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Trump erklärt "Antifa" zur Terrororganisation – Das sind die Gefahren


Droht in den USA jetzt die politische Verfolgung?
So gefährlich ist Trumps neueste Entscheidung


Aktualisiert am 23.09.2025Lesedauer: 5 Min.
US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus: "Antifa" ist nun eine Terrororganisation.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus: Die Antifa gilt nun als Terrororganisation. (Quelle: Kevin Lamarque)
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Trump erklärt die Antifa-Bewegung zur Terrororganisation. Was bedeutet das für Aktivisten, Medien und die freie Meinungsäußerung in den USA? Das neue Dekret ist mehr als Symbolik. Es birgt schwerwiegende Risiken für die Demokratie.

Bastian Brauns berichtet aus New York

Schon in seiner ersten Amtszeit hatte er diese Maßnahme angekündigt. Am Montag hat US-Präsident Donald Trump nun eine Executive Order unterzeichnet, in der die sogenannte Antifa offiziell als "inländische Terrororganisation" bezeichnet wird.

Das Dekret des Präsidenten beschreibt die Antifa als eine "militaristische, anarchistische Unternehmung", die das Ziel habe, die US-Regierung, die Rechtsdurchsetzung und das Rechtssystem zu untergraben.

Darum sollen die Bundesbehörden ab sofort jegliche Antifa-Aktivitäten untersuchen, Netzwerke zerschlagen und beteiligte Personen strafrechtlich verfolgen. Dazu gehören auch Menschen oder Organisationen, die angeblich finanzielle Unterstützung leisten.

Hinter dem angekündigten Plan verbergen sich erhebliche verfassungsrechtliche Konsequenzen und damit auch wichtige Fragen:

Ist Antifa überhaupt eine Organisation?

"Antifa" ist die Kurzform von Antifaschismus oder auf Englisch anti-fascist. Der Begriff steht in der Regel für eine lose, dezentrale Bewegung. Mit "Antifa" werden ganz allgemein Bestrebungen beschrieben, die sich aktiv gegen Faschismus, Rassismus, Rechtsextremismus und autoritäre Strömungen richten.

Befürworter sehen in der Antifa darum eine notwendige zivilgesellschaftliche Gegenwehr gegen Faschismus. Kritiker hingegen werfen ihr vor, Gewalt zu legitimieren, demokratische Institutionen zu schwächen und selbst (links)extremistisch aufzutreten. Tatsächlich gab und gibt es regelmäßig politisch motivierte Gewalttaten, die von einzelnen Akteuren verübt werden. Einer eigenständigen Organisation namens "Antifa" können diese aber nicht zugeordnet werden.

Denn anders als ausländische Terrorgruppen wie al-Qaida oder der "Islamische Staat" ist die Antifa keine zentralisierte Organisation mit Mitgliederlisten, erkennbaren Führungsstrukturen oder festen Büros. Vielmehr handelt es sich um ein loses Netzwerk von Aktivisten, die sich lokal koordinieren, aber keiner festen Hierarchie unterstehen.

Diese fehlende Struktur erschwert es erheblich, die Antifa juristisch als eine einheitliche Organisation zu behandeln. Doch genau das will Trump nun erreichen. Amerikanische Gerichte dürften aber Beweise für eine gewisse Kontinuität, eine identifizierbare Führung und organisatorische Kapazitäten verlangen.

Darf der Präsident das überhaupt?

Es gibt zudem bislang keinen gesetzlichen Rahmen in den USA, der dem Präsidenten erlaubt, eine inländische Gruppe formal als Terrororganisation zu deklarieren. Diese Möglichkeit besteht bislang nur für ausländische Gruppen, die als sogenannte FTOs (Foreign Terrorist Organizations, also ausländische Terrororganisationen) eingestuft werden können. Eine vergleichbare gesetzliche Definition oder eine Liste für inländische Gruppen existieren nicht.

In einem Artikel der "Washington Post" weisen Experten darauf hin, dass eine solche Einstufung im Hinblick auf den ersten Verfassungszusatz, das sogenannte First Amendment, und das Recht auf freie Meinungsäußerung äußerst bedenklich ist. Die US-Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, die Meinungs- und Pressefreiheit, das Recht auf friedliche Versammlung sowie das Recht, die Regierung aufzufordern, Missstände abzuschaffen. Das First Amendment schützt die Bürger vor staatlichen Eingriffen in diese fundamentalen Freiheiten.

Nicht der Präsident, sondern der Kongress hat ein klares Verfahren zur Einstufung ausländischer Terrororganisationen geschaffen, das vom Außenministerium überwacht wird. Da es für inländische Gruppen nichts Vergleichbares gibt, könnte Trumps Executive Order zunächst weitgehend symbolischen Charakter haben – zumindest, solange der Kongress kein entsprechendes Gesetz verabschiedet. "Der Präsident kann per Dekret keine neue Straftat oder Rechtskategorie schaffen", erklärt etwa die Verfassungsrechtlerin Hina Shamsi. Die Direktorin des "National Security Project" der Bürgerrechtsorganisation ACLU sagt unmissverständlich: "Diese Befugnis liegt beim Kongress."

Bestehen dennoch Gefahren?

Der amerikanische Präsident ist allerdings dafür bekannt, sich im Zweifel nicht für verwaltungsrechtliche Prozesse, Normen oder Gesetze zu interessieren. Im Rechtsverständnis der Trump-Regierung liegt die Macht im Grunde allein beim Präsidenten, die Parlamente und die Gerichte sollen sich ihm unterordnen. Darum spricht viel dafür, dass Trump auch dieses Mal die Grenzen seiner Macht austesten wird und die Behörden anweist, Anhänger der Antifa-Bewegung zu verfolgen.

Sollte die Einstufung des Weißen Hauses dazu führen, dass Menschen allein aufgrund ihrer Ideologie oder Zugehörigkeit zu einer nicht klar definierten, losen Gruppierung überwacht oder strafrechtlich verfolgt werden, könnte dies von Gerichten als unzulässige Diskriminierung politischer Meinungen gewertet werden.

Was etwa könnte es bedeuten, "die Antifa zu finanzieren"? Das geht aus dem Dekret von Donald Trump nicht hervor. Reicht es schon aus, lokale Protestgruppen gegen politische Ziele der Trump-Regierung zu unterstützen? Geht es um Prozesskostenhilfen für angeklagte Personen? Ohne klare Definition besteht die Gefahr, dass auch legales politisches Engagement kriminalisiert wird.

Was könnten langfristige Folgen sein?

Die Executive Order ist ein politisches Instrument und eine rechtliche Anweisung. Indem Trump mutmaßliche Antifa-Anhänger als Terroristen brandmarkt, schafft er ein neues Feindbild. Insbesondere seit der Ermordung des rechten Aktivisten Charlie Kirk behaupten Trump und seine Regierung, dass daran auch Antifa-Netzwerke schuld seien. Für diese Theorie gibt es bislang keine Belege der Ermittlungsbehörden. Im Gegenteil: Sie gehen davon aus, dass Tyler R. allein gehandelt hat.

Der Mord an Charlie Kirk und das Antifa-Terrorismus-Dekret liefern Trump allerdings eine Rechtfertigung für eine großangelegte, verschärfte Überwachung linker Aktivisten. Regierungsmitglieder wie die Geheimdienstdirektorin Tulsi Gabbard verglichen die Tat nicht ohne Grund mit den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001. Damals wurden weitreichende Anti-Terror-Maßnahmen ergriffen und unter anderem das Heimatschutzministerium Department of Homeland Security (DHS) geschaffen.

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Es besteht nun die Gefahr, dass die US-Regierung künftig die verschiedensten Protestbewegungen – von Black Lives Matter über Umweltaktivisten bis zu Demonstranten, die gegen die rechtlich umstrittenen Methoden der Abschiebebehörde ICE vorgehen – als "Terrororganisationen" oder als einer solchen Organisation zugehörig erklären.

Trumps Unterstützer liebäugeln schon jetzt damit, den sogenannten RICO-Act ("Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act") anzuwenden. Dabei handelt es sich um ein Bundesgesetz von 1970, das ursprünglich zur Verfolgung von organisierter Kriminalität wie der Mafia dienen sollte. Es wird bis heute dazu genutzt, um Personen oder Gruppen strafrechtlich als kriminelle Organisationen zu verfolgen, wenn sie über längere Zeit eine Reihe von Straftaten begehen.

Auch Donald Trump und seine Mitstreiter waren vor zwei Jahren in Georgia unter dem RICO-Gesetz im Zusammenhang mit Versuchen angeklagt worden, den Ausgang der Präsidentschaftswahlen 2020 zu manipulieren. In dem Fall kam es vor seinem erneuten Wahlsieg 2024 aber nicht zum Prozess. Bei der Antifa dürfte die Anwendung von RICO schwierig werden, da hierfür organisationsähnliche Strukturen nachgewiesen werden müssten.

Viele Anhänger wie der rechte Influencer Scott Presler rufen jedoch bereits dazu auf, Informationen zu angeblichen Sympathisanten zu sammeln. "Bitte beginnt damit, das Internet zu durchforsten und Belege für jeden Nutzer zu sichern, der sich mit der Antifa identifiziert", schrieb er auf X.

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Trumps Unterstützer haben es dabei auch auf den Milliardär George Soros abgesehen, um dessen Unterstützung für Demokratie-Projekte im Rahmen seiner "Open Society Foundations" (OSF) zu unterbinden.

Wird Antifaschismus und Berichterstattung nun zum Risiko?

Trumps Dekret, die Antifa zur "inländischen Terrororganisation" zu erklären, kann nicht nur einzelne Aktivisten betreffen. Die Grenzen sind bewusst schwammig gehalten. Jegliche antifaschistische Arbeit könnte plötzlich als Unterstützung für die Antifa gewertet werden – selbst Projekte weithin etablierter Organisationen wie der Anti-Defamation League (ADL).

Die ADL dokumentiert Rechtsextremismus, aber auch Linksextremismus, klärt über sogenannte "Hassgruppen" auf und veröffentlicht Berichte. Sie begeht also weder Gewalttaten noch Terrorakte. Dennoch könnte nun versucht werden, ihre Arbeit politisch oder medial in Verbindung mit der Antifa-Bewegung zu bringen, um die Organisation zu schwächen und auf Regierungslinie zu bringen.

Auch vor Medien scheint Trump keinen Halt zu machen. An Bord der Regierungsmaschine Air Force One fragte er eine Reporterin des bei seiner Regierung unbeliebten öffentlichen Senders NPR, ob ihre Organisation "etwas mit der Antifa zu tun" habe. Einen australischen Journalisten des TV-Senders ABC bedrohte er vor dem Weißen Haus mit den Worten: "Vielleicht verfolgen wir ja bald Sie."

Überwachung, eingefrorene Fördermittel und empfindliche Reputationsrisiken sind also mögliche Folgen des Dekrets. Derartig vage Terrordefinitionen könnten den Eindruck staatlicher Willkür erwecken, wie man sie aus Ländern wie Russland kennt – und dazu führen, dass Menschen durch Einschüchterung davon abgebracht werden, für ihre berechtigten Ziele einzutreten.

Verwendete Quellen

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