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Russland sichert seine Militärbasen am Mittelmeer: Putin wittert Morgenluft


Russland wittert Morgenluft
Putin sichert wohl seine wichtigsten Mittelmeerbasen

Eine Analyse von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 19.10.2025Lesedauer: 6 Min.
Wladimir Putin: Der Kreml-Chef kämpft um seinen Einfluss in Syrien.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Der Kremlchef kämpft um seinen Einfluss in Syrien. (Quelle: Grigory Sysoyev/ap)
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Nach dem Sturz von Diktator Baschar al-Assad drohte Russland seinen Einfluss in Syrien zu verlieren. Doch nun die Kehrtwende: Wladimir Putin kann seine wichtigen Militärbasen am Mittelmeer offenbar behalten.

Viele Beobachter waren sich einig: Russlands Tage in Syrien sind gezählt. Nachdem die islamistische Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Milizen im vergangenen Dezember die syrische Armee in die Flucht geschlagen hatten, führte das zum Sturz des Machthabers Baschar al-Assad. Assad war eng mit Kremlchef Wladimir Putin verbündet. Die russische Armee führte jahrelang einen blutigen Luftkrieg, um das Assad-Regime an der Macht zu halten. Ohne Erfolg.

Assad floh nach Moskau, wo er bis heute Zuflucht gefunden hat. Während die russische Armee militärisches Gerät von ihren Stützpunkten in Syrien abzog, machte die HTS-Miliz kein Geheimnis daraus, dass Russland nun in Syrien unerwünscht sei. So fordern die neuen Machthaber in Damaskus von Moskau Reparationszahlungen und die Übergabe von Assad, den man aufgrund seiner Kriegsverbrechen vor Gericht stellen möchte.

Danach wurde es in den vergangenen Monaten ruhig mit Blick auf die Lage in Syrien. Westliche Politiker fokussierten sich auf die Kriege in Gaza und in der Ukraine. Auch deutsche Regierungsmitglieder konnten im Sommer nicht nach Damaskus reisen, weil die Lage zwischen Israel und dem Iran eskalierte.

Nun hat die syrische Übergangsregierung eine plötzliche Kehrtwende vollzogen – Damaskus und Moskau nähern sich politisch wieder an.

Der syrische Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa will die Beziehungen seines Landes zu Russland neu aufstellen, besuchte am Mittwoch Moskau für einen Antrittsbesuch. Putin dagegen wittert Morgenluft: Er kann in Syrien nun offenbar ein Comeback feiern.

Für Russland geht es um Schadensbegrenzung, und die Hürden dafür sind noch immer hoch. Während Putin eine unverhoffte Chance bekommt, droht dem Westen in Syrien erneut eine Niederlage.

Momentum spielt Russland in die Karten

In Moskau öffnete al-Scharaa am Mittwoch dem Kreml die Tür. "Wir versuchen, die Natur dieser Beziehungen in einer neuen Weise wiederherzustellen und zu definieren", sagte der syrische Übergangspräsident. Dabei gehe es darum, dass Syrien "unabhängig und souverän bleibt und seine territoriale Einheit und Integrität sowie seine Sicherheit und Stabilität gewahrt bleiben". Putin betonte daraufhin die "besonderen Beziehungen", die beide Länder "über viele Jahrzehnte" aufgebaut hätten. "Wir respektieren alle unsere früheren Vereinbarungen."

Dass dieses Treffen überhaupt zustande kam, ist für sich genommen schon höchst bemerkenswert. Immerhin erkennt Putin damit indirekt die neuen Machtverhältnisse in Syrien an, trotz seines engen Bündnisses mit Assad. Die Ausführungen von al-Scharaa sind ebenso überraschend gemäßigt, obwohl die russische Armee viele Jahre der Kriegsgegner war.

Wie hat Putin das geschafft? Das Momentum scheint dem Kreml mit Blick auf Syrien in die Karten zu spielen:

  • Russische Diplomaten reagierten rasch auf die neuen Machtverhältnisse in Syrien und bauten Kontakte zu den Machthabern in Damaskus auf.
  • Russland profitiert von der Wahrnehmung Russlands in Syrien als Großmacht und von al-Scharaas Wunsch, positive Beziehungen zu allen externen Regierungen aufzubauen.
  • Die neue syrische Führung hofft auf russische Energie, Getreide, freundliche Stimmen bei den Vereinten Nationen – und womöglich auf Waffen.
  • Mit der Einbindung Russlands möchte al-Scharaa auch ehemalige Assad-Anhänger dazu bewegen, die neuen Machtverhältnisse zu akzeptieren.
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Auch international sehen viele Akteure Russland als Schutzschild in Syrien. Sowohl Israel als auch die Türkei rechnen damit, dass Putins Einfluss genutzt werden könnte, um zu verhindern, dass das jeweils andere Land zu stark wird. Die syrische Führung sieht derweil den Westen an der Seite Israels; die israelische Armee hat nach dem Machtwechsel in Damaskus weitere Teile von Syrien besetzt.

Die Kurden möchten indes nicht alles auf eine Karte setzen: Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) – eine kurdisch-dominierte Miliz – wollen auch Russland auf ihrer Seite haben, falls die USA sie im Stich lassen oder Damaskus versucht, ihre Hoffnungen auf Autonomie zunichtezumachen. All das bringt Putin wieder ins Spiel.

Putin kämpft um Stützpunkte

Zunächst einmal scheint vorerst vom Tisch zu sein, dass Russland seine Nutzungsberechtigung für seine Militärstützpunkte in Syrien verliert. "Die syrische Seite ist daran interessiert, unsere Militärbasen zu erhalten", erklärte der russische Außenminister Sergei Lawrow gegenüber Journalisten aus arabischen Ländern, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS vergangene Woche berichtete.

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Die russische Armee zog zwar Soldaten, Flugabwehrsysteme und Kampfflugzeuge aus Syrien ab und fing an, seine Militärstützpunkte in Bengasi und Tobruk im Osten Libyens auszubauen. Trotzdem hielt Moskau auch an seinen wichtigsten Basen an der syrischen Küste – dem Marinestützpunkt Tartus und dem Luftwaffenstützpunkt Hmeimim – fest. Russische Soldaten haben sich sogar im Nordosten des Landes verschanzt.

Für Russland sind die syrischen Stützpunkte von einer großen strategischen Bedeutung. Vor allem der Tiefseehafen in Tartus ist der einzige seiner Art, den Russland am Mittelmeer besitzt. Experten rechnen nicht damit, dass die Basen in Libyen in naher Zukunft einen Wegfall der syrischen Stützpunkte hätten kompensieren können.

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Nun könnte vorerst ein Kompromiss gefunden worden sein. Der russische Außenminister Lawrow deutete an: "Es ist klar, dass diese Basen unter den neuen Umständen eine andere Rolle spielen könnten und nicht nur militärische Außenposten wären." Als Beispiel nannte er humanitäre Drehscheiben für Hilfsgüter nach Afrika, insbesondere in die Sahara-Sahel-Zone.

Konflikte hinter den Kulissen

Für den Kreml ist also die gegenwärtige Annäherung ein Erfolg, während eine Mehrheit der westlichen Regierung sehr zuversichtlich schien, dass Russland die Zukunft Syriens nicht wirklich wird mitgestalten können. Aber ein Selbstläufer ist die Annäherung zwischen Moskau und Damaskus für Putin nicht.

Wirtschaftlich kommt Russland der neuen syrischen Führung entgegen. Moskau erklärte sich bereit, beim Wiederaufbau des durch den langen Bürgerkrieg zerstörten Landes zu helfen – etwa bei der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und der Wiederherstellung der Energiesysteme. Zudem sollen russische Unternehmen auch weiterhin bei der Erdölgewinnung in Syrien unterstützen – wovon beide Länder profitieren werden.

Hinter der harmonischen Fassade bei dem Treffen in der russischen Hauptstadt steckt aber weiterhin Konfliktpotenzial. Hinter den Kulissen wurde auch gestritten, hieß es in diplomatischen Kreisen. So verlautete vorab aus syrischen Regierungskreisen, dass al-Scharaa die Auslieferung des gestürzten syrischen Ex-Machthabers Baschar al-Assad fordern werde.

"Al-Scharaa wird den russischen Präsidenten bitten, alle Personen auszuliefern, die Kriegsverbrechen begangen haben und die sich in Russland befinden, insbesondere Baschar al-Assad", teilte ein syrischer Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte, der Nachrichtenagentur AFP mit. Anfang der Woche bestätigte der russische Außenminister Sergej Lawrow, dass sich Assad nach wie vor in Moskau aufhält. "Wir haben Baschar al-Assad und seiner Familie aus rein humanitären Gründen Asyl gewährt. Er hat keine Probleme damit, in unserer Hauptstadt zu wohnen."

So lebt Assad in Moskau

Der Preis für den ehemaligen syrischen Machthaber: Schweigen. Assad sitzt in Moskau in einem goldenen Käfig, geschützt vom russischen Geheimdienst FSB, umgeben von Leibwächtern und Luxus. Aber er und seine Familie dürfen nicht öffentlich reden.

Damit sichert sich Putin das Informationsmonopol über die Geschehnisse im syrischen Bürgerkrieg. So verhindert der Kreml, dass Assad etwa gegenüber einem westlichen Journalisten Details zu den Giftgasangriffen auf die syrische Zivilbevölkerung oder über das russische Bombardement von Aleppo ausplaudert.

Stattdessen soll Assad in einer von 20 Nobelwohnungen in einem 300 Meter hohen Hochhaus der "Moskwa City" leben, wie die "Zeit" kürzlich recherchiert hat. Er soll seine Wohnung kaum verlassen, sich mit Online-Computerspielen beschäftigen. Seiner Frau Asma gehe es schlecht, ihr gesundheitlicher Zustand sei ernst.

Erst im Jahr 2018 überstand sie eine Brustkrebserkrankung, aber der Krebs kam im Frühling 2024 als Leukämie zurück. Assads jüngerer Bruder Maher soll in Moskau im Hotel "Four Seasons" leben und vor allem viel Alkohol trinken und Shisha rauchen. Mit dem Assad-Clan sollen Hunderte seiner Offiziere nach Russland geflohen sein. Während die Wohlhabenden in Moskau leben, mussten die Ärmeren nach Sibirien, schreibt die "Zeit".

Assad ist für Putin also zum Ballast geworden, politischen Nutzen zieht er kaum mehr aus der Beziehung zum ehemaligen Machthaber in Syrien. Trotzdem gilt es als unwahrscheinlich, dass Moskau ihn ans Messer liefert. Immerhin erwartet Assad in Syrien wahrscheinlich die Todesstrafe und der Kreml möchte nicht das Signal in die Welt senden, dass Russland seine autokratischen Verbündeten im Ernstfall fallen lässt.

Verwendete Quellen

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