Weltpolitische Wende Frieden – um jeden Preis

Ob im Gazastreifen oder im Ukraine-Krieg. Mit Trump hat ein neuer Typ Friedensstifter die Weltbühne betreten: machtbewusst, illiberal und vermeintlich effizient. Doch seine Lösungen bergen gravierende Gefahren.
Erneut beherrscht Donald Trump die Weltbühne mit einem großen Friedensversprechen. Nach dem verhandelten Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas hat Trump einen vielversprechenden nächsten Schritt in Richtung einer Lösung für den Ukraine-Krieg angekündigt.
Nach dem ersten Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Alaska plant der US-Präsident nun ein weiteres in Budapest. Gastgeber soll Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sein, der sein Land darum bereits als "Insel des Friedens" bezeichnet. Das Versprechen: den Krieg in der Ukraine zu beenden.
Ein historischer Frieden im Nahen Osten und bald auch in der Ukraine? Zwar muss sich noch zeigen, ob das wirklich gelingt. Aber die geopolitischen Entwicklungen der vergangenen Wochen führen zu einer unbequemen Frage: Sind Autokraten oder Politiker, die mit der Autokratie flirten, womöglich die besseren Friedensstifter als demokratische Führer? Länder wie jene der Europäischen Union scheinen jedenfalls machtlos am Rand zu stehen.
Fragwürdige Friedensstifter
So hoffnungsvoll die diplomatisch unkonventionellen Friedensbemühungen von Trump erscheinen mögen, so beunruhigend sind sie zugleich: Ausgerechnet politische Akteure, die seit Jahren dabei sind, demokratische und völkerrechtliche Normen auszuhöhlen, loben sich nun selbst als Friedensbringer oder werden als solche gefeiert.
Viktor Orbán etwa hat Teile der ungarischen Justiz entmachtet, die Medien geschliffen und zuletzt im Mai dieses Jahres den Internationalen Strafgerichtshof verlassen, um Politiker wie Putin oder Netanjahu vor Verfolgung im eigenen Land zu schützen. Er inszeniert sich nun dank Trump als Vermittler. Jener Mann, der in der Europäischen Union regelmäßig finanzielle und militärische Hilfen für die Ukraine blockiert hat.
Auch der Autokrat Recep Tayyip Erdoğan, lange ziemlich isoliert, ist unter Trump wieder ein zentraler Akteur, zuletzt beim Friedensdeal im Nahen Osten. Benjamin Netanjahu, innenpolitisch angeschlagen und ebenfalls dabei, die Justiz zu entmachten, darf sich dank Trump sicherer denn je fühlen. Und auch der US-Präsident ist im eigenen Land wegen seiner autoritären Agenda in der Kritik.
Heiligt der Zweck am Ende also die Mittel? Schlägt das Argument Frieden am Ende alles, weil alles besser ist als Krieg?
Die Macht der "starken Männer"
Die nüchterne Wahrheit: Die "starken Männer" scheinen sich prächtig zu verstehen.
Ihr Handeln ist geprägt von Macht, nicht von Moral. Sie schließen Deals, wo andere scheinbar ergebnislos debattieren. Diplomatie ist für sie eine knallharte und kurzfristige Transaktion und keine komplexe Strategie. Sie möchten sich nicht vor Parlamenten rechtfertigen, nicht vor den Medien, nicht vor den Wählern. Sie können schnell handeln, glaubhaft drohen, indem sie Regeln und Normen ignorieren – gerade in den eigenen Ländern.
In einer Welt, in der moralische Autorität offenkundig an Gewicht verliert und Autokratien auf dem Vormarsch sind, kann das erstaunlich wirksam sein. Die Hamas-Terroristen nutzten die "Empathie" des Westens aus – verstehen nun aber offenbar Trumps harte Logik: Gib du mir, dann geb ich dir oder ich mach dich platt. Auch Putin nimmt Trump ernster als den übrigen Westen, zumindest dem Anschein nach.
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Die Lähmung der Demokratien
Der Westen hingegen scheint gefangen zu sein in seiner moralischen Unentschiedenheit.
Die USA unter Joe Biden etwa predigten stets, Konflikte dürften nicht eskalieren. Doch auch nach Jahren der gegen Russland verhängten Sanktionen und "unerschütterlicher Unterstützung" mit oft zögerlichen Waffenlieferungen war in der Ukraine kein Frieden in Sicht. Auch im Gazastreifen verschlimmerte sich die humanitäre Lage. Die EU wiederum diskutiert, benötigt viel Zeit dafür und handelt, wenn sie sich denn einig wird, oft zaghaft. Die UN können Empörung letztlich nur inszenieren, weil sie im Sicherheitsrat von den Großmächten blockiert ist.
Was Demokratien stark macht, ist die Rechenschaft den eigenen Prinzipien und auch ihren Bevölkerungen gegenüber. In einer Welt voller Krisen scheint das aber zu einer Schwäche zu werden. Liberale Gesellschaften müssen Fragen stellen, Autokraten können diktieren. Demokratien laufen immer Gefahr, dass die öffentliche Meinung kippt oder Koalitionen zerbrechen. Allmacht-Inhaber hingegen setzen durch, was sie wollen.
Auch Demokratien haben schon immer knallharte Interessen verfolgt, sie aber zunehmend hinter scheinbarer Rücksichtnahme versteckt. Die Geschichte der USA und des Westens ist voll von solcher Doppelmoral. Die neue autoritäre Rücksichtslosigkeit von Trump wirkt da fast ehrlicher als der scheinheilige westliche Idealismus. Aber ist das darum schon der bessere Weg?
Der Preis des Friedens ohne Gerechtigkeit
Die Bewunderung für die "autoritären Friedensstifter" ist gefährlich kurzsichtig.
Denn Frieden, den Autokraten schließen, ist selten ein Frieden für das Volk. Er bringt vielleicht schnelle Ruhe, aber womöglich eine trügerische. Er stellt vielleicht Ordnung her, aber keine Gerechtigkeit.
Im Gazastreifen zeigt sich schon wenige Tage nach dem großen Friedensgetöse von Trump ein schauerliches Bild: Die Hamas-Terroristen ermorden nun vermeintliche Kollaborateure in der eigenen Bevölkerung und halten sich nicht an die Vereinbarungen. Dass Trump und Netanjahu schon jetzt mit Wiederaufnahme der Kämpfe drohen, spricht Bände.
Wenn Trump und Putin sich bald auch in Budapest die Hand geben, könnte das vielleicht ein Ende des Kriegs zumindest ein Stück näherbringen. Es könnte aber auch eine Hinhaltetaktik Putins sein, mit der er sich wie schon mit dem Gipfel von Alaska erneut wertvolle Zeit kauft, um weiter die ukrainischen Städte und deren Einwohner zu bombardieren.
Vorsicht ist daher geboten, spektakuläre Ankündigungen und kurzfristige Waffenstillstände allzu voreilig mit nachhaltigem Frieden gleichzusetzen. Man sollte genau hinschauen, wer von diesen Deals profitiert und sich selbst bereichert.

Ein gefährlicher neuer Normalzustand
Doch die Welt scheint in ein Zeitalter einzutreten, in dem kriegsmüde Gesellschaften, gerade demokratische, offenbar jeden Frieden akzeptieren. Selbst, wenn ihn Feinde der Freiheit aushandeln. Sollten diese "illiberalen Friedensstifter" dort Erfolg haben, wo Demokratien scheinbar versagen, wird das zur Gefahr für diese. Denn das Signal lautet: Alleinherrscher sind die besseren Anführer.
Die Frage ist also nicht, ob Autokraten Frieden schaffen können – das können sie, solange sie sich nicht ins Gehege kommen. Sondern, ob Demokratien noch die Kraft finden, Frieden zu schaffen, ohne ihre Prinzipien zu verraten.
Ein erster wichtiger Schritt wäre, sich ehrlich zu machen, die eigenen Interessen klar zu benennen, zu vertreten und sie nicht hinter angreifbarer Moral zu verstecken. Das bedeutet vor allem Klartext reden, statt diplomatischer Floskeln. Ein zweiter Schritt muss sein: geeint und stark aufzutreten. Denn wer im autokratischen Machtpoker mitspielen will, benötigt ein gutes Blatt – militärisch und politisch.
- Eigene Überlegungen






