Der Ton zwischen Nato und Russland wird zunehmend rauer. Während Moskau das Atlantische Bündnis beschuldigt, eine anti-russische Hysterie zu schüren, warnt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor einer russischen Expansion. Beide Seiten reagieren mit Aufrüstung an den Grenzen.
"Russland versucht mit militärischen Mitteln einen Einflussbereich aufzubauen", sagte Stoltenberg der "Bild"-Zeitung. Die Nato beobachte eine massive Verstärkung der russischen Militärpräsenz an der eigenen Grenze - in der Arktis, im Baltikum, im Schwarzen Meer bis zum Mittelmeer. Darauf müsse die Nato reagieren, so Stoltenberg.
Und das tut sie auch. Bereits am Dienstag hatten die Verteidigungsminister des Bündnisses in Brüssel angekündigt, 4000 Soldaten nach Polen, Lettland, Estland und Litauen entsenden zu wollen.
Moskau wirft Nato Panikmache vor
Unterdessen ließ Russlands Präsident Wladimir Putin seine Armee zu einer einwöchigen Überprüfung der Einsatzbereitschaft aufmarschieren. Kritik der Nato an dieser Aktion wies das Verteidigungsministerium in Moskau scharf zurück und warf dem Bündnis Panikmache vor.
"Es ist offensichtlich, dass derartige Aussagen über die militärische Bedrohung durch Russland nur dem Ziel dienen, Panik zu erzeugen und das Bild eines heimtückischen Feindes aufrechtzuerhalten, um weiter eine Begründung für kolossale Wehretats zu haben", sagte ein Sprecher des Ministeriums.
Stoltenberg sorgt sich um Lage in der Ukraine
Die Staats- und Regierungschefs der Nato wollen beim Gipfel in Warschau in rund drei Wochen endgültig die Entsendung von vier Kampf-Bataillonen nach Polen und in die baltischen Staaten beschließen.
Eines der Bataillone wird von Deutschland geführt, das auch den Großteil der Soldaten dafür stellen will. Die Staaten an der Ostflanke der Allianz fühlen sich nach der Annexion der Krim durch Russland bedroht.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. (Quelle: dpa)
Zugleich macht die Nato prorussische Separatisten für die wiederholte Verletzung der Waffenruhe in der Ostukraine verantwortlich. "Der Waffenstillstand wird wieder und wieder gebrochen, und das ist eine große Sorge", sagte Stoltenberg in Brüssel. Russland unterstütze die Separatisten mit Ausrüstung und Waffen. "Sie konzentrieren außerdem Truppen entlang der Grenze zur Ukraine."
Die Beobachter der OSZE meldeten allein am Sonntag und Montag mehr als 200 Explosionen in der Ostukraine. Der ukrainische Verteidigungsminister Stepan Poltorak sprach in Brüssel von 50 bis 60 Verletzungen des Waffenstillstandes pro Tag. Dabei werde auch schwere Artillerie eingesetzt.
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Nach Angaben von Diplomaten wollen die EU-Staaten kommende Woche beschließen, die Sanktionen gegen Russland um sechs weitere Monate zu verlängern. Die EU hatte die Aufhebung der Strafmaßnahmen davon abhängig gemacht, dass Russland und die Ukraine die Friedensvereinbarungen von Minsk umsetzen. Bei den Kämpfen in der Ostukraine sind seit April 2014 mehr als 9000 Menschen getötet worden.