulationen über ihre Zukunft

Eine Analyse von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 25.09.2025Lesedauer: 6 Min.
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Annalena Baerbock leitet die UN-Vollversammlung – und setzt nach Trumps Auftritt ein Zeichen. (Quelle: t-online)
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Annalena Baerbock hat ihren UN-Job im Maschinenraum der Diplomatie angetreten – ein ehrwürdiges Amt. Doch bei der UN-Generalversammlung zeigt sich: Es ist fraglich, ob eine Rolle als Zeremonienmeisterin zur ehemaligen Bundesaußenministerin passt.

Patrick Diekmann berichtet aus New York.

Der Tag beginnt für sie in dieser Woche oft mit einem Morgenritual. Annalena Baerbock schwingt einen großen Holzhammer, schlägt damit viermal auf den Tisch. Danach ruft die Präsidentin der UN-Generalversammlung Hunderte Delegierte dazu auf, ihre Plätze einzunehmen. Das klappt oft mehr schlecht als recht.

Die UN-Versammlungshalle ist riesig, zahlreiche Menschen wuseln umher, unterhalten sich. Für Baerbock ist es an diesen Tagen oft nicht einfach, sich Gehör zu verschaffen. Mehrere Schläge auf den Tisch, der Aufruf, die Plätze einzunehmen. Diesen Vorgang wiederholt die ehemalige Bundesaußenministerin wieder und wieder – bis irgendwann alle Delegierten sitzen und Ruhe eingekehrt ist.

Für Deutschland ist es eine besondere Ehre, dieses Amt besetzen zu können. In der Herzkammer der Diplomatie soll Baerbock im Hintergrund die Arbeit der internationalen Gemeinschaften koordinieren, in Gesprächen mit vielen UN-Staaten Gemeinsamkeiten ausloten, möglichst Konsens bei Beschlüssen und Erklärungen herstellen und Tagesordnungen für UN-Sitzungen festlegen. Eine verantwortungsvolle Position, die abseits der UN-Generalversammlung im September eher weniger öffentliches Rampenlicht bietet. Die Präsidentin kann zwar thematische Schwerpunkte setzen, aber nicht selbst gestalten.

Trotzdem hatte die Ampelregierung gemeinsam mit dem Wahlsieger und heutigen Bundeskanzler Friedrich Merz in der Zeit des Machtwechsels in Deutschland verabredet, den Posten in New York politisch zu besetzen. Baerbock griff zu, obwohl der neue Job für sie als Politikerin eine tiefgreifende Veränderung mit sich brachte – und damit ist nicht nur der Umzug mit einem Teil ihrer Familie nach New York gemeint.

Baerbock machte es in ihrer Zeit im Bundestag und als Ministerin Freude, um politische Mehrheiten zu kämpfen. Sie gab in Hintergrundgesprächen Einblick in ihre strategischen Gedanken, mochte Debatten und die Gegenrede. Ihre Kritiker mögen ihre politischen Schwerpunkte ablehnen, aber sie sprechen der Grünen-Politikerin nicht ab, dass sie stets gestalten wollte. Ebendieser Gestaltungswille ist bei der ehemaligen Außenministerin auch in New York noch sichtbar.

Allerdings steckt Baerbock nun in ihrer neuen Funktion in einem sehr engen Korsett. Es ist streng geregelt, wozu sie sich öffentlich positionieren darf. In den meisten Fällen darf es die Präsidentin der Generalversammlung nicht. Doch dieser Verzicht scheint der ehemaligen Außenministerin in dieser Woche gelegentlich schwer zu fallen, besonders dann, wenn es um ihre politischen Schwerpunktthemen geht oder sie bestimmte Äußerungen von Rednern als unfair erachtet. Genügt es Baerbock, auch in Zukunft Politik eher zu verwalten und zu moderieren? Das ist zumindest nach dieser UN-Woche fraglich.

"Lassen Sie mich mit zwei Worten beginnen"

Dabei finden sich einige von Baerbocks politischen Schwerpunkten auch in ihrer neuen Funktion wieder: Sie wirbt weiterhin für eine feministische Außenpolitik, sprach sich in Interviews zum Beispiel für eine UN-Generalsekretärin aus. "Die Betonung auf 'in' – das klingt wunderbar! Und vor allem überfällig nach 80 Jahren", sagte sie dem "Stern".

Auch mit Blick auf Baerbocks neue Funktion ist es längst keine Selbstverständlichkeit, dass der Job von einer Frau übernommen wird. Die 44-Jährige ist selbst erst die fünfte Frau im Amt der Präsidentin der Generalversammlung, das hob auch UN-Generalsekretär António Guterres in seiner großen Rede zu Beginn der Generalkonferenz am Dienstagmorgen hervor.

"Lassen Sie mich mit zwei Worten beginnen, die wir in diesem Saal nicht oft genug sagen konnten: Frau Präsidentin", begann Guterres seine Rede und spielte damit darauf an, dass die große Mehrheit von Baerbocks Vorgängern Männer waren. Die Worte des Portugiesen wurden mit lautem Beifall der Vertreter von 193 Staaten begrüßt – und auch Baerbock schien erfreut.

Umgang mit Trump

Danach kam für Baerbock die wahrscheinlich größte Bewährungsprobe dieser UN-Woche: die Rede von US-Präsident Donald Trump. Zwar hatte sie im Amt der Außenministerin Erfahrungen damit gemacht, sehr kontroverse Meinungen von internationalen Gesprächspartnern ohne Widerrede auszuhalten. Dieser Aspekt der Diplomatie fiel ihr jedoch anfangs schwer, was zu Beginn ihrer Amtszeit etwa zu verhärteten Fronten mit China führte, nachdem Baerbock bei ihrem Antrittsbesuch in Peking die chinesische Führung sehr offen und direkt kritisiert hatte.

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Trump machte es ihr am Dienstag nicht leicht. Zwar rechneten die meisten Beobachter damit, dass eine Eskalation kommen könnte. Aber der US-Präsident sprach Deutschland direkt an, lobte die Bundesregierung dafür, dass sie den "kranken" deutschen Weg in der Klima- und Migrationspolitik ändert. In Deutschland gibt es zwar keine wirkliche Kehrtwende in der Energie- und Klimapolitik. Doch Baerbock steht für die Politik, die Trump als "krank" verunglimpfte.

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Die Präsidentin saß mit versteinerter Miene dar, reagierte nicht auf die Ausführungen des US-Präsidenten. Das darf sie auch nicht. Baerbock ist es weder erlaubt, sich in die Debatten einzumischen, noch das Gesagte zu kommentieren oder die Redner für ihre Wortwahl zu maßregeln. Sie kann lediglich bei schweren Regelverstößen zur Mäßigung aufrufen und die Einhaltung der Redezeit durchsetzen.

Nur eine Sache, die in ihren Geschäftsbereich fällt, stellte sie am Ende gegenüber Trump klar. Der US-Präsident hatte die Vereinten Nationen in seiner Rede mehrfach dafür verantwortlich gemacht, dass sein Teleprompter offenbar nicht funktionierte. "Wir können Ihnen versichern, dass die UN-Teleprompter sehr gut funktionieren", sagte Baerbock, als Trump seine Ansprache beendet hatte. Ein UN-Sprecher erklärte später, das Weiße Haus habe für die Rede des US-Präsidenten seine eigene Ausrüstung mitgebracht.

Video | Baerbock kontert Trump
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Quelle: t-online

Das war zwar kein deutlicher Protest gegen Trumps Vorwürfe. Dennoch zeigte sich, dass Baerbock sie faktisch einordnen wollte. Zumal der US-Präsident die Teleprompter und eine angeblich defekte Rolltreppe als Beispiele für eine marode und dysfunktionale UN heranzog – einer Institution, aus der sich die Vereinigten Staaten zumindest finanziell immer mehr zurückziehen und die dadurch in großer Existenznot ist.

Was macht Baerbock nach ihrer Amtszeit?

Im späteren Verlauf der UN-Generalversammlung wurde bekannt, dass die Probleme bei der Rede des US-Präsidenten auf sein Team zurückgingen: Offenbar hatte ein Kameramann versehentlich einen Knopf gedrückt und so die Rolltreppe mit Donald und Melania Trump gestoppt. Trotzdem legte der Republikaner am Mittwoch auf seiner Onlineplattform Truth Social noch einmal nach: "Das war kein Zufall, das war dreifache Sabotage bei der UNO. Sie sollten sich schämen."

Video | Zwei Pannen bei Trump-Auftritt vor den Vereinten Nationen
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Quelle: t-online

In der Analyse, dass sich die Vereinten Nationen strukturell verändern müssen, um effektiver und politisch gerechter zu werden, sind sich Baerbock und Trump sogar einig. Doch während der US-Präsident Multilateralismus und internationale Zusammenarbeit generell ablehnt, möchte die ehemalige Bundesaußenministerin eher Institutionen wie den UN-Sicherheitsrat verändern und etwa das Vetorecht der permanenten Mitglieder des Rats reformieren. Unter anderem angesichts der zahlreichen Kriege und Konflikte auf der Welt "müssen wir eindeutig besser werden", sagte sie zum Auftakt der 80. Generaldebatte.

Aber das scheint ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. Zwar waren etwa 150 Staats- und Regierungschefs in dieser Woche nach New York gekommen – ein Zeichen, dass die Vereinten Nationen durchaus als große Bühne geschätzt werden. Aber vielen UN-Organisationen bricht die Finanzierung weg, und Guterres und Baerbock stehen dem relativ hilflos gegenüber.

Zudem dauert Baerbocks Amtszeit auch nur ein Jahr, was im Hintergrund während der UN-Woche bereits Spekulationen befeuert.

Als unwahrscheinlich gilt, dass die ehemalige Außenministerin das Amt der Generalsekretärin übernimmt. Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates haben hier das Vorschlagsrecht, und Baerbock hat einen entscheidenden Gegner: Russland, dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Grünen-Politikerin oft scharf verurteilte.

Ihre Zukunft sei völlig offen, sagte Baerbock dem "Stern", aber dass sie das Amt übernehme, sei "ausgeschlossen". Auch eine Rückkehr nach Deutschland ist denkbar: Über eine Spitzenkandidatur der Grünen für die Europawahl 2029 wird in New York bereits spekuliert.

Bislang lässt Baerbock sich aber nicht in die Karten schauen, auch wenn nach der UN-Generalversammlung die Zeit beginnt, in der sie erneut ihre Zukunft planen muss. Einen möglichen Fingerzeig gab die ehemalige Außenministerin jedoch: "In Deutschland war das gerade für die Kinder nicht immer so einfach, dass die Mutter überall erkannt wird. Hier gehe ich komplett unter, ich kann herausgehen, ohne dass jedes Mal genau geschaut wird, ob man auch wirklich stehen bleibt, wenn die Ampel plötzlich auf Rot umspringt."

Verwendete Quellen
  • Begleitung der UN-Generaldebatte in New York
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