Hunderte Terroristen sollen freikommen Was die Hamas als Gegenleistung bekommt und was nicht

Viele Palästinenser, die wegen Terrorakten in Israel in Haft sitzen, könnten im Zuge des Geiseldeals freikommen. Die Hamas fordert ihre Freilassung – doch nicht bei allen zeigt sich Israel offen.
Israel hat mit der Freilassung palästinensischer Gefangener und Häftlinge begonnen. Erste Busse mit Freigelassenen aus dem Ofer-Gefängnis bei Jerusalem trafen in Ramallah im Westjordanland ein, wie auf TV-Bildern zu sehen war. Die israelische Regierung gibt an, man habe fast 2.000 Gefangene freigelassen. Darunter befanden sich auch Männer, die wegen der Ermordung von Dutzenden Israelis verurteilt wurden.
Kurz vor der Abfahrt der Busse hatten israelische Sicherheitskräfte Tränengas und Schallgranaten gegen Wartende und Journalisten eingesetzt, wie Fernsehbilder zeigten.
Die Freilassung ist Teil eines umfassenden Geiseldeals, der mit Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars ausgehandelt wurde. In einem ersten Schritt entließ die Hamas am Montag alle noch lebenden Geiseln frei, die sie beim Terrorüberfall auf Israel am 7. Oktober entführt hatte.
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Diese Gefangenen könnten freikommen
Laut der israelischen Tageszeitung Haaretz und der Jerusalem Post enthält die Liste der Freigelassenen mehrere prominente Hamas-Mitglieder und andere Extremisten. Einige von ihnen wurden bereits in früheren Verhandlungen von der Hamas als zentrale Forderung genannt – bislang hatte Israel ihre Freilassung ausgeschlossen.
Diese Männer stehen demzufolge auf der Liste:
- Raed Sheikh: Palästinensischer Polizist, beteiligt am Lynchmord an zwei israelischen Soldaten in Ramallah (2000). Er verbüßt zwei lebenslange Haftstrafen.
- Basem Khandakji: Das Mitglied der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) ist wegen der Planung des Carmel-Markt-Anschlags im Jahr 2004 inhaftiert. Damals gab es drei Tote.
- Mahmoud Khatib: Der Polizist erstach einen israelischen Soldaten am Tapuach-Kreuzungspunkt im Jahr 2010.
- Mohammed Abu Shahin: Er ist wegen der Ermordung des Studenten Danny Gonen im Jahr 2010 zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt.
- Nasser Abu Srour: Er sitzt wegen der Beteiligung am Mord an Haim Nahmani im Jahr 1993.
- Salam Zaal: Er hat nach Überzeugung eines israelischen Gerichts 2013 den Siedler Evyatar Borovsky am Tapuach-Knotenpunkt erstochen.
- Fares Ganam: Er ist wegen der Tötung von acht Israelis inhaftiert. Nähere Details sind nicht bekannt.
- Rami Nour: Er tötete 2002 einen Polizisten an einer Bushaltestelle in Neve Yaakov und erhielt zwei lebenslange Haftstrafen.
- Baher Badr: Er ist wegen der Planung eines Bombenanschlags an einer Bushaltestelle nahe einem israelischen Armeestützpunkt zu elfmal lebenslang verurteilt. Bei dem Attentat starben acht Menschen.
- Muhammad Arman: Das Hamas-Mitglied gilt als mitverantwortlich für mehrere Selbstmordanschläge. Sein Urteil: 36-fach lebenslange Haftstrafe.
- Hashem Abed Rabbo: Er hatte 1984 zwei israelische Studenten ermordet und sitzt seit rund vierzig Jahren in Haft.
- Mahmoud Issa: Das Hamas-Mitglied erhielt wegen der Beteiligung an der Entführung und Ermordung eines israelischen Soldaten eine lebenslange Haftstrafe.
- Muhammad Daoud: Das Fatah-Mitglied sitzt wegen eines Brandbombenanschlags im Jahr 1987. Eine Frau wurde damals ermordet, ein Kind schwer verletzt.
- Husam Badran: Der ranghohe Hamas-Kommandeur gilt als mitverantwortlich für Anschläge mit Dutzenden Toten. Allein beim Attentat auf die Diskothek Delfinarium in Tel Aviv im Jahr 2001 starben 21 Menschen.
- Maher Abu Srour: Der ehemalige Doppelagent arbeitete zunächst mit dem israelischen Geheimdienst Shin Bet zusammen. Im Jahr 1993 ermordete er seinen Verbindungsmann Haim Nahmani.
- Yusuf Zahur: Er ist wegen der Beteiligung an der Ermordung des israelischen Soldaten Dvir Sorek im Jahr 2019 verurteilt.
- Mahmoud Kawasmeh: Er kam 2011 schon einmal bei einem Gefangenaustausch frei. Damals hatte die israelische Regierung 1.027 arabische und palästinensische Gefangene aus der Haft entlassen, im Gegenzug kam der entführte israelische Soldat Gilad Schalit frei. Kawasmeh wurde 2024 erneut festgenommen. Er ist bislang noch nicht verurteilt.
- Mansour Riyan: Er war in den 1990ern an der Tötung eines Israelis beteiligt und kam ebenfalls im Schalit-Deal freigelassen. Auch er wurde später erneut verhaftet.
- Anas Alan: Er gilt als verantwortlich für einen Selbstmordanschlag in Kedumim im Jahr 2006 mit drei Toten.
- Ayman Kurd: Er sitzt wegen einer Messerattacke in der Jerusalemer Altstadt im Jahr 2018 im Gefängnis. Sein Urteil: 35 Jahre Haft.
- Haitham Hamdan: Er erschoss 2001 drei Menschen und ist zu dreimal lebenslanger Haft verurteilt.
- Hussein Rawadra: Der damals 16-Jährige erstach 2013 den israelischen Soldaten Eden Atias in einem Bus.
- Halil Abu Aram: Er ist inhaftiert, weil er 2002 das Ehepaar Yossi und Hana Dikstein erschossen hat.
- Mohammed Hamami: Er gilt als Drahtzieher eines Selbstmordanschlags auf den Markt des Karmel 2003 in Tel Aviv. Damals wurden drei Menschen getötet.
- Riyad al-Amur: Er gilt als Verantwortlicher für den Tod von neun Israelis und ist zu elfmal lebenslanger Haft verurteilt.
- Iyad al-Rub: Das Mitglied der Terrorgruppe Islamischer Dschihad ist wegen eines Mordanschlags im Jahr 2006 nahe Hadera verurteilt. Damals kamen sechs Menschen ums Leben.
- Mohammed Ardah: Das Mitglied des Terrornetzwerks Islamischer Dschihad saß wegen mehrfachen Mordes ein, als ihm mit anderen Gefangenen 2021 die Flucht aus dem Gilboa-Gefängnis gelang. Er wurde kurz darauf erneut festgenommen.
- Iham Kamamji: Er war wegen der Beteiligung am Mord des Jugendlichen Eliyahu Asheri im Jahr 2006 inhaftiert. Auch er war in die Gilboa-Flucht beteiligt, auch er wurde erneut festgesetzt.
Die Freilassung folgender Häftlinge fordert die Hamas vehement. Israel schließt jedoch bislang aus, sie zu einem Teil des Abkommens zu machen:
- Abdullah Barghouti: Der Bombenbauer der Hamas gilt verantwortlich für mehrere Anschläge mit mehr als sechzig Toten. Das Urteil: 67-fache lebenslange Haftstrafe.
- Ahmed Saadat: Der Generalsekretär der Befreiungsbewegung PFLP ist verurteilt für die Planung des Mordes an Israels Tourismusminister Rechaw'am Ze'evi im Jahr 2001. Seine Strafe: 30 Jahre Haft.
- Ibrahim Hamed: Der Hamas-Kommandeur im Westjordanland gilt als verantwortlich für Anschläge mit mehr als fünfzig Toten. Er ist verurteilt zu 54-fach lebenslanger Haft.
- Abbas al-Sayed: Er gilt als Hauptverantwortlicher für den Pessach-Anschlag in Netanya 2002 mit 30 Toten. Ein israelisches Gericht verurteilte ihn zu 35-fach lebenslanger Haft.
- Hassan Salameh: Der Kommandeur der Al-Kassam-Brigaden der Hamas in Khan Yunis verbüßt eine Haftstrafe von 46 Jahren wegen seiner Beteiligung an Bombenanschlägen auf zwei Busse in Jerusalem und Tel Aviv mit Dutzenden Toten.
Heikle Gratwanderung für Israel
Die Freilassung dieser Gefangenen wäre innenpolitisch brisant. Angehörige von Terroropfern und rechte Parteien in Israel lehnen einen solchen Deal kategorisch ab. Auch Premierminister Benjamin Netanjahu hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, bestimmte Täter "niemals" freilassen zu wollen.
Trotzdem signalisieren israelische Stellen derzeit Kompromissbereitschaft. Ein hochrangiger Beamter sagte laut "Jerusalem Post", man sei bereit, "über alles zu sprechen", wenn dies zur Rückkehr der Geiseln führe. Ein endgültiger Deal liege jedoch noch nicht vor.


