Präsident attackiert Sender Trump: "Seien Sie still"

In den USA geht die Angst um. Die Demokraten fürchten, dass die Trump-Regierung die Meinungsfreiheit abschaffen könnte. Sie fordern "reale Konsequenzen".
Die Atmosphäre für Journalisten und Meinungsmacher in den USA wird nach dem tödlichen Attentat auf den rechtsradikalen Aktivisten Charlie Kirk feindseliger. Das musste nun auch der Moderator Jimmy Kimmel erfahren. Die Late-Night-Show des Talkmasters wurde am Mittwoch von seinem Haussender kurzerhand abgesetzt, weil Kimmel unlautere Kommentare zum Mord an Kirk gemacht haben soll.
Darauf reagierte die Demokratische Partei, indem sie einen Gesetzesvorschlag zum Schutz der Meinungsfreiheit in den Kongress einbrachte. "Das ist ein entscheidender Moment für das Land", sagte Senator Chris Murphy in Washington. "Konservative, die sagen, dass sie Demokratie und Meinungsfreiheit unterstützen, müssen jetzt ihre Stimme erheben."
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Mit dem "No Political Enemies Act" ("Gesetz gegen politische Verfolgung") wollen die Demokraten nach eigenen Angaben Menschen schützen, die aus politischen Gründen in den Fokus der Regierung von Präsident Donald Trump geraten. Regierungsvertreter sollen "reale Konsequenzen" tragen müssen, wenn sie von der US-Verfassung geschützte Meinungsäußerungen unterdrücken. Die Erfolgsaussichten des Vorstoßes im Kongress sind aufgrund der politischen Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Republikaner jedoch gering.
Drohungen gegen ausführenden Sender
Die demokratische Initiative ist auch eine Reaktion auf die Absetzung von Jimmy Kimmel. Dessen Demission hatte Trump schon lange gefordert. Bereits seit seiner ersten Amtszeit liefert sich der Präsident eine Art Privatfehde mit dem liberalen Moderator. Dass Kimmels Aus ausgerechnet jetzt kam, sehen politische Beobachter allerdings in Zusammenhang mit konkreten Drohungen der US-Administration gegen unliebsame Medien und TV-Sender.
Demnach soll der Disney-ABC-Konzern, der die Kimmel-Show über den Sender Nexstar produzierte, die Vergeltung der Trump-Regierung gefürchtet haben. Disney-ABC stand kurz davor, mehrere Lokalsender in den USA zu übernehmen, benötigte dafür aber die Zustimmung der Regierung.
Brendan Carr, Chef der "Federal Communications Commission" (FCC), jene Behörde, die Amerikas Funk- und Fernsehfrequenzen reguliert, hatte jedoch angedeutet, dass man dem Sender die Lizenzen verweigern könnte. "Wir können das auf dem einfachen Weg machen, oder wir können es auf dem harten Weg machen", sagte Carr in Richtung der Sendeanstalt. Zuvor hatte er bereits gedroht: "Das ist jetzt eine sehr, sehr ernste Angelegenheit für Disney."
Wenige Stunden später wurde die Sendung von Kimmel tatsächlich abgesetzt. Die Show gab es bereits seit 2003 und zählte zum festen Abendprogramm vieler Amerikaner.

Das hat der Komiker gesagt
Dieser Satz kostete Kimmel den Job: "Wir haben am Wochenende neue Tiefpunkte erreicht, als die MAGA-Gang verzweifelt versuchte, dieses Kind, das Charlie Kirk ermordet hat, als etwas anderes als einen von ihnen darzustellen und alles Mögliche tat, um damit politisch einen Punkt zu machen".
Carr zeigte sich überaus zufrieden. Der Mann, den CNN als Trumps "Kettenhund" bezeichnet, dankte Disney-ABC für "richtiges Handeln" in der Causa Kimmel. Auf X postete er dazu ein Meme, das Büroangestellte bei einem Freudentanz zeigt.
Der demokratische Kongressabgeordnete Ro Khanna brachte daraufhin einen Antrag ein, mit dem Carr vor der Parlamentskammer vorgeladen werden sollte. "Jetzt sorgen sie sogar schon dafür, dass Satire illegal ist", echauffierte sich Khanna über das MAGA-Lager. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Republikaner abgelehnt.
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Trump selbst feierte Kimmels Absetzung auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social: "Glückwunsch an ABC, dass sie endlich den Mut hatten, das zu tun, was schon lange getan werden musste."
Lang andauernde Fehde zwischen Trump und Kimmel
Der Aufschrei unter Amerikas Liberalen ist unterdessen groß. Empörend empfinden zahlreiche Medienschaffende und Schauspieler den Umgang mit dem beliebten Late-Night-Talker. "Ich bin erschüttert, dass Jimmy Kimmel gecancelt wurde", schrieb die sechsfache Emmy-Preisträgerin Jean Smart. "Was Jimmy gesagt hat, war von der Meinungsfreiheit gedeckt, und eben keine Hassrede. Manche Leute scheinen aber nur das von der Meinungsfreiheit gedeckt zu sehen, was ihrer eigenen Agenda entspricht."
"Das ist nicht richtig", schrieb der Schauspieler Ben Stiller bei X kurz und knapp.
Die Schauspielerin Wanda Sykes fügte mit Blick auf den US-Präsidenten hinzu: "Er (Trump) hat zwar weder den Krieg in der Ukraine noch den Krieg in Gaza beendet, aber er hat innerhalb nicht mal eines Jahres das Recht auf freie Rede beendet."
Newsom: "Alles keine Zufälle"
"Sie zensieren Euch in Echtzeit", schrieb Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom. "Das sind alles keine Zufälle. Es ist koordiniert. Und es ist gefährlich."
Der bekannte Moderator des Kabel-Senders MSNBC, Chris Hayes, sagte: "Das ist die bislang schamloseste Attacke auf die Meinungsfreiheit von staatlichen Akteuren, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe."
Hayes erlebte schon kurz nach dem Attentat die unfreiwillige Demission seines Sender-Kollegen Matthew Dowd. Der politische Analyst hatte sich in der Show "Katy Tur Reports" zum Kirk-Attentat geäußert und unterstellt, dass Kirks eigene, hasserfüllte Rhetorik womöglich zu seiner Ermordung beigetragen habe. Daraufhin wurde er umgehend von MSNBC gefeuert. "Hasserfüllte Gedanken führen zu hasserfüllten Worten, die dann zu hasserfüllten Handlungen führen", hatte Dowd gesagt.
Trump liefert sich Wortgefecht mit Reporter
Am Mittwoch hatte sich Trump kurz vor seinem Abflug nach Großbritannien ein Wortgefecht mit einem ABC-Journalisten geliefert. Auf dem Rasen vor dem Weißen Haus fragte John Lyons, der US-Korrespondent des australischen Senders, Trump nach dessen zahlreichen Geschäften, die er auch als Präsident tätigt. "Finden Sie das angemessen, dass ein amtierender Präsident so viele (private) Geschäfte macht?", fragte Lyons.
"Nun, das tue ich gar nicht. Meine Kinder führen die Geschäfte. Wissen Sie, welche Aktivitäten...". Dann brach der 79-Jährige ab und fragte Lyons: "Woher kommen Sie eigentlich?"
Lyons sagte Trump, dass er für die australische Presse in Washington arbeite. Daraufhin drohte der Präsident dem Journalisten: "Wissen Sie, ihr Führer (Anm.: Australiens Premierminister Anthony Albanese) kommt mich bald besuchen, und ich werde ihm von Ihnen berichten. Sie haben hier einen sehr schlechten Eindruck hinterlassen." Lyons wollte eine Nachfrage stellen, Trump trat einen Schritt auf den Reporter zu und richtete seinen Zeigefinger auf ihn: "Seien Sie still."
Auf der Pressekonferenz in Großbritannien bekam die ABC dann plötzlich keinen Zugang mehr. Das Weiße Haus gab "logistische Gründe" für den Ausschluss des australischen Senders an.
Trump: "Vielleicht sollte man ihnen die Lizenz entziehen"
Bei einer Rede im Rahmen seines Staatsbesuchs in Großbritannien verwies Trump auf die Geistesgrößen, die das Vereinigte Königreich hervorgebracht hatte. Er nannte unter anderem die Schriftsteller William Shakespeare, J.R.R. Tolkien und auch George Orwell. Der hatte in seinem dystopischen Roman "1984" eine Gesellschaft beschrieben, in der Redefreiheit nicht existiert und eine unterdrückerische Regierung das Sprechen und Denken bestimmt.
Kritiker sehen die USA unter der zweiten Regierung von Donald Trump immer mehr in eine solche repressive Gesellschaft abgleiten. Eine Gesellschaft, in der nur noch das als wahr gilt, was die Regierung vorgibt. Es wird befürchtet, dass die US-Regierung gegen weitere Sender und Trump-kritische Showmaster vorgehen könnte. Der Präsident selbst deutete das bereits an. Auf dem Rückflug von Großbritannien drohte er unliebsamen Fernsehanstalten mit dem Lizenzentzug.
"Ich habe irgendwo gelesen, dass die Fernsehsender zu 97 Prozent gegen mich waren, noch einmal, zu 97 Prozent negativ, und dennoch habe ich gewonnen", sagte er in Bezug auf die Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr. "Diese Sender reden nur schlecht über mich. Ich meine, sie bekommen eine Lizenz. Ich denke darüber nach, ob man ihnen vielleicht die Lizenz entziehen sollte."
Und Trump machte auch keinen Hehl daraus, wen es nach der Entlassung von Jimmy Kimmel treffen könnte: "Bleiben noch Jimmy (Fallon) und Seth (Rogan), zwei totale Versager, die beim Fake-Sender NBC arbeiten. Ihre Quoten sind auch fürchterlich", schrieb er bei Truth Social. Er forderte: "Tu es NBC!!!".
- cnn.com: ABC yanks Jimmy Kimmel’s show ‘indefinitely’ after threat from Trump’s FCC chair
- theguardian.com: MSNBC fires analyst Matthew Dowd over Charlie Kirk shooting remarks
- vanity.com: Jimmy Kimmel Shocker: Ben Stiller, Chris Hayes, Gov. Newsom and More Criticize ABC for Pulling Late Night Show Over Charlie Kirk Comments
- bbc.com: Trump says TV networks 'against' him should 'maybe' lose licence, after Kimmel suspension
- cnn.com: How Brendan Carr, the attack-dog FCC chair, helped take down Jimmy Kimmel with words, not actions
- nesweek.com: Donald Trump Praises George Orwell Amid Free Speech Crackdown Concerns
- theconversationcom: The Orwellian echoes in Trump’s push for ‘Americanism’ at the Smithsonian
- newsweek.com: Brendan Carr's 'Censorship' Remarks Resurface After Jimmy Kimmel Suspension
- thehill.com: Republicans block Democratic effort to subpoena FCC’s Brendan Carr over Jimmy Kimmel
- theguardian.com: ABC excluded from Trump’s UK press conference as British officials deny any link to clash with Australian journalist
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa














