Neue Rolle für das US-Militär Trumps gefährlichste Rede

Trump und sein Verteidigungsminister Pete Hegseth wollen das US-Militär nicht mehr nur zur Verteidigung einsetzen – sondern um ihre Macht durchzusetzen. Vor den ranghöchsten Generälen zeigten sie nun, wie weit sie zu gehen bereit sind.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Die oberste militärische Führung der Vereinigten Staaten zu zwingen, sich für eine Rede des Präsidenten auf amerikanischem Boden zu versammeln, also alle Generäle und Admiräle von ihren Kommandos rund um die Welt abzuziehen, das ist in der modernen US-Geschichte beispiellos.
Kritiker hatten diesen Plan im Vorfeld als unverantwortlich bezeichnet. Sie wiesen darauf hin, dass ein solcher Schritt strategisch zumindest für einen Moment weltweit eine Lücke reißen würde. Vielleicht noch viel entscheidender: Ein solcher Schritt bedeutet auch eine Politisierung der militärischen Befehlskette.
Machtdemonstration vor US-Generalität
Spätestens als Donald Trump und sein jetzt "Kriegsminister" genannter Verteidigungsminister Pete Hegseth die US-Generalität in der Marine Corps Base Quantico in Virginia versammelt hatten, war klar: Genau um diese Politisierung des Militärs soll es hier gehen. Schon das Setting war eine Machtdemonstration: Die Rede des Präsidenten ist in diesem Moment wichtiger als militärische Aufgaben.
Es ist ein Verständnis der Rolle des Präsidenten als Commander-in-Chief (Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte), das weit über die bisher geltenden Normen hinausgeht. Nicht die Verfassung, auf die Soldaten ihren Eid ablegen, sondern Trumps persönliche Autorität über das Militär schien in Quantico im Vordergrund zu stehen. Der Grund: Die US-Regierung sieht sich im Krieg, insbesondere gegen "Feinde im Inneren".
Als Trump die Bühne betrat, versuchte er den Sinn der Veranstaltung mit einem Witz zu überdecken. Noch nie sei er in einen Raum gekommen, in dem es so still gewesen sei, sagte Trump. Es sei natürlich niemand gezwungen, ihm zu applaudieren oder zu bleiben, jeder könne auch einfach gehen. "Wenn Ihnen nicht gefällt, was ich sage, können Sie den Raum verlassen. Natürlich ist Ihr Rang dann dahin, Ihre Zukunft ist dahin. Aber zumindest fühlen Sie sich dann wohl und entspannt", sagte der Präsident.
Fokus auf "innere Feinde"
Es war sein Einstieg zu einer mehr als einstündigen Rede. In ihr legte Trump noch einmal dar, warum er das "Verteidigungsministerium" in "Kriegsministerium" umbenannt hat. Trump verspottete den alten Namen als "wokes" Relikt aus den 1950er-Jahren. Pete Hegseth formulierte die neue Mission später unmissverständlich: "Von diesem Moment an hat das neu geschaffene Kriegsministerium nur noch diese eine Aufgabe: Krieg – kämpfen, sich auf den Krieg vorbereiten und sich darauf vorbereiten, zu gewinnen."
Die Botschaft war klar: In Trumps zweiter Amtszeit soll die militärische Haltung der Vereinigten Staaten aggressiver, kompromissloser und auf direkte Konfrontation ausgerichtet sein. Und zwar verstärkt nicht nur gegen ausländische Gegner, sondern auch gegen "inländische Feinde". Niemand wolle Krieg, sagte Trump. Aber nur auf diese Weise könne man ihn verhindern. Sein Mantra "Frieden durch Stärke" trägt er schon lange vor. In Quantico wurde nun deutlich, wie genau diese Demonstration von Stärke aussehen soll.
Gegen eine "Invasion von Innen"
"Wir wollen Krieg, weil wir keine Kriege wollen. Aber man muss zur Stelle sein … und manchmal muss man es tun", sagte Trump. Angebliche innenpolitische Herausforderungen zogen sich dabei als roter Faden durch seine Rede, die er vor Führungskräften hielt, deren Aufgabe vornehmlich der Schutz des Landes gegen äußere Bedrohungen sein soll. Trump aber referierte über Kriminalität, Einwanderung und städtische Unruhen und sprach dabei buchstäblich von einem "Krieg".
Der Präsident behauptete, die USA seien mit "einer Invasion von innen" konfrontiert. Er sprach von "Feinden", die zwar "keine Uniformen" tragen würden, dennoch als Feinde behandelt werden müssten. Wie schon oft prahlte er damit, dass Washington, D.C. durch aggressive Einsätze der Nationalgarde und Massenverhaftungen von "1.700 Berufsverbrechern" von der "unsichersten Stadt Amerikas" in eine "sichere Stadt" verwandelt worden sei. Eine oft wiederholte Behauptung, die nicht den Tatsachen entspricht.
In seiner Rede überschritt Trump dann eine weitere Grenze. Er schlug vor, das US-Militär in städtischen Gebieten wie Chicago und Portland trainieren zu lassen. "Es ist wirklich eine sehr wichtige Mission. Wir sollten einige dieser gefährlichen Städte als Übungsgelände für unsere Nationalgarde nutzen, aber militärisch, denn wir marschieren sehr bald in Chicago ein", sagte Trump.
Er berief sich auf den Militäreid, wonach Soldaten die USA gegen "Feinde von außen und innen" verteidigen müssten. "Sie kennen diesen Satz sehr gut!", erinnerte Trump die Generäle. San Francisco, Chicago, New York, Los Angeles seien sehr unsichere Orte, die man wieder in Ordnung bringen werde. "Das wird für einige hier im Raum ein wichtiger Teil ihrer Arbeit sein. Auch das ist ein Krieg. Es ist ein Krieg von innen", sagte Trump.
Tatsächlich lautet der Militärschwur, "die Verfassung der Vereinigten Staaten zu schützen und gegen alle Feinde im In- und Ausland zu verteidigen". Das bedeutet aber, dass die Soldaten allein der Verfassung die Treue schwören und nicht einer bestimmten Person oder politischen Partei. Trumps Rede hingegen zielte darauf ab, dass letztlich auch innenpolitischer Dissens oder städtische Kriminalität in die Zuständigkeit des Militärs fallen sollen.
Trump attackiert vor seinen Generälen die Demokraten
Diese Worte passen zu Trumps jüngstem Dekret, mit dem er die Antifa zu einer inländischen Terrorgruppe erklärte. Dabei erscheint willkürlich, auf welcher gesetzlichen Grundlage und gegen wen künftig konkret vorgegangen werden soll. Trump rechtfertigte in seiner Rede einmal mehr auch potenzielle Gewalt von Soldaten gegen amerikanische Zivilisten: "Wenn sie spucken, dann schlagen wir", sagte er nicht zum ersten Mal.
Es ist eine weitere Abkehr von jahrzehntealten Normen und Einsatzregeln, die gerade im Innern immer von großer Zurückhaltung geprägt waren. In den USA schränkt der sogenannte Posse Comitatus Act die Rolle des Militärs bei innerstaatlicher Strafverfolgung gesetzlich stark ein. Trumps Äußerungen signalisieren seine Bereitschaft, diese Grenze infrage zu stellen.
Wie sehr es dem republikanischen Präsidenten dabei um den politischen Gegner geht, wurde an vielen Stellen seiner Rede in Quantico deutlich. Sie war durchzogen von parteipolitischen Angriffen, vor allem gegen den ehemaligen Präsidenten Joe Biden, den er einmal mehr als "Autopen" verspottete, der seine Gesetze gar nicht selbst, sondern maschinell unterschrieben habe.
Trump machte Bidens "Inkompetenz" letztlich für alles verantwortlich – vom Abzug aus Afghanistan über steigende städtische Kriminalität und illegale Einwanderung bis hin zum Krieg in der Ukraine. Er beschuldigte die vorherige Regierung, "Mörder" und "Geisteskranke" ins Land eingeladen zu haben. Diese offene Politisierung vor den ranghöchsten Militäroffizieren der Nation ist ein einmaliger Vorgang. Gerade das US-Militär wird traditionell durch strikte Normen von parteiischer Rhetorik abgeschirmt.
Ein Krieg gegen "Wokeness" und Diversität
Schon vor Trumps mäandernder Rede hatte sich Pete Hegseth an die Militärs gewandt. Trumps "Kriegsminister" hatte seine Worte augenscheinlich auswendig gelernt, denn er ignorierte die Teleprompter, trat vor die Generäle und sprach frei zu ihnen. Hegseths Ansprache klang disziplinierter als die spätere von Trump, aber nicht weniger radikal. Er führte die ideologische Grundlage aus und beschrieb den neuen Wind, der fortan in den US-Streitkräften wehen soll.
Hegseth zeichnete ein Bild des amerikanischen Militärs, das von "politischer Korrektheit" und vom "Pazifismus" geradezu verseucht gewesen sei und jetzt endlich befreit werde. Der einzige Sinn seines "Kriegsministeriums" liege ab sofort in der "Vorbereitung auf und dem Gewinnen von Kriegen". Jegliche Diversitäts-, Gleichstellungs- und Inklusionsprogramme (DEI) tat er als "Ablenkungen" ab, welche die Kampfkraft schwächten. Ab sofort hänge die Zukunft der Streitkräfte nur noch von "Fitness, Fähigkeiten, Charakter und Stärke" ab. Auf "verletzte Gefühle" werde man keine Rücksicht mehr nehmen. Wem das nicht gefalle, der dürfe, ja, der solle gehen, so Hegseth.
Am aufschlussreichsten war vielleicht Hegseths Feststellung, dass bereits das Personal selbst Politik sei. Es war die wohl deutlichste Warnung, dass ideologische Konformität unter seiner Führung über den Aufstieg im US-Militär entscheiden werde. Führungskräfte müssten "aggressiv", "apolitisch" und "der Verfassung treu" sein, sagte Hegseth. Was nach Neutralität klingen sollte, war zugleich die unmissverständliche Aufforderung, Trumps politischer Agenda zu folgen. Die Loyalität hat der Vision des Präsidenten zu gelten, nicht nur den Gesetzen.
"Dudes in Dresses", also "Typen in Frauenkleidern" würden nicht mehr geduldet, hetzte Hegseth gegen transgender Personen im US-Militär. Aber auch Bärte, gefärbte Haare und "jegliche Form des Individualismus" würden fortan verboten. Eine Anordnung dazu werde parallel zu seiner Rede in den E-Mail-Postfächern der zuhörenden Generäle landen. Frauen seien in den Streitkräften nach wie vor willkommen, aber nur, wenn sie dieselbe körperliche Stärke wie Männer mitbrächten, sagte Hegseth.
Er plant zudem nicht weniger, als die Nationale Verteidigungsstrategie (NDS) neu zu schreiben und die Verteidigung des Heimatlandes zur obersten Priorität der Nation zu machen. Eine Abkehr davon, sich auf globale Sicherheitsbedrohungen wie etwa durch China zu konzentrieren. Dazu soll auch die US-Militärpräsenz in Europa und Afrika reduziert werden. Laut einem Bericht der "Washington Post" regt sich insbesondere dagegen bei den Generälen bereits Widerstand.
Loyalität statt Neutralität
Die Reden von Trump und Hegseth waren durchdrungen von martialischer Sprache. Neun Monate nach der Amtseinführung im Januar dieses Jahres markieren sie endgültig die Abkehr vom traditionellen Verständnis von US-Verteidigungspolitik. Die Worte in Quantico erinnerten vielmehr an die Rhetorik nationalistischer Autokraten.
Trump will das Militär zu seinem Werkzeug machen
Trump beschwor wiederholt den "Kriegergeist", feierte "Rücksichtslosigkeit" und seine geografische Umbenennung des Golfs von Mexiko zum "Golf von Amerika". Was wie eine Randnotiz klingt, ist Teil eines umfassenderen ideologischen Projekts. Das wurde in dieser Rede noch deutlicher als bisher. Dazu gehörte auch der gewohnte Spott für Medien und Gerichte. "Wir brauchen ehrliche Medien", sagte Trump. Er dürfte damit die vom Weißen Haus seit Monaten geförderte Gefälligkeitsberichterstattung gemeint haben. Kritik wird inzwischen als Volksverrat und "unamerikanisch" gebrandmarkt.
In Quantico wurde deutlich, wie sehr das amerikanische Militär Trumps Werkzeug für seinen innenpolitischen Kampf sein soll. Es soll im Zentrum einer Art kulturellen Erneuerung Amerikas stehen. Die Gesellschaft soll umgestaltet werden – von einer Regierung, die sich offenbar weiter darauf vorbereitet, ihre mächtigste Institution, die amerikanischen Streitkräfte, als Instrument interner Kontrolle zu missbrauchen.
- Eigene Überlegungen
- Livestream der Reden von Trump und Hegseth in Quantico, Virginia (Englisch)















