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Ankara: Erdoğan und Merz geraten über Gaza-Krieg aneinander


Kritik von SPD und Grünen an Kanzler
Erdoğan widerspricht Merz auf offener Bühne

Von dpa
Aktualisiert am 30.10.2025Lesedauer: 3 Min.
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Im Video: Sie widersprachen einander öffentlich. (Quelle: t-online)
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Der türkische Präsident und der Bundeskanzler demonstrieren in Ankara Einigkeit, doch dann geht es um das Thema Gaza: zwei Weltsichten prallen aufeinander. In der Heimat gibt's Kritik – auch vom Koalitionspartner.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sind auf offener Bühne über den Gaza-Krieg aneinandergeraten. Während Merz sich klar an die Seite Israels stellte, warf Erdoğan dem Land bei einer gemeinsamen Pressekonferenz erneut "Völkermord" vor.

Israel habe trotz des Waffenstillstands wieder Ziele in Gaza angegriffen, sagte Erdoğan in Ankara. "Sie greifen Gaza nicht nur an, sondern waren stets darauf bedacht, Gaza mit Hunger und Genozid gefügig zu machen und das dauert immer noch an."

Erdoğan reagierte damit auf die Äußerung von Bundeskanzler Merz, der – von einem türkischen Journalisten auf den Gaza-Krieg angesprochen – sagte: Israel sei ein Zufluchtsort für Millionen Jüdinnen und Juden geworden, darunter viele, die den Holocaust überlebt hätten. "Deswegen wird es immer so sein, dass Deutschland fest an der Seite des Staates Israel steht", so Merz.

Erdoğan: Kann Merz nicht zustimmen

"Israel hat von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch gemacht und es hätte nur einer einzigen Entscheidung bedurft, um auch die zahllosen unnötigen Opfer zu vermeiden. Die Hamas hätte die Geiseln früher freilassen sollen und die Waffen niederlegen müssen. Dann wäre dieser Krieg sofort zu Ende gewesen", sagte der Bundeskanzler.

Erdoğan sagte daraufhin, er könne Merz "leider nicht zustimmen". Die Hamas habe keine Nuklearwaffen und keine Bomben, aber Israel verfüge über all diese Waffen und habe Gaza trotz des Waffenstillstands wieder bombardiert.

Die Türkei verfügt über gute Kontakte zur islamistischen Terrororganisation Hamas. Bei der Vermittlung der Waffenruhe im Gazastreifen vor gut zwei Wochen hatte Ankara eine wichtige Rolle gespielt.

Die damals besiegelte Waffenruhe ist inzwischen brüchig. Offen ist noch, wie die nächsten Schritte im Friedensprozess umgesetzt werden können. Dazu gehört unter anderem die Entwaffnung der islamistischen Hamas. Merz sagte: "Wir wünschen uns, dass die Türkei weiter auch ihre Möglichkeiten ausschöpft, etwa indem sie die Hamas dazu veranlasst, nun auch in die zweite Phase dieses Abkommens einzutreten."

Merz: An gutem Verhältnis "führt kein Weg vorbei"

Bei dem Treffen bot Merz der Türkei dennoch eine Vertiefung der beiderseitigen Beziehungen an. "Als Deutsche und als Europäer müssen wir unsere strategischen Partnerschaften ausbauen. Und dabei führt kein Weg an einer guten und vertieften Partnerschaft mit der Türkei vorbei", sagte er in Ankara.

Heftige Kritik aus der SPD und von den Grünen

"Lassen Sie uns das enorme Potenzial unserer Beziehungen in den kommenden Monaten und Jahren noch besser nutzen", so Merz. Der Kanzler nannte die Verbindung zwischen Deutschland und der Türkei "in einer einzigartigen Weise breit und tief".

Merz sicherte Erdoğan deutsche Unterstützung bei der angestrebten EU-Mitgliedschaft der Türkei zu. "Ich sehe persönlich und die Bundesregierung sieht die Türkei eng an der Seite der Europäischen Union. Wir wollen den Weg nach Europa weiter ebnen." Er setze sich auch für einen strategischen Dialog mit der Türkei auf europäischer Ebene ein.

Merz wies zugleich auf die Kopenhagener Kriterien für eine Aufnahme in die EU hin und sagte: "Es sind in der Türkei Entscheidungen getroffen worden, die noch nicht den Ansprüchen genügen im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, so wie wir sie aus der europäischen Sicht verstehen." Darüber sei man im Dialog.

SPD und Grüne kritisieren Merz

Doch aus der Heimat kam heftige Kritik an Merz. "Wer in Ankara über europäische Perspektiven spricht, darf über die menschenrechtliche Realität im Land nicht schweigen", sagte der Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Serdar Yüksel (SPD), dem "Focus". "Schweigen aus diplomatischem Kalkül mag bequem sein, aber es ist kein Beitrag zu einer echten europäischen Perspektive für die Türkei."

Die europäischen Werte "müssen auch im Gespräch mit schwierigen Partnern verteidigt werden", sagte der Sozialdemokrat. Demokratische Kräfte, die derzeit in der Türkei unter Druck stünden, erwarteten von Deutschland und Europa eine "klare Haltung", so Yüksel.

Auch der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Max Lucks, kritisierte Merz. "Entweder ignoriert Merz die gesamte Realität in der Türkei oder er genießt es, sich eigenmächtig einen Maulkorb aufzusetzen", sagte der Grünen-Abgeordnete. Seine Bilanz: "Merz sagt nichts dazu, dass Präsident Erdoğan seit Jahren mit seiner politisierten Justiz gegen die eigene demokratische Opposition vorgeht."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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