Der 20-Punkte-Plan Trump setzt alles auf eine Karte

Israel und die Hamas verhandeln über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg. Grundlage der Gespräche ist Donald Trumps 20-Punkte-Plan, der jedoch nicht nur Frieden schaffen, sondern auch Gaza grundlegend umbauen soll.
Inhaltsverzeichnis
In Ägypten haben indirekte Gespräche zwischen Israel und der Hamas über den Friedensplan von Donald Trump begonnen. Diesen hatte der US-Präsident gemeinsam mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu am vergangenen Montag vorgestellt. Vermittler verhandeln derzeit in Scharm El-Scheich über eine Freilassung der überlebenden Geiseln, einen Waffenstillstand und einen Truppenrückzug der israelischen Armee.
Trump erhöht unterdessen den Druck: Die erste Phase müsse diese Woche abgeschlossen werden, schrieb er auf seiner Plattform Truth Social. Sollte sich die Hamas verweigern, warnte Trump vor einem "massiven Blutvergießen". Die USA, Israel und Vermittler aus der Region setzen auf eine schnelle Einigung. Noch in dieser Woche könnte eine Waffenruhe in Kraft treten.
Doch der 20-Punkte-Plan birgt einige Hürden, die eine Umsetzung schwierig bis unmöglich machen. t-online gibt einen Überblick und eine Analyse über mögliche Streitpunkte.
- "Im Grunde irrelevant geworden": Netanjahu findet deutliche Worte für Europa
- Nach Verhaftung: Haben israelische Sicherheitskräfte Greta Thunberg misshandelt?
Alle 20 Punkte des Trump-Plans im Überblick
- Gaza soll eine entradikalisierte, terrorfreie Zone werden, die keine Bedrohung für ihre Nachbarn darstellt.
- Gaza wird zum Nutzen der Bevölkerung in Gaza, die mehr als genug gelitten hat, neu aufgebaut.
- Wenn beide Seiten diesem Vorschlag zustimmen, wird der Krieg sofort enden. Israelische Streitkräfte werden sich auf die vereinbarte Linie zurückziehen, um eine Freilassung der Geiseln vorzubereiten. Während dieser Zeit werden alle militärischen Operationen, einschließlich Luft- und Artilleriebeschuss, ausgesetzt, und die Frontverläufe bleiben eingefroren, bis die Bedingungen für den vollständigen, schrittweisen Rückzug erfüllt sind.
- Innerhalb von 72 Stunden nach Israels öffentlicher Zustimmung zu diesem Abkommen werden alle Geiseln, lebend und gestorben, zurückgegeben.
- Sobald alle Geiseln freigelassen sind, wird Israel 250 Gefangene mit lebenslangen Strafen sowie 1.700 Gaza-Bewohner freilassen, die nach dem 7. Oktober 2023 festgenommen wurden, einschließlich aller Frauen und Kinder, die in diesem Zusammenhang festgenommen wurden. Für jede israelische Geisel, deren sterbliche Überreste freigegeben werden, wird Israel die Überreste 15 verstorbener Bewohner Gazas freigeben.
- Sobald alle Geiseln zurückgegeben sind, werden Hamas-Mitglieder, die sich zu friedlicher Koexistenz und zur Niederlegung (Dekommissionierung) ihrer Waffen verpflichten, amnestiert. Hamas-Mitgliedern, die Gaza verlassen wollen, wird ein sicherer Durchgang in aufnehmende Länder gewährt.
- Nach Annahme dieses Abkommens wird sofort umfassende Hilfe in den Gazastreifen geschickt. Die Hilfsgütermenge entspricht mindestens dem, was in der Vereinbarung vom 19. Januar 2025 über humanitäre Hilfe festgelegt wurde, einschließlich der Wiederherstellung der Infrastruktur (Wasser, Strom, Abwasser), der Wiederherstellung von Krankenhäusern und Bäckereien sowie der Einfuhr notwendiger Ausrüstung zur Trümmerbeseitigung und Öffnung von Straßen.
- Die Einfuhr und Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen erfolgen ohne Einmischung der beiden Parteien über die Vereinten Nationen, den Roten Halbmond sowie andere internationale Institutionen, die in keiner Weise mit einer der Parteien in Verbindung stehen. Die Öffnung des Rafah-Übergangs in beide Richtungen unterliegt demselben Mechanismus wie im Abkommen vom 19. Januar 2025.
- Gaza wird von einer vorübergehenden Übergangsregierung eines technokratischen, unpolitischen palästinensischen Komitees regiert. Dieses Komitee besteht aus qualifizierten Palästinensern und internationalen Experten und wird vom internationalen "Board of Peace" beaufsichtigt, dessen Vorsitz US-Präsident Donald Trump übernimmt. Weitere Mitglieder und Staatschefs, darunter Tony Blair, werden noch bekannt gegeben. Das Gremium soll die Verwaltung so lange übernehmen, bis die Palästinensische Autonomiebehörde ein Reformprogramm abgeschlossen hat und die Kontrolle über Gaza sicher und effektiv zurückgewinnen kann.
- Ein Trump-Wirtschaftsentwicklungsplan zum Wiederaufbau und zur Belebung Gazas wird durch ein Gremium von Experten erstellt, die an der Entstehung einiger der florierenden modernen "Wunderstädte" im Nahen Osten beteiligt waren. Viele durchdachte Investitionsvorschläge und aufregende Entwicklungspläne internationaler Gruppen werden berücksichtigt, um Arbeitsplätze, Chancen und Hoffnung für das künftige Gaza zu schaffen.
- Eine Sonderwirtschaftszone wird eingerichtet, mit bevorzugten Zollsätzen und Zugangsbedingungen, die mit teilnehmenden Ländern ausgehandelt werden.
- Niemand wird gezwungen, Gaza zu verlassen. Wer gehen möchte, kann dies tun und jederzeit zurückkehren. Ziel ist es, die Menschen zu ermutigen, zu bleiben und gemeinsam ein besseres Gaza aufzubauen.
- Hamas und andere Fraktionen erklären sich bereit, keinerlei Rolle in der Verwaltung Gazas zu übernehmen – weder direkt noch indirekt. Alle militärischen, terroristischen und offensiven Infrastrukturen, einschließlich Tunnel und Waffenproduktionsstätten, werden zerstört. Ein Prozess der Demilitarisierung unter internationaler Aufsicht wird durch ein Rückkauf- und Reintegrationsprogramm unterstützt.
- Regionale Partner garantieren, dass die Hamas und andere Fraktionen ihre Verpflichtungen einhalten und dass das neue Gaza keine Bedrohung darstellt.
- Die USA werden mit arabischen und internationalen Partnern zusammenarbeiten, um eine internationale Stabilisierungstruppe (ISF) aufzubauen, die unmittelbar nach Zustimmung zum Plan in Gaza stationiert werden kann. Diese Truppe wird palästinensische Polizeikräfte auswählen, ausbilden und unterstützen und die langfristige Lösung für die innere Sicherheit sein. Jordanien und Ägypten sollen beratend eingebunden werden. Die ISF wird mit Israel und Ägypten zusammenarbeiten, um bei der Sicherheit von Grenzgebieten zu helfen, zusammen mit neu ausgebildeten palästinensischen Polizeikräften. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Lieferung von Munition nach Gaza zu verhindern und einen schnellen und sicheren Warenfluss für den Wiederaufbau und die Wiederbelebung Gazas zu erleichtern. Die Parteien werden sich auf einen Mechanismus zur Konfliktvermeidung einigen.
- Israel wird Gaza nicht besetzen oder annektieren. Die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) ziehen sich in Absprache mit der ISF und internationalen Partnern schrittweise zurück, sobald Stabilität hergestellt ist. In der Praxis wird die IDF das von ihr besetzte Gebiet Gaza schrittweise an die ISF übergeben. Dies erfolgt gemäß einer Vereinbarung mit der Übergangsbehörde, bis sich die IDF vollständig aus Gaza zurückgezogen hat. Ausgenommen hiervon ist die militärische Präsenz in einem Sicherheitsperimeter, die so lange bestehen bleibt, bis Gaza ausreichend vor einer erneuten Terrorgefahr geschützt ist.
- Sollte die Hamas den Vorschlag verzögern oder ablehnen, werden die geplanten Maßnahmen in den terrorfreien Gebieten umgesetzt, die von der IDF an die ISF übergeben wurden.
- Es wird ein interreligiöser Dialogprozess auf der Grundlage der Werte Toleranz und friedliche Koexistenz eingerichtet, um zu versuchen, die Denkweisen und Narrative von Palästinensern und Israelis zu verändern, indem die Vorteile hervorgehoben werden, die sich aus dem Frieden ergeben können.
- Während der Wiederaufbau Gazas voranschreitet und das Reformprogramm der Palästinensischen Autonomiebehörde gewissenhaft umgesetzt wird, könnten endlich die Voraussetzungen für einen glaubwürdigen Weg zur Selbstbestimmung und Staatlichkeit der Palästinenser geschaffen werden, die wir als das Bestreben des palästinensischen Volkes anerkennen.
- Die Vereinigten Staaten werden einen Dialog zwischen Israel und den Palästinensern einleiten, um sich auf einen politischen Horizont für friedliches Zusammenleben zu verständigen.
Wo der Plan haken könnte
Politisch verlangt der Plan tiefgreifende Zugeständnisse von beiden Seiten. Israel weigert sich bislang, überhaupt über die Gründung eines palästinensischen Staates zu verhandeln. Punkt 19 des Vorschlags skizziert jedoch eine Perspektive auf palästinensische Selbstbestimmung.
Auch aufseiten der Hamas regt sich Widerstand: Die Organisation hat zwar signalisiert, Teilen des Vorschlags zuzustimmen, eine vollständige Entwaffnung aber bislang nicht akzeptiert – obwohl genau das im Zentrum des Plans steht. Dass die Hamas damit ihre eigene Entmachtung besiegeln würde, macht eine Einigung umso unwahrscheinlicher.
Gleichzeitig würde mit dem Plan ein politisches Vakuum entstehen. Weder die Hamas noch die im Westjordanland sitzende Palästinensische Autonomiebehörde sollen vorerst eine Rolle in der Verwaltung Gazas spielen. Stattdessen soll ein neues technokratisches Gremium eingesetzt werden, das unter internationaler Aufsicht agiert. Ob eine solche Konstruktion unter Kriegsfolgen, Besatzungsdruck und ohne demokratische Legitimation tragfähig ist, ist unklar.
Zugleich hebt der Plan einen früher besonders umstrittenen Aspekt auf: Eine Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung, die Trump in früheren Phasen nicht ausgeschlossen hatte, ist in der aktuellen Version explizit nicht mehr vorgesehen. Stattdessen sollen die Menschen bleiben dürfen, freiwillig ausreisen oder zurückkehren können.
Auch wirtschaftlich stellt der Plan hohe Erwartungen: Trump setzt auf ein wirtschaftliches Wunder im Gazastreifen mit Sonderzonen, Investitionen und einem Wiederaufbau nach dem Vorbild moderner Wüstenstädte. Doch die Realität ist ernüchternd: Gaza ist weitgehend zerstört. Infrastruktur, Verwaltung und Wirtschaft liegen am Boden.
Die meisten Menschen wurden vertrieben, viele leben in Zeltlagern oder provisorischen Notunterkünften. Zehntausende wurden getötet oder verwundet. Ein Neuanfang müsste unter schwierigsten Bedingungen erfolgen – und das in einem Klima tiefen Misstrauens auf beiden Seiten. Die Risiken sind enorm: Der Plan könnte genauso gut zum Friedenspfad wie zur nächsten Eskalationsstufe werden.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa



