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Moldau-Wahl: Plahotniucs Auslieferung als Schlüsselmoment?


Schicksalswahlen in Südosteuropa
Seine Auslieferung könnte das Zünglein an der Waage sein

Eine Analyse von Simon Cleven

28.09.2025Lesedauer: 6 Min.
GREECE-MOLDOVA/EXTRADITIONVergrößern des Bildes
Polizisten führen Wladimir Plahotniuc am Flughafen von Chișinău ab: Der Oligarch war seit 2019 auf der Flucht. (Quelle: Vladislav Culiomza/reuters)
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Die Republik Moldau wählt ein neues Parlament. Es zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Kurz vor der Wahl gelingt der proeuropäischen Regierungspartei jedoch ein Coup.

Am Donnerstag landete eine Maschine auf dem Flughafen von Chișinău, die viele Menschen in der Republik Moldau seit Jahren erwartet hatten. Nachdem die Gangway an den Airbus A320 herangefahren wurde, öffnete sich die Tür am Heck: Heraus traten eiligen Schrittes Beamte von Interpol und der moldauischen Polizei. Zwei maskierte Polizisten führten in ihrer Mitte einen ergrauten Mann mit Basecap, den sie noch auf dem Rollfeld in einen wartenden weißen Kleinbus brachten. Es war Wladimir Plahotniuc.

Der 59-jährige Oligarch galt einst als reichster Mann Moldaus. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat er es bis 2016 zu einem Vermögen von bis zu 2,5 Milliarden US-Dollar gebracht – damals rund ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts von Moldau. Plahotniuc war bereits 2019 aus dem Land geflohen. Gegen ihn wird unter anderem wegen des Verschwindens von rund einer Milliarde Dollar aus den Kassen dreier Banken ermittelt. Ende Juli nahmen ihn Behörden in Griechenland fest und lieferten ihn nun in sein Heimatland aus – mitten in einer für Moldau besonders kritischen Phase.

Am Sonntag steht das Land vor der laut Präsidentin Maia Sandu "wichtigsten Wahl seiner Geschichte". Die proeuropäische Regierungspartei PAS, zu der auch Sandu gehört, will ihre absolute Mehrheit im Parlament behalten. Ob das funktioniert, ist längst nicht ausgemacht. Denn auch prorussische Kräfte haben Chancen auf Regierungsmacht. Es steht Spitz auf Knopf für den EU-Beitrittskandidaten. Die Rückkehr des Oligarchen könnte dabei das Zünglein an der Waage sein.

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Massive Desinformationskampagnen vor der Wahl

Die Republik Moldau in Südosteuropa hat nur rund 2,4 Millionen Einwohner. Doch die Zusammensetzung der Bevölkerung ist komplex: Neben rumänischsprachigen Moldauern (rund 77 Prozent) leben hier ethnische Rumänen, Ukrainer, Russen, Bulgaren, Roma und auch Angehörige des Turkvolkes der Gagausen. Amtssprache ist zwar Rumänisch, doch in einigen Landesteilen herrscht das Russische vor, für knapp ein Fünftel der Bevölkerung ist es die Muttersprache.

Daraus resultiert eine extreme Polarisierung des Landes. Beobachter sprechen von verschiedenen "Informationsräumen", in denen die Bevölkerung je nach ihrer bevorzugten Sprache lebt. Und wer Russisch als Muttersprache spricht, der konsumiert vorrangig russischsprachige Medien, die oftmals Kremlpropaganda verbreiten.

Valeriu Pașa ist Analyst und Vorsitzender des moldauischen Thinktanks WatchDog.MD. Er und seine Mitarbeiter beobachten seit Jahren Desinformationskampagnen in ihrem Land. Rund 120 propagandistische Narrative im Sinne Russlands haben sie dabei identifiziert. Im Kern stellen diese Russland als gut und den Westen als Böse dar. "Der Westen zerstört Moldau", laute eine der Erzählungen, erläuterte Pașa Anfang September in Chișinău. Und die Regierungspartei PAS sowie die Präsidentin Sandu würden mit dem Westen gleichgesetzt.

Kurz vor den Wahlen lief die russische Desinformationsmaschine wieder auf Hochtouren. EU-Kommissionssprecherin Anitta Hipper warf dem Kreml am Donnerstag vor, dieses Mal sogar "viel weiter" zu gehen als in früheren Fällen. Moskau greife "tief in den Wahlprozess ein", fügte sie hinzu.

"Das ist nicht einfach eine weitere Wahl"

WatchDog-Chef Pașa nennt das russische Vorgehen einen "hybriden Abnutzungskrieg". Seine Mitarbeiter benötigten angesichts der großen Belastung auf der Arbeit mittlerweile psychologische Unterstützung. Schon im vergangenen Herbst investierte Russland vor den Präsidentschaftswahlen und dem Referendum über den EU-Beitritt laut Schätzungen bis zu 200 Millionen Euro in die Beeinflussung der Abstimmungen. "Das ist das Doppelte des Verteidigungsbudgets von Moldau", macht Pașa deutlich. In diesem Jahr könnten die Investitionen etwa in Social-Media-Kampagnen und Stimmenkauf noch größer ausfallen.

Auch Ana Revenco, ehemalige Innenministerin und heute Leiterin des Zentrums für strategische Kommunikation und Bekämpfung von Desinformation, wählt drastische Worte: "Das ist nicht einfach eine weitere Wahl, sondern eine wichtige Schlacht, die wir gegen Russland führen." Russland versuche, die Bevölkerung zu spalten und die EU einerseits als Sackgasse und andererseits als Kriegsrisiko darzustellen. Immer wieder werde das Staatenbündnis in russischer Propaganda mit der Verteidigungsallianz Nato gleichgestellt.

Russlands Geheimdienst schürt Ängste

Tatsächlich behauptete der russische Auslandsgeheimdienst SWR am Dienstag in einer Mitteilung, dass die Nato bereits Truppen zusammenziehe, um Moldau zu besetzen – egal, wie das Wahlergebnis ausfalle. Damit solle die abtrünnige Region Transnistrien, wo der Kreml Truppen stationiert hat, "eingeschüchtert" und Antiregierungsproteste der moldauischen Bevölkerung verhindert werden, so die Kremlerzählung. Eine "Landungsoperation" in der Region Odessa sei bei Nato-Manövern in Rumänien mehrfach durchgespielt worden und könnte nun umgesetzt werden. Belege dafür nennt der SWR nicht.

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Experten der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) gehen davon aus, dass Russland präventiv moldauischen Behörden die Schuld für Maßnahmen gebe, die es selbst plane. Seit Beginn der Vollinvasion hatte Moskau wiederholt Antiregierungsproteste in Moldau finanziert. Das ISW weist zudem darauf hin, dass die Nato von Ende Oktober bis Mitte November ein Manöver in Rumänien plant, weshalb sich dort bereits Truppen aus Partnerstaaten befänden. Auch diesen Fakt deutet Russland offenbar um, um der moldauischen Regierung zu schaden.

Kopf-an-Kopf-Rennen um das Parlament der Republik Moldau

Die Partidul Acțiune și Solidaritate (zu Deutsch: Partei der Aktion und Solidarität, kurz PAS) regiert seit 2022 mit absoluter Mehrheit in Moldau. Ihr gegenüber stehen bei der Wahl nun fast ausschließlich prorussische Parteien und Wählervereinigungen, etwa der "Patriotische Block" sowie die "Alternative". Andere Kandidaten wie Partidul Nostru (Unsere Partei) lassen sich nicht eindeutig einem Lager zuordnen, bedienen aber zumindest EU-skeptische Narrative. Insgesamt bewerben sich 23 Parteien sowie unabhängige Kandidaten um die 101 Parlamentssitze.

Aus dem Wahlkampfbüro der PAS ist zu hören, dass sich die Partei vor allem darauf konzentrierte, den EU-freundlichen Teil der Bevölkerung für sich zu mobilisieren. Die russischsprachige Bevölkerung hingegen stehe am Ende der Prioritätenliste. Das Wahlkampfmaterial gab die PAS dementsprechend auch ausschließlich auf Rumänisch aus. Ob dieser Zug die Regierungspartei zum Erfolg führt, muss sich noch an den Wahlurnen zeigen.

Eine Vorwahlumfrage des Instituts Idata zeichnet ein Kopf-an-Kopf-Rennen für Sonntag vor. 24,9 Prozent sprechen sich demnach für PAS aus, 24,7 Prozent für den "Patriotischen Block", weit dahinter liegen "Alternative" (7,2 Prozent) und Partidul Nostru (5,4 Prozent). 26,6 Prozent der Wähler seien noch unentschlossen.

Regierung hat mit großen Problemen zu kämpfen

Beobachter gehen davon aus, dass bis zu 70 Prozent der Bevölkerung mit der Regierungsarbeit unzufrieden sind. Seit Jahresbeginn liefert Russland kein Gas mehr an Moldau. Die Regierung versuchte, dies durch Stromimporte aus Rumänien aufzufangen. Dennoch explodierten die Energiepreise für die Menschen in Moldau. Das bringt der Opposition Zulauf. Hinzu kommen wirtschaftliche und sozialpolitische Probleme. Auch eine versprochene Justizreform sowie den Kampf gegen Korruption setzte die PAS nicht zufriedenstellend um.

An dieser Stelle könnte nun zumindest die Auslieferung des Oligarchen Wladimir Plahotniuc helfen. Der 59-Jährige war seit 2019 auf der Flucht. Er gilt mit dem zweiten bekannten Oligarchen des Landes, Ilan Șor, als Drahtzieher hinter dem in Moldau sogenannten Diebstahl des Jahrhunderts, bei dem rund eine Milliarde US-Dollar aus dem Bankensystem verschwanden. Șor hatte sich ebenfalls 2019 abgesetzt, lebt mittlerweile aber in Russland und zieht für den Kreml von dort die Fäden bei Wahlbeeinflussungen in seinem Heimatland.

Eine Bombendrohung verhindert Plahotniucs ersten Gerichtstermin

Plahotniuc hingegen hatte sich in Griechenland häuslich eingerichtet, lebte dort in einer Luxusvilla, führte 17 verschiedene Reisepässe. Die griechischen Behörden nahmen ihn erst im Juli fest, als er nach Dubai fliegen wollte. Nun kommt der Mann, der sich in den vergangenen Jahren in Umfragen regelmäßig als unbeliebtester Politiker des Landes herausstellte, zurück nach Moldau.

Für die PAS ist das ein Erfolg, kann sie doch darauf verweisen, dass konstanter Druck auf Interpol letztlich zur Festnahme führte. Die Polizeiorganisation hatte mehrmals Gesuche der Moldauer nach einem internationalen Haftbefehl abgelehnt. Sollte die PAS an der Macht bleiben, wird der Druck auf die Gerichte voraussichtlich hoch bleiben, um Plahotniuc bald zu verurteilen.

Ein für Freitag angesetzter Gerichtstermin kam jedoch nicht zustande – eine Bombendrohung verhinderte den ersten öffentlichen Auftritt Plahotniucs in seiner Heimat. Vorsorglich hatte der Oligarch selbst aber auch einen Antrag auf Verschiebung wegen "gesundheitlicher Probleme" gestellt. Möglicherweise spekuliert er ebenfalls auf die anstehende Wahl. Denn sollten prorussische Kräfte an die Macht kommen, winkt ihm möglicherweise eine mildere Strafe.

Transparenzhinweis: Dieser Text ist teilweise im Rahmen einer von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Recherchereise entstanden.

Verwendete Quellen

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