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Belarus: Alexander Lukaschenko blufft mit Androhung über Gas


Eskalation an der Grenze
Tichanowskaja: Lukaschenko blufft mit Gasdrohung

Von dpa, afp
Aktualisiert am 11.11.2021Lesedauer: 5 Min.
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Vom Stacheldraht verletzt: Migranten an der EU-Außengrenze zogen sich Schnittwunden zu, als sie versuchten, den Grenzzaun zu überwinden. (Quelle: t-online)
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Polen verschärft die Wortwahl: Belarus nutze Menschen als Munition, so der Vorwurf. Derweil kündigt Machthaber Lukaschenko Gegenmaßnahmen an, doch eine Oppositionelle glaubt nicht daran.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat angesichts der sich zuspitzenden Situation an der Grenze zu Belarus von einer "neuen Art von Krieg" gesprochen. Das schrieb der Regierungschef am Donnerstag in einem Facebook-Eintrag. "Womit wir es zu tun haben, ist eine neue Art von Krieg. Ein Krieg, in dem Zivilisten und Medienbotschaften die Munition sind."

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Die Regierung in Warschau und die EU werfen dem autoritären belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus Krisenregionen einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Ein Großteil der Migranten und Flüchtlinge will nach Deutschland.

Europol unterstützt Polen

Polen hat die EU angesichts der Situation Unterstützung im Kampf gegen Schleuseraktivitäten gebeten. "Wir können bestätigen, dass auf Anfrage Polens Experten des Europol-Zentrums zur Bekämpfung der Migrantenschleusung Polen bei der Bewältigung der an der Grenze entstandenen Situation unterstützen werden", sagte eine Sprecherin der Europäischen Kommission am Donnerstag. Sie ließ offen, ob die Experten an der Grenze arbeiten werden und machte auch keine näheren Angaben zu ihrer genauen Tätigkeit.

Polen hat sich bislang geweigert, EU-Kräfte an die Grenze zu lassen. Auch unabhängige Journalisten und humanitäre Organisationen werden nicht in den Sperrstreifen gelassen. "Wir wiederholen unsere Aufrufe, humanitären Organisationen Zugang zu den Menschen in den Grenzregionen zu verschaffen, um Hilfe zu leisten", sagte die Sprecherin der Kommission.

EU-Sanktionen könnten am Montag kommen

Das neue EU-Sanktionsinstrument, das etwa gegen Fluggesellschaften oder Reiseveranstalter zum Einsatz kommen könnte, soll nach Angaben von Diplomaten bereits am kommenden Montag bei einem EU-Außenministertreffen formell beschlossen werden.

Im nächsten Schritt könnten dann konkrete Strafmaßnahmen verhängt werden.

Belarus droht mit Gegenmaßnahmen bei EU-Sanktionen

Lukaschenko drohte im Fall neuer Sanktionen derweil mit einer scharfen Antwort. "Und wenn wir das Gas abstellen dorthin?", sagte er am Donnerstag in Minsk in einer Sitzung mit ranghohen Funktionären, darunter Militärs. "Wir beheizen Europa, und sie drohen uns noch damit, die Grenze zu schließen", meinte Lukaschenko.

Durch Belarus verläuft ein Teil der wichtigen russisch-europäischen Pipeline Jamal-Europa. Über die Leitung wird allerdings nur ein geringer Teil des Gases aus Russland nach Europa transportiert. Die Hauptmengen fließen durch die Ukraine und durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1.

Tichanowskaja: Lukaschenko blufft

Die Drohungen Lukaschenkos sind nach Einschätzung von Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja ein "Bluff". Ein solcher Schritt würde Belarus stärker schaden als der Europäischen Union, sagte Tichanowskaja am Donnerstag. Die EU-Staaten drängte sie, im Streit mit Belarus nicht nachzugeben und nicht direkt mit dem "illegitimen" Machthaber zu kommunizieren.

Die Oppositionelle hat am Donnerstag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier getroffen. Das Staatsoberhaupt warf der politischen Führung in Minsk vor, Menschen in inakzeptabler Weise zu instrumentalisieren, um politischen Druck auf die Europäische Union auszuüben. Auch Noch-Außenminister Heiko Maas warf Lukaschenko ein skrupelloses Spiel mit Menschenleben vor. Der SPD-Politiker drohte erneut mit Sanktionen – nicht nur gegen Belarus, sondern auch gegen beteiligte Transitländer und Fluggesellschaften: "Niemand sollte sich ungestraft an Lukaschenkos menschenverachtenden Aktivitäten beteiligen dürfen."

Merkel telefoniert erneut mit Putin

Um in der Lage zu vermitteln, telefonierte Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag erneut mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Es sei wichtig, die schwere Migrationskrise an den Grenzen von Belarus mit der EU auf Grundlage internationaler humanitärer Normen zu lösen, teilte der Kreml am Donnerstag nach dem Telefonat mit. Die Kanzlerin habe betont, "das belarussische Regime" instrumentalisiere "wehrlose Menschen in einem hybriden Angriff gegen die Europäische Union", sagte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert.

Russland will angesichts der angespannten Lage um die Migranten an der EU-Außengrenze zu Belarus nun doch bei der Lösung des Problems helfen. "Russland versucht – wie andere Länder auch –, sich bei der Lösung der Situation einzusetzen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge. Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel den russischen Präsidenten Wladimir Putin um Hilfe gebeten. Putin hat einen direkten Draht zum belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Russland drohen inzwischen selbst Sanktionen wegen der Lage in Belarus.

Der Kremlchef hatte Merkel nach Angaben der Präsidialverwaltung zunächst vorgeschlagen, die EU und Lukaschenko sollten direkt miteinander verhandeln. Nach der umstrittenen Präsidentenwahl im vergangenen Jahr erkennt die EU Lukaschenko allerdings nicht mehr als Staatschef an. Auch die belarussische Opposition hatte davor gewarnt, das "Regime von Diktator Lukaschenko" durch solche Verhandlungen praktisch zu legitimieren.

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Lage an der Grenze hat sich dramatisch verschlechtert

Kremlsprecher Peskow wies erneut zurück, dass Russland etwas mit der Schleusung von Menschen durch Belarus an die EU-Grenze zu tun habe. Auch die staatliche russische Fluggesellschaft Aeroflot wies Interfax zufolge angesichts drohender EU-Sanktionen Vorwürfe zurück, an dem Transport von Migranten nach Belarus beteiligt zu sein.

Die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze hat sich seit Wochenbeginn dramatisch verschlechtert, als Tausende Migranten sich von belarussischer Seite aus auf den Weg in Richtung EU machten. Bereits mehrfach versuchten größere Gruppen polnischen Behördenangaben zufolge vergeblich, die Zaunanlage zu durchbrechen, mit der Polen sie von einem Grenzübertritt abhalten will. Die EU hat neue Sanktionen auf den Weg gebracht, die Anfang nächster Woche formell beschlossen werden könnten.

Viele Angaben aus dem Grenzgebiet lassen sich nicht abschließend überprüfen, weil unabhängigen Journalisten bislang der Zutritt verwehrt wurde.

UN-Sicherheitsrat kommt zusammen

Am Donnerstag soll die Situation an der östlichen EU-Außengrenze auch den UN-Sicherheitsrat beschäftigen. Frankreich, Estland und Irland beantragten die Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums für den Nachmittag (Ortszeit) in New York, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitsratskreisen erfuhr.

Der Rat soll hinter verschlossenen Türen tagen. Litauen wollte sich dort für die Schaffung eines humanitären Korridors für rückkehrwillige Migranten einsetzen.

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Ukraine schickt Soldaten an die Grenze

Aufgrund der Lage im Grenzgebiet hat auch die Ukraine angekündigt, Tausende Soldaten an seine Grenze zu Belarus schicken. "Zusätzlich werden etwa 8.500 Militärdienstleistende und Polizisten aufgeboten", kündigte Innenminister Denys Monastyrskyj am Donnerstag im westukrainischen Gebiet Wolhynien an. So sollen etwa 3.000 Grenzsoldaten, 2.000 Nationalgardisten und 2.000 Polizisten an die über 1.000 Kilometer lange ukrainisch-belarussische Grenze verlegt werden. Zusätzlich sollen die teils unwegsamen Wald- und Sumpfgebiete unter anderem mit 15 Hubschraubern aus der Luft überwacht werden.

Gleichzeitig kündigte Monastyrskyj den Ausbau der Grenzanlage zu Belarus an. "In kürzester Zeit muss die Ukraine eine "intelligente Grenze" zu Russland und Belarus aufbauen", sagte der Minister. Umgerechnet über 560 Millionen Euro sollen dafür bereitgestellt werden. Seit 2014 baut Kiew bereits Gräben, Zäune und Wachtürme entlang der über 2.000 Kilometer langen Grenze zum Nachbarn Russland, mit dem die Beziehungen zutiefst angespannt sind. Abgeschlossen wurde das Großprojekt bis heute nicht. Medienberichten zufolge versickert ein Großteil der für den Bau bereitgestellten Haushaltsgelder.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa und AFP
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