Krieg in Nahost Trump hinterlässt fragende Gesichter

Die Hamas-Terroristen haben alle noch lebenden israelischen Geiseln freigelassen. Das ist ein großer politischer Erfolg für US-Präsident Donald Trump. Doch der Friedensfürst, als der er sich geriert, ist er noch nicht.
Es ist ein historischer Tag für Israel. Familien liegen sich in den Armen, Menschen jubeln, weinen. Für das traumatisierte Land ist die Freilassung der letzten 20 lebenden israelischen Geiseln, die von den Hamas-Terroristen am 7. Oktober entführt wurden, ein ganz besonderer Moment. Erst jetzt kann die Heilung der Wunden beginnen, die dieser Überfall in die israelische Gesellschaft gerissen hat.
Viele Menschen in Israel danken nun berechtigterweise Donald Trump. Denn in der Tat: Ohne ihn, ohne die USA wäre es wahrscheinlich nicht zu diesem Geiseldeal gekommen. Der US-Präsident hatte massiven Druck auf alle Seiten aufgebaut und ihn so ermöglicht. Viele Aspekte von Trumps Politik verdienen lautstarke Kritik; seine egozentrische Art, sich selbst zu feiern, ist in vielen Momenten unangemessen und abstoßend.
Und doch steht außer Frage: Der Geiseldeal ist Trumps politischer Erfolg. Sollte er tatsächlich einen langfristigen Frieden bringen, das Sterben enden, dann verdient Trump auch den Applaus, den er stets für sich selbst einfordert.
Nur, der Friedensfürst, als der er sich geriert, ist er eben noch lange nicht. Der Austausch der 20 israelischen Geiseln gegen 2.000 palästinensische Gefangene war ein erster wichtiger Schritt. Trump spricht zwar von einem Ende des Krieges und von einer neuen Ära für den Nahen Osten. Aber noch gibt es keine Details zur Zukunft des Gazastreifens und keinen nachhaltigen Frieden in der Region. Die Jubelstürme kommen zu früh.
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Ein erster wichtiger Schritt
Vor Trump, vor Israel und den arabischen Staaten im Nahen Osten liegen noch viel Arbeit und intensive Verhandlungen, die Kompromisse erfordern. Es wird in den kommenden Tagen, Wochen, Monaten auch darum gehen, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Denn der Krieg wurde nicht nur brutal und blutig von der Hamas gestartet, sondern auch von Israel ohne viel Rücksicht auf die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen geführt, es gab Zehntausende Tote.
Trotzdem zählt der US-Präsident diesen Konflikt schon zu den Kriegen, die er beendet haben will. Bei dieser vorschnellen Zuversicht kann man nur hoffen, dass die US-Regierung nun nicht das Interesse am Nahostkonflikt verliert. Das wäre fatal.
Bis hierher hat Trump vieles richtig gemacht, indem er das tat, worauf seine Vorgänger verzichteten. In seiner ersten Amtszeit baute er gute Beziehungen zu Israels Premier Benjamin Netanjahu und zu vielen arabischen Staaten auf. Letzteren versprach er Wirtschafts- und Rüstungsdeals mit den USA und so erreichte er mit den Abraham-Abkommen, dass Länder wie Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Marokko ihre Beziehungen zu Israel normalisierten.
Trump nutzte seine jeweiligen Beziehungen zu den Ländern nun, um Druck auf sie auszuüben. Er bremste erfolgreich Netanjahu, der sonst Gaza-Stadt eingenommen und wahrscheinlich noch Tausende Todesopfer mehr in Kauf genommen hätte. Hinzu kam das richtige Momentum. Israel ist nicht nur militärisch von den USA abhängig, sondern war auch international noch nie so isoliert wie aktuell.
Zeitgleich übten Staaten wie Ägypten, Katar oder die Türkei Druck auf die Hamas aus, weil Trump ihnen Deals mit den USA in Aussicht stellte. Die Hamas ist längst schwach und militärisch im Gazastreifen besiegt. All das kam zusammen und der US-Regierung zugute.
Trump spielt die US-Macht aus
Aber Frieden ist ein großes Wort. Noch zu groß, mit Blick auf die bisherigen Ergebnisse. Die Hamas erklärte schon am Wochenende ihren Unwillen, ihre Waffen abzugeben. Außerdem sind die künftigen Machtverhältnisse im Gazastreifen noch ungeklärt. Die Rede des US-Präsidenten vor der Knesset am Montag war thematisch ein wilder Ritt, auf entscheidende Details ging er allerdings nicht ein.
Eines aber hat Trump erneut deutlich gemacht: Er ist bereit, die wirtschaftliche und militärische Macht der USA skrupellos einzusetzen, um Deals zu erzielen. Hätte sich die Hamas einem Deal verweigert, dann hätte er Netanjahu freie Hand gegeben. Hätte die israelische Regierung an ihren Kriegsplänen festgehalten, hätte der US-Präsident womöglich seine militärische Unterstützung für Israel zurückgefahren. Trump spielt die Macht aus, die die USA als Hegemon haben.
Viele seiner Vorgänger im Weißen Haus hätten das auch gekonnt. Doch sie taten das, was Trump politisch lange Zeit propagierte: Barack Obama oder Joe Biden zogen sich aus internationalen Konflikten zurück und richteten ihre Aufmerksamkeit mehr auf die amerikanische Innenpolitik. Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Trump die USA nun wieder als Weltpolizist positioniert.
Für Europa ist das allerdings nicht ungefährlich. Denn der US-Präsident nutzt die amerikanische Macht auch gegenüber seinen westlichen Partnern – mit Zolldrohungen oder indem er militärische Abhängigkeiten ausnutzt.
Andererseits bietet seine Politik auch Chancen, nicht nur für den Nahen Osten: Würde Trump seine skrupellose Machtpolitik auch gegenüber Kremlchef Wladimir Putin einsetzen, stünden Russland im Krieg in der Ukraine stürmische Zeiten bevor. Dementsprechend kann der heutige Tag in Israel auch als Warnung an Moskau verstanden werden.
- Rede von Donald Trump vor der Knesset am Montag
- Nachrichtenagentur afp








