Gefangenenaustausch, Friedensrat, Geberkonferenz Trump-Plan: So geht es in Gaza nun weiter

Der erste Teil von Trumps Friedensplan ist mit der Geisel-Freilassung erfüllt. Nun stehen die nächsten Etappen an. Dabei gibt es einige Herausforderungen.
US-Präsident Donald Trump genoss seinen Auftritt im israelischen Parlament. Von einem "historischen Aufbruch für einen neuen Nahen Osten" sprach Trump in der Knesset. Die Freilassung der letzten lebenden israelischen Geisel aus der Gewalt der islamistischen Hamas ist auch Trumps größter außenpolitischer Erfolg.
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Doch am Ziel ist Trump noch nicht. Direkt von Israel ging es am Montag weiter in den ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich, wo weitere Beratungen über den Friedensplan anstehen. Schließlich ist der Austausch der Geiseln sowie das Freikommen von Hamas-Kämpfern aus israelischer Haft nur die erste Phase von Trumps Zwanzig-Punkte-Plan für Gaza. "Wir arbeiten jetzt an der Umsetzung", sagte Trump nach seiner Ankunft in Ägypten.
Auch Fachleute sehen noch einen weiten Weg. "Es geht um die klassische Post-Konflikt-Abfolge von wer macht wann was", erläuterte Nahost-Expertin Burcu Ozcelik vom britischen Royal United Services Institute (Rusi) in Großbritannien der "Financial Times".
Wie es in Gaza nun weitergeht – ein Blick auf die nächsten Ziele, Etappen und Herausforderungen.
Treffen in Scharm El-Scheich
Mehr als zwanzig Staats- und Regierungschefs beraten am Montagnachmittag im ägyptischen Scharm El-Scheich über das weitere Vorgehen in Gaza. Darunter neben US-Präsident Donald Trump auch der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der britische Premier Keir Starmer ,UN-Generalsekretär António Guterres und Saudi-Arabiens Außenminister Faisal bin Farhan.
Vertreter der Hamas und Israels waren nicht zugegen. Offiziell ging es um eine Feier des Geisel-Austauschs. Inoffiziell um das weitere Vorgehen in Gaza wie die Entwaffnung der Terrorgruppe Hamas, die Finanzierung des Wiederaufbaus des Gazastreifens und eine Beteiligung an einer möglichen Friedenstruppe für das Gebiet.
Von einem "Anfang für den Frieden in Nahost" hatte Merz am Morgen gesprochen. Nun müssen die nächsten Schritte folgen. Nahost-Expertin Ozcelik warnte: "Es ist eine gewaltige Aufgabe. Das wird sehr fordernd."
Entwaffnung der Hamas
Vor dem Terrorüberfall auf die Hamas am 7. Oktober 2023 wurde die Stärke der radikal-islamischen Terrorgruppe Hamas auf bis zu 30.000 Mann geschätzt. Nach zwei Jahren Krieg gegen Israels Armee ist die Zahl der Kämpfer auf gut ein Drittel gesunken. Trumps Friedensplan für Gaza sieht ihre Entwaffnung vor.
Die Hamas lehnt aber bislang eine Entwaffnung ab. Hamas-Vertreter Hossam Badran sagte der Nachrichtenagentur AFP, die zweite Phase des US-Plans sei "mit vielen Komplexitäten und Schwierigkeiten verbunden".
So sehen es auch internationale Beobachter. "Trumps Abkommen ist recht vage und enthält weder klare Zeitpläne noch Etappenziele, geschweige denn, wie die Entwaffnung konkret umgesetzt werden soll", so die Experten Mona Yacoubian und Will Todman vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington. Allein das Tunnelsystem der Hamas im Gazastreifen soll mehr als 500 Kilometer umfassen. Die Zerstörung "aller militärischen, terroristischen und offensiven Infrastruktur, einschließlich Tunneln und Waffenproduktionsanlagen", wie es der Gaza-Plan vorsieht, wird schwierig.
Zumal die Hamas am Montag bekräftigte, am bewaffneten Kampf gegen Israel festzuhalten.
Rückzug der israelischen Armee aus Gaza
Die israelische Armee, die drei Viertel des Gazastreifens kontrolliert, zog sich nach der Einigung auf die Waffenruhe wie vereinbart aus mehreren Bereichen bis zu einer vereinbarten "gelben Linie" zurück – was die Voraussetzung für die Freilassung der Geiseln war.
Der Friedensplan sieht schrittweise einen weiteren israelischen Truppenrückzug vor. Erst wenn die Entmilitarisierung des Gazastreifens abgeschlossen ist, soll sich die israelische Armee dem Trump-Plan zufolge vollständig aus dem Palästinensergebiet abziehen.
Doch ist Eskalationspotenzial bei der Entwaffnung der Hamas und Demilitarisierung des Gazastreifens hoch. Die "Financial Times" zitiert einen ehemaligen US-Diplomaten mit den Worten: Der Rückzug Israels und die Entwaffnung der Hamas seien "das Hauptrisiko eines Wiederaufflammens des Konflikts". Der Ex-Diplomat weiter: „Es ist durchaus möglich, dass wir während der Umsetzung des Abkommens ein Szenario sehen, in dem Israel nicht den Eindruck hat, dass die Hamas entwaffnet wird, und dann vereinzelte Militärschläge ausübt."
Internationale Friedenstruppe
Trumps Plan sieht eine internationale Friedenstruppe für Gaza vor. Frankreich und Großbritannien könnten sich eine Teilnahme vorstellen, sie werden von Israel aber als ehemalige Kolonialmächte skeptisch gesehen. Ebenso wie eine Friedenstruppe unter UN-Mandat.
Israels Premier Benjamin Netanjahu sieht die UN kritisch. Schon an der Grenze zum Libanon zeigte Israels Armee zuletzt wenig Respekt vor der UN-Truppe und rückte über die Grenze vor, um Stellungen der radikal-islamischen Hisbollah auszuschalten. Die UN stellt die Mission auch deshalb Ende kommenden Jahres ein.
Für Gaza kann sich Trump eine Friedenstruppe unter Führung Katars und der Türkei vorstellen. Doch ist das nicht nur für Israel schwierig. Auch die muslimischen Länder müssten ihrer Bevölkerung eine Mission zum Schutz Israels erklären.
Für Deutschland hat SPD-Fraktionschef Matthias Miersch Vorbehalte gegen eine Beteiligung der Bundeswehr an einer Friedensmission in Nahost formuliert. Trump schließt US-Truppen in Gaza aus. Derzeit sind nur zweihundert US-Soldaten in Israel aktiv, um den Rückzug der israelischen Armee aus dem Gaza-Streifen zu überwachen.
Eine Friedensmission für Gaza halten Beobachter aber für möglich. Das Mandat wird allerdings sehr beschränkt. Ein US-Diplomat sagte der "Financial Times": "Niemand erwartet, dass die Truppe kämpft. Niemand erwartet, dass die Truppe die Hamas entwaffnet. Es geht eher um eine humanitäre Mission."
Hilfslieferungen für die Bevölkerung in Gaza
Die in der Übereinkunft vereinbarten Hilfslieferungen in den Gazastreifen liefen unmittelbar nach der Waffenruhe-Einigung an: Bereits am Donnerstag hatten sich nach Angaben der Hilfsorganisation Ägyptischer Roter Halbmond mehr als 150 Lastwagen auf den Weg gemacht. Hamas-Angaben zufolge war die Ankunft von täglich mindestens 400 Lastwagen mit Hilfsgütern in den ersten fünf Tagen nach Waffenstillstand vereinbart worden.
In den folgenden Tagen solle diese Zahl noch erhöht werden. Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA hat nach eigenen Angaben ausreichend Vorräte, um die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens "in den nächsten drei Monaten mit Nahrungsmitteln zu versorgen". Nach Angaben der Hamas war auch die "sofortige" Rückkehr von Vertriebenen aus dem Süden des Gazastreifens in die Stadt Gaza und in den Norden vorgesehen.
Expertenregierung und Friedensrat
Die Hamas soll künftig in Gaza keine tragende Rolle mehr spielen. Der Gaza-Plan sieht deshalb eine Technokraten-Regierung aus Fachleuten vor. Die Hamas akzeptiert zwar einen Rückzug aus den politischen Gremien, will in Gaza aber weiter eine "strukturelle Rolle" spielen. Konflikte sind vorprogrammiert.
Ein "Friedensrat" unter Trumps Leitung und mit Beteiligung des früheren britischen Premierministers Tony Blair sowie weiterer Staats- und Regierungschefs soll die Expertenregierung für den Gazastreifen überwachen. Die Hamas lehnt das ab. Auch gibt es im arabischen Raum große Vorbehalte gegen eine Mitwirkung Blairs. Der Ex-Premier hatte für die Boston Consulting Group (BCG) an einem umstrittenen Umsiedlungsplan für Gaza mitgewirkt.
Geberkonferenz
Die Bundesregierung will gemeinsam mit Ägypten zu einer internationalen Wiederaufbaukonferenz für den Gazastreifen einladen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte an, die Bundesregierung werde für humanitäre Soforthilfe zunächst 29 Millionen Euro bereitstellen. In Bezug auf die humanitäre Versorgung der Zivilbevölkerung und den Wiederaufbau des Palästinensergebiets stünden er und Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) in engem Austausch mit den Partnern.
Auch arabische Staaten sind zu Hilfen für den Wiederaufbau bereit. Am Geld wird der Gaza-Plan nicht scheitern.
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP
- csis.org: What comes next for Israels-Hamas ceasefire?
- ft.com: Trump’s Gaza plan hinges on security force yet to take shape (Englisch, Bezahlschranke)














