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Palantir-CEO Alex Karp und USA unter Donald Trump: "Sehr mächtig"


Milliardär Alex Karp
"Er war wütend, ungeheuer wütend"

  • Bastian Brauns
InterviewEin Interview von Bastian Brauns, Marc von Lüpke

Aktualisiert am 07.11.2025Lesedauer: 14 Min.
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Alex Karp: Der Chef des Software-Riesen Palantir ist überaus mächtig geworden, sagt sein Biograf Michael Steinberger. (Quelle: Christoph Hardt/imago-images-bilder)
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Mit Palantir kontrolliert Alex Karp einen der mächtigsten Softwarekonzerne – und einen der umstrittensten. US-Autor Michael Steinberger erklärt, ob und wie Palantir einen Überwachungsstaat ermöglichen könnte. Gerade in Zeiten eines Donald Trump.

Alex Karp ist einer der einflussreichsten und zugleich geheimnisvollsten Männer im globalen Technologiegeschäft. Sein US-Unternehmen Palantir beliefert etwa Armeen, Geheimdienste und Polizeibehörden mit Software zur Datenanalyse; auch in deutschen Bundesländern kommt Palantir zum Einsatz.

Palantir wird einerseits als mächtiges Werkzeug zur Verteidigung der Demokratie und des Westens insgesamt gefeiert, andererseits werden Palantir und sein CEO Alex Karp gefürchtet und kritisiert. Denn Palantir kann nicht nur der Kriminalitätsbekämpfung dienen, sondern auch der Errichtung eines Überwachungsstaates. Umso dringender stellt sich die Frage, was Palantir-Chef Alex Karp, der für seine Exzentrik bekannt ist, erreichen will.

Kaum jemand kann diese Frage besser beantworten als Michael Steinberger, der gerade sein Buch "Der Unsichtbare" über Alex Karp und Palantir veröffentlicht hat. Darin beschreibt er Karp als einen Mann, der eine von Düsternis und Angst geprägte Weltsicht pflegt und in Donald Trumps zweiter Amtszeit noch mehr Macht und Einfluss gewonnen hat.

t-online: Herr Steinberger, wie mächtig ist Alex Karp?

Michael Steinberger: Alex Karp ist zurzeit zweifellos sehr mächtig. Er gehört zu den prägenden Figuren unserer Gegenwart. Nach Elon Musk ist Alex Karp der sichtbarste und meinungsstärkste CEO, Wirtschaftsführer und Tech-Mogul in der bisherigen zweiten Amtszeit von Donald Trump. Zumal Musk Washington schließlich verlassen hat, um seine Wunden zu lecken.

Ist Alex Karp mit seinem Unternehmen Palantir möglicherweise zu mächtig geworden? Seine Software ist oftmals dort zu finden, wo Konflikte herrschen.

Das ist eine berechtigte Frage. Denken wir an die Themen, die in den vergangenen acht, neun Monaten sowohl in den USA als auch im Ausland die Schlagzeilen beherrscht haben: die Abschiebungen und die Einwanderungsbehörde ICE, dazu Doge, Elon Musks Programm zum sogenannten Bürokratieabbau, dann selbstverständlich Israel, Gaza und Iran. Palantir stand im Mittelpunkt all dieser Ereignisse. Das spricht für die Macht von Palantir und damit auch für den Einfluss, den Alex Karp jetzt ausübt.

Die Macht der Tech-Mogule ist insgesamt stark angewachsen, seit sie sich in großer Zahl von den Demokraten weg und in Donald Trumps Lager bewegt haben.

Trumps zweite Amtszeit ist in gewisser Weise eine oligarchische Übernahme der Vereinigten Staaten. Gut, Elon Musk ging nach Washington, um die Regierung "effizienter" zu machen, er endete unrühmlich. Aber wenn wir betrachten, welchen Einfluss Oligarchen mittlerweile haben, ist das bedenklich. Trump-freundliche Milliardäre – wie David Ellison – kaufen zudem Medienunternehmen auf. Damit reihen sie sich mit den Tech-Milliardären in eine Gruppe von Superreichen ein, die einen übergroßen Einfluss auf das Leben der Menschen in den Vereinigten Staaten ausüben.

Zur Person

Michael Steinberger, geboren 1967, ist Autor für "The New York Times Magazine". Mit Alex Karp und Palantir beschäftigt sich Steinberger seit Jahren, gerade ist sein Buch "Der Unsichtbare. Tech-Milliardär Alex Karp, Palantir und der globale Überwachungsstaat" erschienen.

Sie haben mit ihrem Buch "Der Unsichtbare" gerade eine Biografie über Alex Karp veröffentlicht. Wie steht er selbst zu dieser Sache?

Es gibt wohl nur wenige Menschen in den USA, die der Aussage widersprechen würden, dass die Milliardäre zu viel Einfluss ausüben. Außer den Milliardären selbst. Und Karp gehört zu ihnen.

Dazu hatte Karp aber früher eine andere Meinung, oder?

Vor ein paar Jahren sagte Karp noch, dass es nicht die Ingenieure aus dem Silicon Valley sein sollten, die politische Entscheidungen treffen. Jetzt hat er wohl eine andere Ansicht. Karp war voll des Lobes für Elon Musk während dessen Zeit in Washington. Trump war insgesamt eine sehr gute Wahl für die Tech-Milliardäre, jetzt haben sie die Chance, mit der Regierung zu machen, was sie wollen. Karp will ebenfalls, dass sein Unternehmen Palantir profitiert.

Was genau ist Palantir?

Palantir entwickelt Software zur Datenanalyse. Mithilfe dieser Software können Behörden und Unternehmen riesige Datenströme zusammenführen und analysieren, um darin Muster, Trends und Zusammenhänge zu finden. Für deren Aufdeckung und Ermittlung würden menschliche Analysten Stunden, Tage, Wochen oder möglicherweise sogar eine ganze Ewigkeit benötigen.

Vor allem für Geheimdienste, Polizeibehörden und Armeen ist die Software von Palantir interessant, was das Unternehmen in den Augen von Datenschützern und Bürgerrechtsorganisationen so verdächtig macht.

So ist es. Die CIA und die US-Streitkräfte nutzen Palantir ebenso wie die Geheimdienste und Armeen anderer Staaten. So können sie ihre Daten besser und effizienter nutzen. In einer Welt, in der Daten, wie man so schön sagt, das neue Öl sind, ist das ein sehr mächtiges Werkzeug. Was die Software von Palantir angeht, so gibt es zwar Konkurrenzprodukte, doch Palantir scheint eine Klasse für sich zu sein. Diejenigen, die Software von Palantir nutzen, sind davon überzeugt.

Palantir ist ebenso verhasst wie gefürchtet, weil es als Datenstaubsauger gilt, der eine nahezu lückenlose Massenüberwachung von Menschen leisten kann. Was ist dran an diesen Vorwürfen?

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In gewisser Weise ist Palantir zum Synonym für Überwachung geworden, ja. Aber das basiert auf einem Missverständnis. Palantir sammelt und speichert die Daten nicht, die Daten werden auch definitiv nicht verkauft. Das ist ein wichtiger Unterschied zu Unternehmen wie Facebook und Google. Palantir macht so etwas nicht, Palantir ist keine Überwachungstechnologie. Aber die Technologie von Palantir ermöglicht es, dass Organisationen, die Überwachungsmaßnahmen durchführen, viel effizienter arbeiten können.

Aber damit kann die Palantir-Software beim Verhindern von Terroranschlägen ebenso wie beim Perfektionieren eines Überwachungsstaats helfen.

Ja, absolut. Ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter, der dann als Kriminalanalyst bei der Polizei von New Orleans arbeitete und dabei Palantir benutzte, zog einmal einen Vergleich: "Ich stelle mir die Software von Palantir wie einen Toaster vor. Man gibt dem Toaster nicht die Schuld, wenn der Toast verbrannt ist. Er ist verbrannt, weil man ihn nicht herausgenommen hat." Die Technologie an sich ist weder gut noch böse. Es kommt darauf an, zu welchem Zweck wir Menschen sie benutzen.

Damit sind wir wieder bei Alex Karp angelangt, der ein entscheidendes Wort dabei mitredet, an wen Palantir seine Software verkauft.

Die Toaster-Analogie enthebt Palantir und auch Alex Karp selbstverständlich nicht ihrer Verantwortung. Wie ich in meinem Buch betone, haben Karp und Palantir ihre Software auch niemals an China oder Russland verkauft. Das war eine politische Grundsatzentscheidung, keine unternehmerische. Einmal bekam auch eine Tabakfirma, die Software von Palantir haben wollte, eine Absage. Und das lag daran, dass die Mitarbeiter von Palantir den Eindruck hatten, dass dieses Unternehmen die Technologie nutzen würde, um einkommensschwache, überwiegend aus Minderheiten bestehende Gemeinschaften gezielt anzusprechen. Karp und seine Kollegen wollten das nicht unterstützen.

Nun sollten wir als Bürger nicht unbedingt darauf vertrauen, dass die Software von Palantir nicht doch einmal an die falschen Leute gerät. In Karps Heimat zeigt Donald Trump unverhohlen autoritäre Tendenzen.

Wir haben hier in der Tat eine knifflige Situation. Bereits während Trumps erster Amtszeit hat Palantir intensiv mit der ICE zusammengearbeitet – das war sehr umstritten. Karps Argumentation lautete damals in etwa: "Wir haben uns dafür entschieden, mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Wenn wir unseren Vertrag mit der US-Einwanderungsbehörde kündigen würden, weil uns diese Einwanderungspolitik nicht gefällt, würden wir im Grunde genommen den Willen der Wähler außer Kraft setzen."

Nun lässt sich bei Trumps Wahl 2016 einwenden, dass er nicht einmal mehr Stimmen als seine Konkurrentin Hillary Clinton bekommen hat. Seinen Einzug ins Weiße Haus verdankte er allein seiner Mehrheit an Wahlleuten.

Das ist eine Überlegung, ja. Jetzt, in der zweiten Amtszeit von Trump, würde Karp aber dasselbe Argument vorbringen. 2024 hat Trump schließlich die landesweite Mehrheit errungen. Aber es stellt sich selbstverständlich die Frage: Wo liegen die roten Linien?

Ja, wo?

Karp sagt, dass Palantirs Hauptzweck darin besteht, den Interessen der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten zu dienen. Es bräuchte schon einiges, damit er die Technologie dem US-Militär oder zivilen Behörden vorenthielte. Seine persönlichen Ansichten zur Einwanderung in die USA haben sich zudem verändert. Als Trump zum ersten Mal Präsident war, war Karp überhaupt nicht mit seiner Einwanderungspolitik einverstanden. Das hat er sehr deutlich gemacht. Er war zwar nicht für illegale Einwanderung, aber er war für eine solide legale Einwanderung. Nun scheint er seine Meinung erneut geändert zu haben.

Trump setzt Soldaten in amerikanischen Städten ein, maskierte ICE-Beamte stellen nicht nur Migranten, sondern immer wieder auch amerikanischen Bürgern nach. Hat Alex Karp für den Fall eine rote Linie, dass die US-Regierung, etwa bei großen Protesten, gegen ihr eigenes Volk vorgeht?

Das ist ein ziemlich dystopisches Szenario. Ich hoffe, dass es niemals so weit kommt. Ebenso hoffe ich, dass Karp rote Linien hat. Es muss welche geben.

Alex Karp ist Kind eines jüdischen Kinderarztes und einer afroamerikanischen Künstlerin: Wie hat ihn sein familiärer Hintergrund geprägt?

Karp ist eine besondere Persönlichkeit in der Geschäftswelt, sowohl in seinem Aussehen als auch in seiner Art zu sprechen. Seine Eltern waren auf jeden Fall linksorientiert, einen Teil seiner Kindheit verbrachte er mit ihnen auf Antikriegs- und Antiatomkraftdemonstrationen. Das war die Welt, in der er aufwuchs.

Würden Sie sagen, Alex Karp hat sich von dieser Welt nun abgewendet?

Er fühlt sich von der Linken mittlerweile ziemlich entfremdet. Bei Elon Musk – so wird es zumindest behauptet – begann die Feindschaft zur Linken, als Joe Biden ihn einmal nicht zu einer Konferenz über Elektrofahrzeuge einlud. Bei Karp geht das viel tiefer. Es beruht auf der Kritik an Palantir während Trumps erster Präsidentschaft, die Sache mit der damaligen Beziehung zu ICE. Und dann passierte New Orleans.

Bitte führen Sie das aus.

In New Orleans, wo die Mordrate sehr hoch war, wurde Palantir eingesetzt, um die Zahl der Tötungsdelikte zu senken. Dies war unter Linken äußerst umstritten, da man annahm, dass datengestützte Polizeiarbeit bestehende Vorurteile gegenüber Minderheiten verstärke. Und tatsächlich ist die Polizeiarbeit in den USA viel zu oft stark rassistisch geprägt. Aber New Orleans hatte eben die höchste Mordrate in den USA: 90 Prozent der Opfer waren schwarz, 90 Prozent der Täter waren schwarz. Das waren Fakten, aber dennoch beendete New Orleans die Zusammenarbeit mit Palantir.

Wie reagierte Alex Karp?

Karp war wütend, ungeheuer wütend. Beide Entwicklungen zusammengenommen entfernten ihn mehr und mehr von der Linken. Er bezeichnete sich immer als progressiv, aber er lehnte immer viele Dinge ab, die zum progressiven Mainstream gehören. So das langjährige Förderungsprogramm zum Ausgleich des ethnischen Ungleichgewichts an Universitäten: Er war immer dagegen.

Wie reagierte Alex Karp auf die Terrorattacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023? Es war der größte Massenmord an Juden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Alex Karp ist stolz auf seine afroamerikanische Herkunft. Aber es ist die jüdische Seite, die in seinem Leben im Mittelpunkt steht. Daraus erklärt sich auch seine politische Entwicklung, die ihn weiter nach rechts rücken ließ. Der 7. Oktober 2023, der Hamas-Anschlag in Israel, hat seinen Bruch mit der Linken wirklich bekräftigt. Er war enttäuscht über das, was an manchen US-Universitäten passierte.

Was für ein Mensch ist Alex Karp? Und wie hat das sein Unternehmen Palantir geprägt?

Man kann Palantir tatsächlich nicht verstehen, ohne Karp zu verstehen. Angst ist ein großer Teil seiner Persönlichkeit. Das klingt zwar albern, wenn man das über einen Typen sagt, der aktuell 15 Milliarden Dollar schwer ist und mit einem großen Sicherheitsteam reist. Aber man muss Angst tatsächlich als zentrales Element berücksichtigen, um Karp zu verstehen. Seinen eigenen Aussagen zufolge verstand er schon in jungen Jahren, dass es Nachteile mit sich bringt, sowohl Jude als auch schwarz zu sein. Dazu hat Karp auch noch Legasthenie, er fühlte sich ziemlich verletzlich.

Welchen Schluss ziehen Sie daraus?

Man könnte durchaus sagen, dass Palantir auch deshalb existiert, um die Welt für Alex Karp sicherer zu machen. Die Mission des Unternehmens ist eine sehr persönliche Angelegenheit für ihn.

Das klingt fast ein wenig nach James Bond.

Palantir ist ein Unternehmen mit einer sehr, sehr düsteren Weltanschauung. Karp ist überzeugt davon, dass die Welt von Natur aus zu Chaos und Gewalt neigt. Es gibt demnach immer Menschen, die uns töten wollen, die unsere Lebensweise zerstören wollen. Nach dem Ende des Kalten Krieges herrschte diese Vorstellung, dass wir in ein neues, friedliches Zeitalter eingetreten wären. Karp hat das nie geglaubt.

Hat Karp ihnen erzählt, wovor er Angst hat? Islamistischer Terror? Russland? China?

China ist ein Teil davon, seine Ansichten zu Künstlicher Intelligenz sind davon geprägt. Palantir beschäftigt sich sehr damit. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Leute wie Geoffrey Hinton, sozusagen der Vater der KI, und Elon Musk einen Brief mitunterzeichneten, in dem sie für eine Pause bei der KI-Entwicklung plädierten. Was tat Karp? Er lehnte das ab. Nicht weil er die Argumente nicht anerkannte, aber er sagte: "Unsere Feinde werden nicht innehalten." Er war immer überzeugt, dass das Land, das bei KI die Nase vorn hat, de facto die globale Hegemonie gewinnt.

Die Grundidee von Palantir besteht darin, den Westen gegen seine Feinde zu verteidigen. Aktuell erleben wir in Echtzeit, wie der Westen selbst zu zerfallen droht. Was nun?

Das sollte uns große Sorgen machen. Für den Großteil der Unternehmensgeschichte von Palantir bedeutete die Verteidigung des Westens unter anderem die Verteidigung der vorherrschenden politischen Ordnung: der Idee, dass der Westen durch liberale Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und dergleichen definiert wird. Aber wenn man sich das Buch ansieht, das Karp Anfang des Jahres veröffentlicht hat, findet man darin nicht viel über liberale Demokratie.

Wie denkt Karp nun darüber?

Karp veröffentlicht jedes Jahr einen Brief an die Aktionäre, in dem er seine aktuellen Gedanken darlegt. Das ist immer ziemlich provokant. In seinem letzten Brief, den er ein paar Wochen nach Trumps Amtsantritt schrieb, zitierte er den verstorbenen Harvard-Politikwissenschaftler Samuel Huntington. Darin hieß es in etwa: Die wahre Stärke des Westens liege nicht in seinen Werten, nicht in seiner Religion. Die wahre Stärke sei seine Fähigkeit, organisierte Gewalt anzuwenden.

Stellt sich die Frage, wie Karp mittlerweile zu Donald Trump steht?

Karp würde wohl der Vorstellung widersprechen, dass Trump autoritär ist. Oder gar ein Faschist. Karp würde darauf verweisen, dass die Gerichte immer noch unabhängig sind.

Wie sieht Alex Karps Privatleben aus?

Karp führt ein Leben, das ihm wirklich Freude bereitet. Und das ist bemerkenswert, wenn man sich andere Tech-Milliardäre ansieht. Ich kenne Elon Musk zwar nicht persönlich, aber bei vielen Menschen aus dieser Welt hat man das Gefühl, dass sie unzufrieden sind, oft wirken sie wütend, ruhelos. Das viele Geld hat sie nicht glücklich gemacht. Karp hingegen ist zufrieden. Er liebt, was er tut. Privat lebt er erstaunlich bescheiden. Er besitzt zwar mehrere Häuser, aber keine Paläste. Er isst in der Regel um fünf Uhr abends an seinem Schreibtisch, geht kaum aus, trinkt selten, vielleicht mal ein gutes Glas Wein.

Wie gestaltet er seinen Tagesablauf?

Karp ist jetzt 58 Jahre alt – ein Alter, in dem viele sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen würden. Aber sein Pensum ist unglaublich. Er ist kaum je zwei Tage hintereinander in derselben Stadt. Tokio am Wochenende, Seoul am Montag, Washington am Dienstag. Er hört nie auf, er macht auch reichlich und diszipliniert Sport.

Das wirkt aber doch ziemlich ruhelos.

Ja, aber was ihn antreibt, ist seine Überzeugung, dass Palantir erst jetzt seinen Höhepunkt erreicht, also dass die besten Jahre des Unternehmens noch bevorstehen. Das motiviert ihn.

Mögen Sie ihn als Mensch?

Ja, das tue ich. Ich weiß, als Biograf sollte man das vielleicht nicht sagen. Oft hassen Biografen ihre Protagonisten am Ende der Arbeit. Das ist bei mir nicht der Fall. Ich mag ihn – auch wenn wir streiten. Wir sind in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung, doch Karp liebt Diskussionen. Er will, dass man ihm widerspricht. Neun von zehn Mal wird er sagen, dass er recht hat und oft stimmt das auch. Aber er hört sich die Gegenargumente an.

Wenn Sie sagen, er streite gern: Geht es ihm darum, recht zu behalten oder lässt er sich auch überzeugen?

Nein, er hört wirklich zu. Er wusste von Anfang an, dass er ein Unternehmen voller hochintelligenter Ingenieure nicht führen kann, indem er nur Befehle erteilt. Er selbst hatte ja keinerlei technischen oder wirtschaftlichen Hintergrund. Eine seiner größten Fähigkeiten ist es, "den Raum zu lesen". Er versteht Dynamiken und spürt Stimmungen. Ein Ingenieur, der heute das US-Geschäft leitet, erzählte mir: Bei Palantir solle man sogar dem CEO sagen dürfen, er solle sich "verpissen", wenn man denn wirklich davon überzeugt sei. Das beschreibt gut die demokratische Haltung des Unternehmens. Es wird leidenschaftlich gestritten. Karp entscheidet zwar am Ende, aber nie im Stil "mein Weg oder keiner".

Entspricht das auch seinem Führungsstil?

Wenn man ihn im Büro beobachtet, dreht er ständig seine Runden. Er spricht mit seinen Mitarbeitern, auch mit den jüngsten. Karp ist auch ziemlich witzig und versucht immer, eine kleine Show abzuziehen, aber nicht aufgesetzt, sondern authentisch. Er versucht, eine gute Atmosphäre zu erzeugen. Ich denke, er möchte, dass die Leute glücklich sind. Sie sind für ihn fast wie eine Familie. Das kann man über viele andere Tech-Unternehmer nicht sagen.

Und denken Sie, dass das bis heute so ist?

Seine Mitarbeiter vertrauen heute schon stark auf seine Instinkte, vor allem seit seiner riskanten Entscheidung, Palantirs KI-Plattform zu starten. Dieser Schritt hat das Geschäft explodieren lassen und den Unternehmenswert verzehnfacht. Aber ja, er liebt Debatten, manchmal auch um der Debatte willen. Als Google 2018 aus dem umstrittenen Pentagon-KI-Programm "Project Maven" ausstieg, freute er sich fast, Palantir an dessen Stelle zu bringen, nicht nur wegen des Geschäfts, sondern weil es ihm eine öffentliche Auseinandersetzung ermöglichte.

Konnten Sie ihn denn in einer Diskussion mal von etwas überzeugen?

Ein paar Mal, ja. Zum Beispiel beim Timing des Buchs. Er wollte es sofort veröffentlicht sehen, kaum dass der Verlag zugesagt hatte. Ich sagte, wir sollten warten bis nach der Wahl: Falls Trump wiedergewählt wird, ändert das alles. Heute gibt er zu: Ich hatte recht. Wir haben aber auch viel über Antisemitismus in den USA diskutiert, ob die größere Gefahr von links oder rechts kommt. Er spricht oft über die Universitäten, aber er hört zu, wenn ich auf die Gefahren am rechten Rand der MAGA-Bewegung hinweise. Er ist da offen.

Was hat Sie bei Ihrer Recherche am meisten überrascht?

Seine Beziehung zu Peter Thiel. Darüber wurde viel spekuliert. Während Trumps erster Präsidentschaft war Thiel, ein Mitgründer und Finanzier, ein echtes Problem für Palantir. Weil Thiel wegen seiner libertären und ultrarechten Ansichten so umstritten ist, schadete das auch dem Ruf des Unternehmens.

Wie stehen die beiden zueinander?

Ihre Beziehung ist faszinierend, weil sie als politische Gegensätze starteten. Mit der Zeit scheint Karp ihm aber etwas näher gekommen zu sein, vor allem in der Einwanderungspolitik. Thiel versteht den Westen als kulturelles Konzept, geprägt vom jüdisch-christlichem Erbe, nicht als multiethnische Demokratie. Karp sah das früher anders, aber mittlerweile liegen ihre Sichtweisen näher beieinander.

Hat Karp Ihr Buch über ihn schon gelesen?

Noch nicht. Ich hoffe, er findet es fair. Ich glaube, es bildet ihn, seine Denkweise, seine Weltanschauung und die Rolle seines Unternehmens sehr genau ab. Manche Linke werden mir wohl vorwerfen, zu freundlich zu sein. Aber das Buch ist keineswegs unkritisch.

Haben Sie ein Beispiel?

Die größte Sorge ist tatsächlich, was Palantirs Software in den Händen einer autoritären Regierung bewirken könnte. Wir haben schon darüber gesprochen: Das wurde schon unter Trumps erster Regierung deutlich. Sie ist ein mächtiges Werkzeug, im Guten wie im Schlechten. Aktuell lässt sich das an den Aktionen der US-Abschiebebehörde ICE beobachten: Szenen, in denen maskierte Beamte Menschen von der Straße weg verhaften, das ist verstörend. So etwas hätte niemand von uns jemals auf den Straßen der Vereinigten Staaten erwartet. Für viele von uns ist es inakzeptabel – und das ist auch gut so.

Palantir hat auch Verträge mit der israelischen Regierung.

Ja, Palantirs Rolle in Israel in Bezug auf Gaza hat viel Kritik ausgelöst. Es gibt vielleicht Missverständnisse über die Details. Aber klar ist: Palantir steht fest an der Seite der Israels. Karp macht daraus keinen Hehl und er entschuldigt sich auch nicht dafür. Er unterstützt Israel unter anderem, weil er sich als Jude in einer Welt, die Juden gegenüber im Laufe der Geschichte nicht sehr freundlich eingestellt war, immer bedroht gefühlt hat.

Manche befürchten, die bevorstehenden US-Wahlen könnten die letzten wirklich demokratischen sein. Welche Rolle könnte Palantir in einem autoritären Amerika spielen?

Palantir selbst arbeitet nicht an Wahlen. Die größere Frage betrifft aber den Umgang mit den Daten. Es gab neulich eine Recherche der "New York Times", wonach mithilfe von Palantir Regierungsdatenbanken zusammengeführt werden, was für viele ein erschreckendes Szenario ist. Daten, die früher ganz bewusst getrennt waren, Steuer-, Gesundheits-, Sicherheitsdaten, könnten so zusammengeführt und missbraucht werden, um etwa gegen politische Feinde vorzugehen.

Halten Sie das für realistisch?

Der derzeitige Präsident im Weißen Haus ist auch noch einmal angetreten, um Vergeltung an seinen Feinden zu üben. Also ist diese Sorge sehr real.

Aber wie stehen Palantir und Alex Karp zu solchen Vorgängen?

Palantir sagt, man wolle nur die Effizienz der Verwaltung verbessern. Aber Datenschützer warnen: Solche Systeme können leicht von politischen Machthabern missbraucht werden. Palantir kann technische Schranken einbauen, aber am Ende entscheidet der Endnutzer, also die Regierung, was sie damit tut. Es bleibt eine Vertrauensfrage in Bezug auf die Behörden. Vertrauen wir der Regierung?

Karp hat in Deutschland studiert, er ist promovierter Philosoph: Wie ist sein Verhältnis zu unserem Land?

Deutschland ist ihm sehr wichtig. Er hat an der Goethe-Universität Frankfurt studiert und das Land lieben gelernt. Er sagt, er habe sich dort heimischer gefühlt als irgendwo sonst. Aber er ist auch frustriert, vor allem, weil Europa und Deutschland sich mit neuer Technologie und Palantir-Software so schwertun. Trotzdem sagt er: Die zwei besten Entscheidungen seines Lebens waren, nach Deutschland zu gehen und Palantir zu gründen.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Michael Steinberger via Videokonferenz
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