Andrej Babiš gewinnt in Tschechien Droht ein zweiter Orbán?

Der Rechtspopulist Andrej Babiš hat die Parlamentswahl in Tschechien gewonnen und möchte erneut Ministerpräsident werden. Wie könnte sich das Land dann verändern?
Andrej Babiš wiist am Ziel: Nach seiner Abwahl vor vier Jahren und einer gescheiterten Kandidatur als Präsident hat der 71-Jährige mit seiner Partei ANO die Parlamentswahl in Tschechien klar gewonnen. Der 71 Jahre alte Unternehmer zeigte sich beim Eintreffen in seinem Wahlstab triumphierend mit hochgereckten Armen. "Heute werden wir feiern", sagte Babis und sprach von einem historischen Erfolg. Er tanzte und sang mit seinen Mitstreitern zu dem italienischen Popsong Sarà perché ti amo («Das ist, weil ich dich liebe»).
Babiš war bereits von 2017 bis 2021 Regierungschef. Damals präsentierte er sich als Gegner irregulärer Migration und kritisierte die europäische Klimapolitik, blieb jedoch ein verlässlicher Partner innerhalb der EU. Genau das könnte sich allerdings bei einem erneuten Wahlsieg des 71-Jährigen ändern: Während seines Wahlkampfs kündigte Babiš an, das tschechische Volk über die Mitgliedschaften in EU und Nato entscheiden zu lassen.
Einige Kommentatoren ziehen Parallelen zu Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und dem slowakischen Regierungschef Robert Fico, die eine betont russlandfreundliche Linie vertreten.
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Kritik wegen möglicher Interessenkonflikte
Zugleich gilt Babiš als politischer Sonderfall. Der 71-Jährige gründete 2012 die Partei ANO – ein Akronym für "Aktion unzufriedener Bürger", das zugleich "Ja" auf Tschechisch bedeutet. Er pflegt ein betont bürgernahes Auftreten und äußert sich regelmäßig kritisch zu Brüssel. Zugleich verweist er auf seine Regierungserfahrung und seine internationale Vernetzung.
Babiš wurde 1954 in Bratislava geboren, der heutigen Hauptstadt der Slowakei. In der kommunistischen Tschechoslowakei war er Mitglied der Staatspartei. Nach dem Ende des real existierenden Sozialismus stieg er als Unternehmer auf. Sein Konzern Agrofert ist heute einer der größten Arbeitgeber des Landes. Zeitweise gehörten ihm auch mehrere reichweitenstarke Medien, darunter die Tageszeitung "Dnes". Gegner werfen ihm deshalb Interessenkonflikte vor und behaupten, Babiš würde sich wie Donald Trump am Amt des Ministerpräsidenten und damit am tschechischen Volk bereichern.
Massenproteste prägen erste Amtszeit
Diese Kritik begleitet den 71-Jährigen schon seit Jahren. 2023 wurde er in einem viel beachteten Verfahren vom Vorwurf freigesprochen, unrechtmäßig EU-Fördermittel für ein Ferienresort erhalten zu haben. Aktuell ermittelt die französische Justiz wegen möglicher Geldwäsche und Steuerdelikten beim Kauf einer Immobilie an der Côte d’Azur.
Während seiner Amtszeit kam es zu Massenprotesten – etwa 2019, als rund 250.000 Menschen in Prag gegen ihn demonstrierten. Dennoch bleibt seine Unterstützung stabil. Viele Wähler schätzen seine direkte Sprache, seine wirtschaftliche Kompetenz und seine kritische Haltung zur Migrationspolitik.
Droht ein Ende der tschechischen Ukraine-Hilfen?
Außenpolitisch bezeichnet sich Babiš als "Friedenstreiber". Er spricht sich für einen raschen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg aus und will die tschechischen Militärhilfen beenden. Andererseits weiß Babiš um die tief verwurzelte Abneigung gegen Russland in seinem Land. Das Trauma von 1968 – die Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Panzer der Sowjetunion und anderer Ostblock-Staaten – prägt Tschechien bis heute. Die Solidarität für die Ukraine und die Zustimmung zur Nato-Mitgliedschaft sind parteiübergreifend groß.
Im Jahr 2021 kam der tschechische Geheimdienst zu dem Schluss, dass Russland für die 2014 erfolgte tödliche Explosion in einem Munitionslager in Osttschechien verantwortlich war – Babiš sprach von einem "beispiellosen Terroranschlag", seine Regierung wies 18 russische Diplomaten aus.
Alles hängt von den Koalitionspartnern ab
Die Parlamentswahl war für Babiš schon der zweite Anlauf auf dem Weg zurück ins Zentrum der Macht. Im Januar 2023 war er bei der Präsidentschaftswahl an dem früheren Nato-General und entschlossenen Pro-Europäer Petr Pavel gescheitert.
Droht sich das deutsche Nachbarland für Europa nach dem Wahlsieg von Babiš zu einem Problemkind zu entwickeln? Im EU-Parlament sitzt dessen ANO in einer Fraktion mit Marine Le Pens RN (Frankreich), der FPÖ von Herbert Kickl (Österreich) und der Fidesz von Viktor Orbán (Ungarn). Und der prorussische Slowake Robert Fico hofft schon auf ein neues Trio mit Babiš und Orbán.
Der Politologe Lukas Jelinek sieht das im Gespräche mit der Deutschen Presse-Agentur differenziert: Babiš werde zwar in Bratislava und Budapest nach Partnern suchen, aber einen offenen Konflikt mit dem Rest der EU und der Nato vermeiden. Vieles hänge indes von den möglichen Koalitionspartnern ab. Jelinek mahnt: "Zum Problem wird es dann, wenn sich Babiš von ihnen erpressen lässt."
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa




