Widersprüchliche Signale von Trump Die brutale Realität sieht anders aus

Der amerikanische Vizepräsident JD Vance spricht von "Zugeständnissen" Putins. Und Trump klingt, als wolle er der Ukraine nun Angriffe auf russisches Territorium ermöglichen. Abseits dieser Rhetorik aber tobt der Krieg weiter.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
"So gibt es keine Chance zu gewinnen!", verkündete Donald Trump Ende vergangener Woche auf Truth Social. Er beklagte, dass die Ukraine ja "nicht in die Offensive gehen" durfte, und schimpfte auf seinen Vorgänger Joe Biden, der Kiew nicht habe "zurückschlagen" lassen. Tatsächlich blieb die Vorgänger-Regierung immer zögerlich, wenn es um den Einsatz von Langstreckenwaffen gegen Russland ging. Denkt Trump nun um?
Zum 34. Unabhängigkeitstag der Ukraine am Sonntag verschickte der US-Präsident dann sogar ein Glückwunschschreiben an Wolodymyr Selenskyj, das dieser öffentlich teilte. Darin schrieb Trump: "Wenn Sie diesen wichtigen Tag nun begehen, seien Sie gewiss, dass die Vereinigten Staaten Ihren Kampf respektieren, Ihr Opfer würdigen und an Ihre Zukunft als unabhängige Nation glauben." Als Grußformel schloss er mit: "Gott segne die Ukraine".
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Diesen warmen Worten folgte Vizepräsident JD Vance, der im US-Fernsehen am Wochenende versicherte, Putin habe "signifikante Zugeständnisse" gemacht. Russland wolle künftig gar die Souveränität der Ukraine anerkennen und damit einen Schritt in Richtung Frieden ermöglichen, so Vance.
Vieles daran klingt nach erstaunlich guten Nachrichten seit dem Putin-Trump-Gipfel in Alaska und dem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs mit dem amerikanischen Präsidenten und Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Die US-Regierung lässt es derzeit an deutlichen Worten nicht mangeln und bemüht sich, das eigene Engagement stets als wichtigen Durchbruch zu verkaufen. Doch all das kann kaum kaschieren, dass die Ergebnisse bislang reichlich mager sind, und sie stets nur auf Russland reagiert.
Erst deutete Trump an, ein Waffenstillstand könne "ziemlich schnell" kommen. Das kassierte er wieder und behauptet seither, dieser sei für einen Frieden gar nicht nötig. Anschließend stellte er ein Treffen zwischen Putin und Selenskyj in Aussicht und plötzlich auch mögliche westliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine, an denen die USA zumindest unterstützenden Anteil haben würden. Geschehen ist seither nichts.
Putins ernüchternde Antwort
Schon wenige Tage nach dem Alaska-Gipfel erklärte der Kreml öffentlich, man würde keine europäischen Truppen auf ukrainischem Boden akzeptieren, und machte zudem klar, dass gar kein direktes Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten geplant sei.
Während Putin, Trump, Selenskyj und die Europäer vor die Kameras traten, schlugen auch weiterhin russische Drohnen und Raketen in ukrainischen Städten ein. Die Kämpfe im Donezker Gebiet und entlang der Ostfront bleiben heftig. Die russischen Truppen drängen in Richtung der Stadt Pokrowsk, während die Ukrainer weiter versuchen, dagegenzuhalten.
Auch wenn das Momentum aktuell bei Russland liegt, haben sich die Frontlinien nach mehr als drei Jahren Krieg und anfänglicher Bewegung kaum noch verschoben. Der materielle und menschliche Abnutzungskrieg wird unerbittlich weitergeführt.
Die nun vom US-Vizepräsidenten JD Vance gelobten "Zugeständnisse" Putins, insbesondere sein angebliches Eingeständnis, keine Marionettenregierung in Kiew installieren zu können und die Souveränität des Landes fortan achten zu wollen, bleiben nicht nur weit hinter den ukrainischen Forderungen zurück. Sie sind aus Sicht der Europäer auch kaum überprüfbar und schon gar nicht belastbar.
Wahre Zugeständnisse müssten anders aussehen. Zu den Forderungen der Ukraine gehören etwa die Rückführung von mehr als einer Million entführter Kinder, die Wiederherstellung der territorialen Integrität und ein glaubwürdiger Schutz vor weiteren und künftigen russischen Aggressionen. Doch den kann es wohl nur mit ausländischen Truppen auf ukrainischem Gebiet geben.
Widersprüchliche Signale von Trump
Die großen Fragen bleiben daher: Welches Ziel verfolgt Donald Trump, mit welchen Mitteln? Nachdem der Präsident sich über die von der Biden-Regierung angelegten Ketten für die Ukraine beschwert hatte, veröffentlichte das "Wall Street Journal" einen Bericht, wonach ausgerechnet das Pentagon unter Trump derzeit gezielt den Einsatz von amerikanischen ATACMS-Raketen, also Langstreckenwaffen, gegen Ziele in Russland blockiere. Insofern scheint Trump sich nicht anders als Biden zu verhalten.
Gleichzeitig aber genehmigte die US-Regierung wohl eine Lieferung von mehr als 3.300 Raketen vom Typ ERAM (Extended Range Attack Munition) mit einer Reichweite von bis zu 280 Kilometern, hauptsächlich finanziert durch europäische Staaten. Jede einzelne dieser Waffen soll allerdings erst nach ausdrücklicher Genehmigung aus Washington eingesetzt werden dürfen.
Statt einer klaren Linie zur Unterstützung der Ukraine sendet das Weiße Haus in Wahrheit auch weiterhin doppelte Signale: Kiew soll zwar vorerst gestärkt, aber zugleich nicht in eine Lage versetzt werden, das Kriegsgeschehen durch tiefere Schläge ins russische Hinterland wenden zu können. Der Grund ist klar: Putin soll im Gespräch und die Ukraine an der kurzen Leine gehalten werden. Die Kontrolle zur Eskalation soll ausschließlich bei den USA liegen und Russland soll Chancen sehen.
Die Realität überholt den Optimismus
Was aber kann mit dieser Strategie überhaupt erreicht werden? Der frühere Leiter des CIA-Büros in Moskau, John Sipher, warnte nun in einem Aufsatz davor, dass Trumps Vorgehen vorwiegend von Hast und Eitelkeit geprägt sei. Profitieren würde davon in erster Linie der Aggressor. Der langjährige Russland-Experte schreibt: "Putin sieht Trumps Sehnsucht nach einem Nobelpreis oder einem persönlichen 'Sieg' nicht als Stärke, sondern als Schwäche."
Trump habe seine eigenen Fristen für neue Sanktionen gegen Putin bereits mehrfach verlängert, Indien, das Russland viel Öl abkauft, zwar mit massiven Zöllen gedroht, aber bis heute nicht umgesetzt. Trumps transaktionale Diplomatie, die auf bilateralen Deals basiert, würde historische Lehren schlicht ausblenden, schreibt Sipher. Unter Zwang geschlossene Vereinbarungen seien selten von Dauer. Putin habe bereits gegen das Budapester Memorandum, die Minsker Abkommen und zahlreiche Rüstungskontrollverträge verstoßen. "Jedes Abkommen, das er heute unterzeichnet, ist wahrscheinlich nur ein weiteres Stück Papier, das er morgen wieder wegwerfen wird."
Sipher kommt angesichts der Rhetorik der Trump-Regierung zu einem ernüchternden Schluss: "Das Gerede von einem nahen Frieden ist nur Gerede." Solange Moskau nicht wirklich spüre, dass der Preis zu hoch wird und solange Kiew kein Abkommen sehe, das seinen Namen verdient, werde der Krieg einfach weitergehen. "Erwarten Sie in naher Zukunft kein Friedensabkommen in der Ukraine", so Sipher.
Vieles deutet darauf hin, dass der frühere CIA-Mann Recht behält. Was Trump auch posten und was Vance in Interviews auch von sich geben mag: Ihr betonter Optimismus wird durch die andauernden russischen Angriffe konterkariert. Die Ukraine steht am Ende dieses Sommers vor ihrem vierten Kriegswinter. Und Europa steckt fest zwischen Durchhalten mit Selenskyj, dem Versuch, Trump nicht zu vergraulen, und fadenscheinigen Zugeständnissen von Putin.
- en.defence-ua.com: "UK Defense Intelligence: at Current Pace, russia Needs Four More Years to Capture Temporarily Occupied Regions" (Englisch)
- Tomorrow's Affairs: "Don’t Expect a Ukraine Peace Deal Anytime Soon" (Englisch)
- wsj.com: "Pentagon Has Quietly Blocked Ukraine’s Long-Range Missile Strikes on Russia" (Englisch, kostenpflichtig)
- nytimes.com: "What’s Next for Ukraine After All That Diplomacy?" (Englisch, kostenpflichtig)
- NBC News: "JD Vance says Putin ‘not at all’ misleading Trump in Ukraine talks: Full interview" (Englisch)







