Ausnahmezustand in Georgien Prorussische Regierung will Opposition zerschlagen

Eigentlich gelten die Kommunalwahlen in Georgien als unbedeutend. Aktuell lösen sie aber heftige Massenproteste aus. Der Regierungschef spricht von einem "Putschversuch".
Nach den massiven regierungskritischen Protesten bei den Kommunalwahlen in Georgien hat die prorussische Regierung die Zerschlagung der Oppositionsbewegung angekündigt. Regierungschef Irakli Kobachidse sprach von einem "Putschversuch" der Opposition und kündigte am Sonntag weitere Festnahmen und Verurteilungen an. Die Oppositionsbewegung, die Kobachidse als "Netzwerk ausländischer Agenten" bezeichnete, dürfe "nicht länger in der georgischen Politik aktiv sein".
Nach den Wahlen am Samstag hatten zehntausende Menschen gegen die Regierung protestiert, einige versuchten auch, in den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Tiflis einzudringen. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
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"Mehrere Personen wurden bereits festgenommen – allen voran die Organisatoren des Putschversuchs", sagte der Regierungschef von der russlandfreundlichen Partei Georgischer Traum. "Niemand wird ungestraft davonkommen", fügte Kobachidse hinzu, der "ausländische Geheimdienste" beschuldigte, hinter den Protesten zu stecken, ohne diese Aussagen zu belegen.
Regierung spricht von "Aufrufen zum gewaltsamen Umsturz"
Bei den von Teilen der Opposition boykottierten Kommunalwahlen am Samstag hatte der Georgische Traum nach offiziellen Angaben einen klaren Sieg eingefahren. Der zentralen Wahlkommission zufolge errangen die Kandidaten der Regierungspartei Erdrutschsiege bei allen Bürgermeister-Wahlen.
Zehntausende Menschen gingen daraufhin auf die Straße. In Tiflis versuchte eine Gruppe von pro-europäischen Demonstranten, in den Präsidentenpalast einzudringen. Außerdem setzten Protestierende Barrikaden in Brand.
Das georgische Innenministerium erklärte, es habe wegen "Aufrufen zum gewaltsamen Umsturz" Ermittlungen gegen fünf Protest-Anführer eingeleitet. Ihnen drohen laut Vize-Innenminister Alexander Darakwelidse bis zu neun Jahre Gefängnis.
Opposition und Demonstranten werfen der Regierung in Tiflis vor, sich Russland anzunähern und sich von der EU und ihren demokratischen Standards abzuwenden. Die Regierung weist dies zurück.
Ex-Präsident: "Letzte Chance" zur Rettung der Demokratie
Die normalerweise eher unbedeutenden Kommunalwahlen der Kaukasusrepublik fanden inmitten einer angespannten politischen Lage statt: Im Vorfeld der Wahlen hatten Teile der Opposition zum Boykott und zum Protest aufgerufen. Der inhaftierte Ex-Präsident Michail Saakaschwili rief seine Anhänger auf, so "die letzte Chance" zur Rettung der georgischen Demokratie zu nutzen. Allerdings waren nicht alle Oppositionsparteien dem Boykottaufruf gefolgt. Die ohnehin zersplitterte Opposition hatte sich in dieser Frage weiter zerstritten.
Für die Regierungspartei Georgischer Traum war die Wahl der erste wichtige Stimmungstest nach der umstrittenen Parlamentswahl vor einem Jahr. Nachdem sich der Georgische Traum nach der Wahl vom Oktober 2024 zum Sieger erklärt hatte, protestierten monatelang zehntausende Regierungsgegner.
Menschenrechtsgruppen zufolge waren in Georgien im vergangenen Jahr etwa 60 Menschen inhaftiert worden, darunter einflussreiche Oppositionelle, Journalisten und Aktivisten. Laut Amnesty International fanden die Kommunalwahlen in einem Klima der "politischen Unterdrückung" statt.
Die Partei Georgischer Traum weist die Vorwürfe zurück. Sie schütze die "Stabilität" des Kaukasuslandes mit vier Millionen Einwohnern und verteidige Georgien gegen einen angeblich vom Westen unterstützten "tiefen Staat", der das Land mithilfe der Oppositionsparteien in den Ukrainekrieg hineinziehen wolle.
Europäische Union übt scharfe Kritik
Die EU übte inzwischen massive Kritik an den jüngsten Kommunalwahlen in der Schwarzmeer-Republik. Die Wahl am Samstag sei "inmitten einer Phase umfassender Repressionen" gegen die Opposition erfolgt, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas und der Erweiterungsbeauftragten Marta Kos. "Monatelange Razzien gegen unabhängige Medien, Gesetze gegen die Zivilgesellschaft, die Inhaftierung von Oppositionellen und Aktivisten sowie Änderungen des Wahlgesetzes zugunsten der Regierungspartei haben die Möglichkeit fairer Wahlen drastisch eingeschränkt."
Angesichts möglicher neuer Massenproteste gegen die Regierung riefen Kallas und Kos zu Ruhe und Zurückhaltung auf und forderten die georgischen Behörden auf, das Recht ihrer Bürger auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu wahren.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa




