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Paris: Russland soll "Gelbwesten"-Krawalle in Frankreich aktiv befeuern


Gewalt in der Geisterstadt
Russland soll Krawalle in Frankreich aktiv befeuern

Von afp, dpa, t-online, jmt

Aktualisiert am 09.12.2018Lesedauer: 4 Min.
Proteste in Frankreich: Russland versucht offenbar mit Desinformation das Klima der Gewalt zu schüren.Vergrößern des Bildes
Proteste in Frankreich: Russland versucht offenbar mit Desinformation das Klima der Gewalt zu schüren. (Quelle: Thibault Camus/ap)

Die schweren Krawalle in Paris setzen sich fort. Über 1000, teils schwer bewaffnete Menschen werden festgenommen. Schürt Russland mit Desinformationen die Proteste, um Macron zu schaden?

Tränengas, Zusammenstöße mit der Polizei und Massenfestnahmen: Auch der vierte Protesttag der "Gelbwesten" in Frankreich ist von Gewalt bestimmt. Möglicherweise spielen auch 600 Twitter-Profile dabei eine Rolle, die laut einer US-Stiftung dafür bekannt sind, die Agenda des russischen Kremls zu befördern. "#giletsjaunes", die französische Bezeichnung für die Gelbwesten, sei in den vergangenen Wochen der bedeutendste Hashtag der Profile gewesen, sagte Bret Schafer vom German Marshall Funds der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Russische Staatsmedien verzerren das Geschehen

Mit den Accounts werde hauptsächlich Desinformation russischer Staatsmedien RT, Sputnik News und Ruptly verbreitet. Bereits im Wahlkampf hatten die Medien Falschbehauptungen über Emmanuel Macron verbreitet, den heutigen Präsidenten Frankreichs. Auch hatte es Hacker-Attacken auf die Kampagne gegeben, die Russland zugeschrieben werden. Offenbar hat sich die Agenda nicht geändert. Recherchen von t-online.de hatten vor Kurzem eine heimliche Medienzentrale des russischen Staats mitten in Berlin aufgedeckt.

Doch an diesem Wochenende sind die französischen Behörden auf einen "Schwarzen Samstag" besser vorbereitet: Allein in Paris sind 8000 Sicherheitskräfte im Einsatz – einer pro Demonstrant. Die Polizei nimmt landesweit 1400 Gewaltbereite mit Messern oder Baseballschlägern vorübergehend fest. Fast 1000 bleiben zunächst in Gewahrsam. Es werden über 100 verletzte Demonstranten und 17 verletzte Polizisten gezählt.

Brisante Lage auf den Champs-Elysées

Das sonst an Adventssamstagen so belebte Pariser Zentrum gleicht vielerorts einer Geisterstadt: Der Eiffelturm, der Louvre und viele andere Sehenswürdigkeiten und Museen sind geschlossen. Kaufhäuser wie die Galeries Lafayette und Printemps haben ihre Schaufenster verrammelt – die Sozialproteste verhageln den Einzelhändlern das Weihnachtsgeschäft.

Besonders brisant ist die Lage wie schon vor einer Woche auf dem Boulevard Champs-Elysées: Dort gibt es Zusammenstöße zwischen "Gelbwesten" und der Polizei. Vermummte Demonstranten zielen mit Pflastersteinen, Projektilen und Knallkörpern auf die Beamten. Diese rücken mit Helmen und Schutzschilden vor und feuern Tränengas ab, auch Blendgranaten und Wasserwerfer kommen zum Einsatz.

Die meisten Einzelhändler auf den Champs-Elysées sind dem Aufruf der Polizeipräfektur gefolgt und haben ihre Schaufenster mit Holzplatten verrammelt. Eine Gruppe von Demonstranten versucht, die Absperrungen eines Nobelkaufhauses in Brand zu setzen. Einzelne dringen in das Geschäft ein, werden aber mit Tränengas vertrieben. Eine Frau wird am Kopf verletzt.

Wie militant sind die Gelbwesten?

Immer mehr Vermummte kommen vor dem Triumphbogen zusammen, der am vergangenen Wochenende von Randalierern beschmiert und zum Teil verwüstet wurde. Einzelne schwenken die Trikolore als Zeichen für den selbst ernannten "Volksaufstand". An anderer Stelle setzen Demonstranten die Flagge in Brand. In Seitenstraßen gehen Schaufenster zu Bruch, Autos gehen in Flammen auf.

"Die Regierung benutzt die Randalierer, um die Gelbwesten zu diskreditieren", empört sich ein 50-jähriger Demonstrant, der von Anfang an bei den Protesten dabei ist. Innenminister Christophe Castaner hat von einem "Monster" gesprochen, das seinen Schöpfern entgleitet, und hat damit viele Aktivisten empört. Als Wortführer der Gelbwesten allerdings mit der Regierung verhandeln wollten, zogen sie kurzfristig zurück – aus Sicherheitsgründen. Laut eigenen Angaben waren sie von militanteren Gelbwesten bedroht worden.

Schriftzug: "Macron ist ein Dieb"

"Macron, gib das Geld zurück", steht auf einem gelben Banner, das zwei Demonstranten tragen. Sie fordern neben höheren Löhnen und Renten eine Wiedereinführung der Vermögensteuer, deren Abschaffung den früheren Investmentbanker Emmanuel Macron in den Augen vieler Franzosen zum "Präsident der Reichen" gemacht hat. Doch bisher schließt Macron ein solches Zugeständnis kategorisch aus. "Macron ist ein Dieb", hat jemand auf das Schaufenster einer Bank gesprüht.

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"Macron, wir kommen dich holen", skandiert eine Gruppe Demonstranten und fordert die Absetzung des Präsidenten. Doch der Aufruf zu einem "Sturm" auf seinen Amtssitz, den Elysée-Palast, läuft ins Leere: Die Umgebung ist weitgehend abgeriegelt. Helikopter kreisen über der Innenstadt, Sirenen sind zu hören. Zum Teil geht die Polizei massiv gegen die Demonstranten vor, wie Bilder in sozialen Medien zeigen. Der türkische Präsident Erdogan, der eine Möglichkeit der Revanche für die europäischen Reaktionen zu den Gezi-Protesten in der Türkei zu wittern scheint, verurteilt das "exzessive Vorgehen".

Landesweit rund 125.000 Demonstranten

Auch in anderen Teilen Frankreichs kommt es nach zunächst friedlichen Kundgebungen zu Gewalt: Aus Städten wie Lyon, Bordeaux und Toulouse werden Zusammenstöße mit der Polizei gemeldet, dort fliegen auch Molotow-Cocktails. Landesweit zählt die Polizei nach Angaben des Innenministeriums rund 125.000 Demonstranten, ihnen stehen 89.000 Sicherheitskräfte gegenüber.

Frankreichs Rechts- und Linkspopulisten versuchen erneut, die Wut der "Gelbwesten" für sich zu vereinnahmen: Die Rechtspopulistin Marine Le Pen ruft Macron auf, eine Antwort auf das "soziale Leid" zu geben. Der Chef der Linkspartei "La France Insoumise", Jean-Luc Mélenchon, verlangt erneut Neuwahlen. In Deutschland solidarisieren sich sowohl die Linkspartei als auch führende AfD-Politiker mit den Protesten. Rechtsradikale hatten laut Recherchen von t-online.de in Deutschland versucht, ähnliche Proteste zu initiieren – und waren dabei krachend gescheitert.

Auf den Pariser Haussmann-Boulevards, wo sonst Horden von Einkäufern flanieren, sind erstmals blaue Panzerfahrzeuge der Militärpolizei im Einsatz und räumen brennende Barrikaden weg. In der Nähe stehen belgische Touristen verloren mit ihren Rollkoffern auf der Straße. Sie wollen zum Bahnhof, aber die Metro fährt nicht, die wenigen Taxis sind belegt.


Dennoch haben sie Verständnis für die Proteste: "In Belgien sind die Steuern auch hoch, wir machen uns Sorgen um die Zukunft unserer Kinder." Auch in Belgien kam es am Samstag zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Auch dort wurden 400 Menschen festgenommen.

Verwendete Quellen
  • mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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