t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon


HomePolitikAuslandKrisen & Konflikte

Israel: Deshalb ist die Wut auf Netanjahu so groß


Israels Premier unter Druck
Die Wut auf Netanjahu ist groß


Aktualisiert am 17.10.2025Lesedauer: 5 Min.
Benjamin Netanjahu raubt palästinensisches Land.Vergrößern des Bildes
Benjamin Netanjahu: Seine Koalition würde derzeit laut Wahlumfragen keine Mehrheit erreichen. (Quelle: Nathan Howard/Pool Reuters/dpa)
News folgen

Die Freilassung der letzten lebenden Geiseln ließ Israel aufatmen. Doch der Groll auf Benjamin Netanjahu bleibt. Deshalb dankt keiner der Angehörigen dem Premierminister.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ist unbeliebt. Das haben die Reaktionen auf die Freilassung der lebenden Geiseln am Montag einmal mehr offenbart. Als die Angehörigen vor Freude jenen Menschen dankten, die sich für die Freilassung eingesetzt haben, überschütteten sie vor allem den US-Präsidenten Donald Trump sowie die israelischen Streitkräfte mit Lob. Deutlich seltener erwähnt wurde Netanjahu.

Woher der Unmut rührt, zeigt etwa ein Post von Lishay Miran-Lavi, der Frau des freigelassenen Omri Miran. In einem Beitrag auf der Plattform X dankte sie denjenigen, die zur Freilassung ihres Mannes aus der Gefangenschaft in Gaza beigetragen hatten. Netanjahu war nicht darunter.

"Vielen Dank an Präsident @realDonaldTrump und die gesamte Trump-Administration für ihre unermüdlichen Bemühungen, Omri und die anderen Geiseln nach Hause zu bringen", schreibt Miran-Lavi. "Vielen Dank an die hochrangigen Mitglieder der Trump-Administration, die rund um die Uhr für uns da waren und uns jederzeit die Türen des Weißen Hauses geöffnet haben, auch wenn sonst niemand mit uns sprechen wollte." Der letzte Satz scheint sich auf Israels Regierung zu beziehen.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Schon vor der Freilassung hatten die Familien der Geiseln Netanjahu mangelnde Sensibilität für ihre Lage vorgeworfen. Die Freilassung der Geiseln habe er lange hinausgezögert.

Kein Dank für Benjamin Netanjahu

Das machte auch Noa Argamani deutlich: Die Freundin des freigelassenen Avinatan Or dankte ebenfalls den israelischen Soldaten, Trump, mehreren anderen US-Beamten und den Aktivisten, die sich für die Freilassung eingesetzt hatten – aber nicht Netanjahu oder anderen israelischen Politikern.

Argamani wurde selbst am 7. Oktober 2023 von der Hamas als Geisel in den Gazastreifen verschleppt, aber bereits im vergangenen Jahr befreit. Berichten zufolge erzählte sie Netanjahu nach ihrer Freilassung, ihr schwierigster Moment als Geisel sei gewesen, als sie ihn "sagen hörte, der Krieg werde lang sein".

Kriegsziele statt Geiseln im Fokus

Zunehmend entstand auch international der Eindruck, dass es Netanjahu und seinen rechtsextremen Regierungspartnern offenbar nicht vorrangig um die Freilassung der Geiseln gehe, sondern um die Erreichung der Kriegsziele, darunter die Zerstörung der Terrororganisation Hamas.

Das legt auch Netanjahus Rede am Donnerstag in Jerusalem bei einer Gedenkzeremonie für gefallene Soldaten nahe. Dort betonte er Israels Entschlossenheit, gegen das Erstarken seiner Feinde vorzugehen. Damit meinte er neben der Hamas auch Irans "Achse des Widerstands".

Der Iran und seine Verbündeten hätten Israel mit einem "Feuerring" umgeben und nach dem Hamas-Massaker versucht, den jüdischen Staat zu "erwürgen", sagte Netanjahu. Dies sei jedoch nicht gelungen. Er verkündete: "Wir sind entschlossen, den Sieg zu vervollständigen, der unser Leben auf Jahre hin beeinflussen wird." Israel werde alle seine Kriegsziele erreichen.

Angehörige der toten Geiseln warten auf Fortschritte

Auch bei den Angehörigen jener toten Geiseln, die sich noch im Gazastreifen befinden, macht sich Netanjahu derzeit nicht beliebt. Zwar versprach er, die Leichen der Toten nach Israel zurückzuführen. Dabei schlug er den Bogen zur Freilassung der noch lebenden Geiseln: "Mit der gleichen Entschlossenheit, mit dem gleichen Verantwortungsbewusstsein und der gleichen Ernsthaftigkeit arbeiten wir daran, sie zurückzuholen", sagte der Premierminister. "Wir werden keine Mühen und Mittel scheuen, um sie zurückzuholen." Tatsächliche Fortschritte gibt es jedoch nicht.

Laut der Vereinbarung über die Waffenruhe muss die Hamas insgesamt 28 Leichname von verstorbenen Geiseln an Israel übergeben. Bisher übergab sie jedoch nur die Überreste von neun. Inzwischen droht Israel der Hamas mit der Rückkehr zum Krieg im Gazastreifen, sollte das Abkommen nicht eingehalten werden.

Tatsächlich scheint das im Sinne der Angehörigen zu sein: So forderte das israelische Forum der Geisel-Familien die israelische Regierung auf, das Waffenruhe-Abkommen mit den Islamisten auszusetzen. Die Regierung solle die Umsetzung aller weiteren Schritte des Abkommens "unverzüglich einstellen, solange die Hamas weiterhin offen gegen ihre Verpflichtungen hinsichtlich der Rückkehr aller Geiseln und der Leichen der Opfer verstößt", erklärte das Forum am Donnerstag.

Gegenseitige Beschuldigungen

Doch die Lage scheint verfahren: Die Terrororganisation Hamas teilte mit, man wolle sich weiter an die Vereinbarung halten. Sie macht Israel für die Verzögerung der Geisel-Rückführungen verantwortlich. Denn: Einige der Leichen befänden sich in Tunneln, die von Israels Armee zerstört wurden, andere unter den Trümmern zerbombter Gebäude. Dies erklärte die Hamas in der vergangenen Nacht in einer Mitteilung.

Um die Leichen weiterer Geiseln zu bergen, seien schwere Maschinen und Geräte zum Abtragen der Trümmer erforderlich, die derzeit nicht herbeigeschafft werden könnten, weil Israel ihre Einfuhr verweigere. Bis weitere Leichen zurück nach Israel gebracht werden und Netanjahu die Angehörigen der toten Geiseln mit Erfolgen besänftigen kann, dürfte es also noch dauern.

Loading...
Loading...

Wahlumfrage: Netanjahus Koalition hätte keine Mehrheit

Insgesamt ist die Zustimmung im Land für Netanjahus Partei Likud nach der Freilassung der lebenden Geiseln gestiegen. Eine Umfrage des israelischen Mediums "Zman Yisrael", der hebräischen Schwesterzeitung der "Times of Israel", zeigt: Wären jetzt Wahlen, würde seine Partei 34 Sitze erhalten. Das Medium schreibt, das entspricht einem deutlichen Anstieg der Unterstützung für den Ministerpräsidenten. Es sei das beste Ergebnis, das der Likud seit dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 und dem Ausbruch des Krieges im Gazastreifen in einer Wahlumfrage erzielt hat.

Jedoch würde es für eine Mehrheit von über 60 Sitzen nicht reichen: Die Parteien seiner Koalition würden 59 von insgesamt 120 Sitzen erhalten – also weniger, als für eine Regierungsbildung erforderlich ist.

Auch Korruptionsvorwürfe belasten den Premier

Problematisch für Netanjahu ist insbesondere, dass gegen ihn mehrere Korruptionsprozesse laufen. Erst am Mittwoch erschien er in einem davon erneut zu einer Anhörung vor Gericht. Netanjahu lächelte, als er und mehrere Minister seiner konservativen Likud-Partei auf dem Weg zu dem Gericht in Tel Aviv von Demonstranten ausgebuht wurden. In seiner Rede im israelischen Parlament am Montag hatte Donald Trump vorgeschlagen, Netanjahu solle in den drei gegen ihn laufenden Korruptionsprozessen begnadigt werden.

Netanjahu und seiner Frau Sara wird zur Last gelegt, im Gegenzug für politische Gefälligkeiten Geschenke von Milliardären im Wert von mehr als 260.000 Dollar (rund 223.000 Euro) angenommen zu haben – darunter Schmuck, Champagner und Zigarren. In zwei weiteren Fällen wird dem Regierungschef vorgeworfen, eine für ihn positivere Berichterstattung israelischer Medien ausgehandelt zu haben. Netanjahu weist die Vorwürfe zurück.

Vorwurf von Kriegsverbrechen steht weiter im Raum

Bereits vor Beginn des Gaza-Kriegs hatte Netanjahu eine umstrittene Justizreform eingebracht, die Kritikern zufolge darauf abzielte, die Gerichte zu schwächen. Allein der Vorschlag hatte Proteste ausgelöst, die erst nach dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 vorübergehend abebbten. Im März 2025 wurde dann im israelischen Parlament, der Knesset, ein entsprechend umstrittenes Richtergesetz verabschiedet.

Gegen den israelischen Ministerpräsidenten liegt außerdem ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg vor.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel


Bleiben Sie dran!
App StorePlay Store
Auf Facebook folgenAuf X folgenAuf Instagram folgenAuf YouTube folgenAuf Spotify folgen


Telekom