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Russland testet Burewestnik und Poseidon: Putins neue "Wunderwaffen"?


Russland testet neue Waffen
Trump droht – und Putin rudert zurück

Eine Analyse von Simon Cleven

31.10.2025Lesedauer: 6 Min.
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Wladimir Putin während seines Besuchs eines Militärkrankenhauses in Moskau (Archivbild): Der Kremlchef informierte über neue russische Waffentests. (Quelle: IMAGO/Vladimir Gerdo/imago)
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Laut Kremlchef Putin hat Russland kürzlich zwei neuartige Waffen erfolgreich getestet. Donald Trump kündigte daraufhin Atomwaffentests an. Doch was steckt hinter den militärischen Muskelspielen Moskaus?

"Wunderwaffe", "Weltuntergangswaffe", "fliegendes Tschernobyl" – begleitet von Propagandagetöse hat Russland in den vergangenen Tagen erfolgreiche Tests von mehreren atomar bestückbaren Systemen verkündet. Die Waffen sollen nicht nur einzigartig, sondern für westliche Verteidigungen auch kaum abzufangen sein, heißt es. Die Szenarien, die der Kreml vorzeichnet, klingen wie der Stoff aus einem Science-Fiction-Film.

Da wäre einmal der Marschflugkörper Burewestnik. Das Geschoss kann laut russischen Angaben mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden. Außerdem sitzt in seinem Inneren ein Minireaktor, der dem Marschflugkörper quasi unbegrenzte Flugzeit bescheren soll. Beim Test soll er 14.000 Kilometer in 15 Stunden zurückgelegt haben. Die Botschaft: Kein Ziel auf der Welt ist vor Burewestnik sicher.

Auch die Unterwasserdrohne Poseidon will Russland kürzlich erfolgreich getestet haben. Dieses System soll ebenfalls atomar angetrieben und bestückbar sein. Das Angriffsszenario des autonomen Torpedos klingt noch mehr nach Apokalypse. Mit Geschwindigkeiten von rund 130 Kilometer pro Stunde soll er sich tief unter der Meeresoberfläche fortbewegen können. Eine Explosion unter Wasser soll dann einen nuklearen Tsunami auslösen, der angeblich ganze Küstenstreifen verseuchen kann. So die Theorie.

Video | "Gewaltiger Erfolg" – Putin preist Unterwasserwaffe an
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Quelle: t-online

Wie beiläufig berichtete Kremlchef Wladimir Putin am Mittwoch von dem Poseidon-Test während seines Besuchs einer Militärklinik bei Soldaten, die in der Ukraine verwundet wurden. Den Test von Burewestnik verkündete er bereits am Sonntag. Eines muss dabei klar sein: Beiläufig oder zufällig passiert in Putins Inszenierung von Russland als Großmacht nichts. Die verkündeten Waffentests sind eine Drohkulisse, die den Westen in Schach halten soll. Diese Taktik Putins ist keinesfalls neu. Und dennoch entfaltet sie bereits erste Wirkung.

Putins "Wunderwaffen"

Entscheidend ist dabei zunächst der Zeitpunkt. Für Ulrich Kühn lässt er sich anhand von zwei Linien erklären: "Einerseits hatte Putin beide Systeme 2018 als Antwort auf das von den USA angekündigte globale Raketenabwehrsystem präsentiert", erklärt der Sicherheitsexperte im Gespräch mit t-online. "Die nun erfolgten Tests sind lediglich der nächste Schritt: Putin macht seine Drohung mit den 'Wunderwaffen' wahr." Dahinter steckt jedoch wahrscheinlich mehr Schein als Sein. So ist es auch im Falle anderer russischer Neuentwicklungen wie dem Kampfpanzer T-14 Armata, der bis heute etwa in der Ukraine nicht im Einsatz war.

(Quelle: privat)

Zur Person

Ulrich Kühn leitet den Forschungsbereich "Rüstungskontrolle und Neue Technologien" am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Sein Fokus liegt auf Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungsmechanismen, dem Paradigma der Abschreckung, euroatlantischer und europäischer Sicherheit sowie internationaler Sicherheitsinstitutionen.

Unter George W. Bush hatten die USA 2002 einseitig den ABM-Vertrag zur Begrenzung antiballistischer Raketenabwehrsysteme verlassen. Infolgedessen fingen die Vereinigten Staaten mit dem Bau eines solchen Verteidigungssystems an. Russland reagierte mit neuen Waffenentwicklungen, um die Wirksamkeit der atomaren Abschreckung zu gewährleisten.

Und tatsächlich betonte der russische Präsident sowohl im Falle von Burewestnik als auch von Poseidon, dass die Waffensysteme "unbesiegbar" seien. Gegenwärtige wie zukünftige Abwehrsysteme könnten die Waffen wegen ihres atomaren Antriebs nicht abfangen, denn die angeblich unbegrenzte Einsatzzeit ermögliche unvorhersehbare Kurse in der Luft oder unter Wasser, so Putin.

Donald Trump springt auf Putins Drohung an

Die zweite Linie in Putins Drohkulisse liegt laut Kühn in der Gegenwart. "Andererseits will der Kreml mit dieser Drohkulisse Einfluss auf die USA und auch Europa nehmen, etwa was ihre Unterstützung der Ukraine betrifft." Für viele Beobachter überraschend, hatte Trump in der vergangenen Woche Sanktionen gegen Russlands Ölwirtschaft verhängt. Es waren die ersten US-Strafmaßnahmen gegen Russland, seit er wieder im Weißen Haus sitzt. Auch die EU verkündete neue Sanktionen. Wenige Tage später dann antwortete Putin erst mit dem Test von Burewestnik, dann mit dem der Unterseedrohne Poseidon.

In Washington zeigt Putins Drohgebärde offenbar Wirkung. "Bei Donald Trump scheint das bereits zu verfangen, da dieser die Wiederaufnahme von Nukleartests angekündigt hat", erklärt Kühn. Der US-Präsident begründete das in einem Post auf der Plattform Truth Social mit den Testprogrammen anderer Länder. Er habe das Verteidigungsministerium angewiesen, Tests "auf gleicher Basis" durchzuführen. Um welche Art Tests es sich handeln soll und welche Waffen getestet werden sollen, blieb zunächst offen.

Dennoch ist Trumps Reaktion in ihrer Symbolik ein scharfes Schwert – das der realen Situation jedoch womöglich nicht gerecht wird. Der Kreml zumindest beeilte sich, die eigenen Tests herunterzuspielen. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, dass es sich nicht um Atomtests gehandelt habe, obwohl sein Chef Putin zuvor mit den nuklearen Fähigkeiten geprahlt hatte. Moskau hoffe, dass Trump darüber korrekt informiert worden sei, sagte er. Zugleich erinnerte Peskow an frühere Warnungen von Putin, nach denen Russland ebenfalls wieder die Tests aufnehmen werde, wenn die USA das täten.

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Tatsächlich scheinen weder der Marschflugkörper Burewestnik noch die Unterwasserdrohne Poseidon atomar bestückt gewesen zu sein. Die norwegische Behörde für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit stellte zumindest im Rahmen des Tests keine erhöhte Strahlung oder andere Abnormalitäten fest. Dem Portal "The Barents Observer" erklärte die Behörde jedoch, dass es wegen der großen Entfernung einige Zeit dauern könne, bis solche Werte an ihren Messstationen zu registrieren seien. Burewestnik soll auf der Doppelinsel Nowaja Semlja im Gebiet Archangelsk abgefeuert worden sein, wo die Sowjetunion im Kalten Krieg mehrfach Atomtests durchgeführt hatte.

Burewestnik und Poseidon sind Waffen der Vergeltung

Atomwaffenexperte Ulrich Kühn bleibt angesichts der Nachrichten aus Russland skeptisch. "Tatsächlich haben diese russischen Tests für den Westen keine große Bedeutung", erklärt er. Denn sowohl bei Burewestnik als auch bei Poseidon handele es sich um sogenannte strategische Zweitschlagsysteme. "Russland würde diese also als Vergeltung eines nuklearen Erstangriffs eines anderen Staats einsetzen." Das Prinzip der nuklearen Abschreckung soll genau diesen Erstangriff verhindern, sodass ein Einsatz der russischen "Wunderwaffen" eher unrealistisch erscheint.

Weiterhin aber hält sich wohl auch der militärische Nutzen in Grenzen. "Grundlegend neue Fähigkeiten bieten die Systeme nicht: Russland konnte bereits zuvor mit Nuklearwaffen Angriffe im Wasser und aus der Luft auf praktisch jedes Ziel rund um den Globus ausführen", erklärt Kühn.

Wirklich neu sei lediglich der atomare Antrieb beider Waffen, "der es ihnen ermöglicht, über Tage hinweg in Bewegung zu sein, bevor es tatsächlich zum Angriff kommt", so der Forscher. "Dass Russland dieser technologische Schritt gelungen ist, erscheint auch realistisch." Was der Antrieb offenbar nicht bietet, sind hohe Geschwindigkeiten. In der Ukraine haben sich besonders Russlands Hyperschallwaffen und ballistische Raketen als effektiv erwiesen. Aber selbst diese werden immer wieder abgefangen. Burewestnik hingegen flog beim Test im Schnitt gut 900 Kilometer pro Stunde – also nicht schneller als konventionelle Marschflugkörper.

Dennoch steht auch hinter dieser Technologie ein großes Fragezeichen, denn diese Art des Antriebs erfordert eine entsprechende Abschirmung gegen Strahlung, wie sie etwa in Atom-U-Booten verbaut ist. Experten gehen davon aus, dass solche Waffen während ihres Einsatzes Kontamination ausstoßen. Burewestnik wird daher auch als "fliegendes Tschernobyl" bezeichnet. Ob der Marschflugkörper also am vergangenen Wochenende tatsächlich mit seinem atomaren Antrieb flog, ist angesichts der nicht registrierten erhöhten Strahlung zumindest fraglich.

"Prestigeobjekte" für Russlands Propaganda

Kühn resümiert, dass es sich bei den Waffen um reine "Prestigeobjekte" handele. Dafür sprechen die wohl hohen Kosten für die Entwicklung und Produktion von Burewestnik und Poseidon. Im Falle beider Waffen dürften die Kosten mindestens Dutzende Milliarden US-Dollar betragen. Die USA stellten etwa entsprechende Tests für einen atomgetriebenen Bomber zur Zeit des Kalten Krieges auch aus diesem Grund ein.

So erscheint es am wahrscheinlichsten, dass Putin mit seinen Tests den Westen abschrecken will – von einer Konfrontation mit Russland und der weiteren Unterstützung für die Ukraine. Denn seit Beginn seiner Vollinvasion hat der Kreml immer wieder atomare Drohgebärden zu diesem Zweck genutzt.

Gleich zu Beginn des Überfalls versetzte Putin die nuklearen Abschreckungskräfte in höchste Alarmbereitschaft. Als dann die ukrainische Gegenoffensive im Herbst 2022 erste Erfolge erzielte, begannen russische Offizielle verstärkt damit, die westlichen Waffenlieferungen als Risiko für eine atomare Eskalation darzustellen. Später, im Februar 2023, setzte Putin dann den "New START"-Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen aus und stationierte einen Monat später taktische Atomwaffen im Nachbarland Belarus. Ende 2024 änderte Russland seine Nukleardoktrin und senkte darin die Schwelle für einen Einsatz von Atomwaffen.

Nicht nur bei Donald Trump scheinen Putins Drohungen zu verfangen, sondern auch bei Politikern in Deutschland wie etwa Teilen der SPD-Fraktion im Bundestag sowie von AfD und BSW, die gegen die Ukraine-Unterstützung mobil machen.

Russland konnte in diesem Jahr kaum militärische Erfolge in der Ukraine feiern und Putin gerät langsam unter Druck. Die nächste Drohung mit Atom- oder anderen angeblichen "Wunderwaffen" könnte also nicht weit sein.

Verwendete Quellen

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