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Shutdown 2025: So wollen die Demokraten Trump mit dem Stillstand stoppen


Stillstand als Aufstand
Die letzte Waffe gegen Trumps Demokratie-Umbau?

  • Bastian Brauns
Eine Analyse von Bastian Brauns

01.10.2025Lesedauer: 5 Min.
US-Präsident Donald Trump droht mit Massenentlassungen: Schuld sollen die Demokraten sein.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump droht mit Massenentlassungen: Schuld sollen die Demokraten sein. (Quelle: Ken Cedeno)
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Der Stillstand in Washington markiert mehr als einen gewöhnlichen Haushaltsstreit. Er ist der vielleicht letzte Versuch der Demokraten, Trumps autoritären Umbau der USA aufzuhalten. Das Risiko ist dabei so hoch wie nie.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Als die US-Verwaltung in Washington am 1. Oktober kurz nach Mitternacht in den Stillstand rutschte, war das mehr als nur ein Streit über den Haushalt. Der sogenannte Shutdown, der in Amerika immer droht, wenn sich Republikaner und Demokraten nicht über die Staatsausgaben einigen können, ist dieses Mal mehr als ein politisches Ritual oder Teil einer gut einstudierten Verhandlungsstrategie.

Der Shutdown markiert in Trumps zweiter Amtszeit den Beginn eines womöglich historischen Experiments: Können die Demokraten Donald Trumps Plan zur Umgestaltung der amerikanischen Demokratie auf diese Weise noch stoppen? Können sie über ihre Blockade im Kongress den Stillstand bewusst als Waffe einsetzen? Wäre es nach Monaten der politischen Machtlosigkeit zumindest ein Anfang?

Noch im März dieses Jahres hatte der demokratische Senatsminderheitsführer Chuck Schumer gezögert, als es um die Zustimmung zum Übergangshaushalt ging. Damals entschieden sich die Demokraten unter seiner Führung – trotz wachsender Empörung an der eigenen Basis – gegen einen Shutdown. Man befürchtete, ein Stillstand der Verwaltung würde Trump noch mehr Macht geben, ihm ermöglichen, seinen ohnehin gehegten Plan umzusetzen, Behörden zu schließen und nie wieder zu öffnen. Die Sorge war nicht unbegründet.

Doch Trump tat genau das auch ohne Shutdown: Er strich bereits genehmigte Mittel, entließ Beamte und ließ Programme einfrieren, die ihm nicht passten. Das Bildungsministerium ist schon jetzt nur noch ein Schatten seiner selbst und soll bald Geschichte sein. Die bittere Erkenntnis der Demokraten: Ihre schlimmsten Befürchtungen sind ohnehin schon Realität geworden, auch ohne den Ausnahmezustand.

Stillstand als letzter Widerstand?

Bei den Demokraten scheint sich nun eine Haltung durchzusetzen: Jetzt gibt es ohnehin nichts mehr zu verlieren. Die amerikanische Opposition, laut Umfragen an einem Tiefpunkt ihrer Beliebtheit in der Bevölkerung und ohne Mehrheit in beiden Kongresskammern, geht nun offenbar ins Risiko. Es könnte eine ihrer letzten Chancen sein.

Sie nehmen in Kauf, dass die Trump-Regierung ihnen die politische Verantwortung für den Staatsstillstand zuschiebt und das bei den Wählerinnen und Wählern auch verfangen könnte. Die Wette der Demokraten: Endlich handlungsfähig werden, um wieder als Alternative überzeugen zu können. Sie nehmen sogar in Kauf, ihren Ruf als Partei, die staatliche Stabilität garantieren will, zu verspielen. Jahrzehntelang waren es vor allem Republikaner, die mit Shutdowns drohten, um politische Ziele durchzusetzen.

Gesundheitspolitik als Schlachtfeld

Im Zentrum dieses neuen Widerstands der Demokraten steht ein Thema, das wie kaum ein anderes das Leben der Amerikaner prägt: die ohnehin spärlich ausgestaltete Gesundheitsversorgung. Zwei zentrale Punkte treiben die Demokraten dabei an:

  • Medicaid-Kürzungen: Die Republikaner haben mit ihrer Mehrheit tiefe Einschnitte bei der staatlichen Krankenversicherung Medicaid durchgesetzt. Es ist eine Maßnahme, die bei der Bevölkerung äußerst unpopulär ist, auch bei republikanischen Wählern. Selbst republikanische Politiker sehen sie deshalb kritisch.
  • Auslaufende Obamacare-Subventionen: Ohne neue Mittel könnten Millionen Menschen ihre Krankenversicherung verlieren. Die Prämien für weitere 22 Millionen Bürgerinnen und Bürger könnten drastisch steigen – um bis zu 114 Prozent.

Die Demokraten hoffen darauf, die Republikaner mit diesem Thema öffentlich unter Druck setzen zu können. Die Strategie dahinter: Sollte die Regierung am Ende einknicken müssen, wäre ein wichtiges Projekt von Trump gestoppt. Es könnte der Anfang sein, die scheinbare Allmacht zu schwächen und dazu ermutigen, auch in anderen Politikfeldern öffentlichen Druck zu erzeugen. Das wichtige Ziel dabei sind die Zwischenwahlen in einem Jahr. Wollen die Demokraten Trumps Politik vereiteln, müssen sie da die Mehrheit im Kongress zurückerobern.

Russell Vought – der Architekt eines autoritären Staates

Klar wird in diesen Tagen: Die demokratische Strategie richtet sich nicht nur gegen einzelne Gesetzesvorhaben, wie die Gesundheitspolitik der Trump-Regierung. Die aktuelle Blockade ist nach neun Monaten eine aus ihrer Sicht längst überfällige Reaktion auf eine viel größere, langfristige Gefahr – und auf eine Schlüsselfigur hinter Trumps Umbauplänen: Russell T. Vought.

Trumps früherer Haushaltsdirektor und heutiger Chef des Office of Management and Budget (OMB), einer Art Amt für Verwaltung und Haushaltswesen, ist weit mehr als ein Bürokrat. Er ist einer der radikalsten Ideologen in der US-Regierung. Seit vielen Jahren arbeitet er an der Vision, die jeden Tag ein Stück mehr Realität wird: Vought will das Amt des US-Präsidenten mit nahezu unbeschränkter Macht ausstatten, die Gewaltenteilung schwächen und den "administrativen Staat", also die Verwaltung, welche viele Republikaner als einen von Demokraten durchsetzten "Deep State" beschreiben, letztlich zerstören.

Vought ist der Architekt hinter den aggressivsten Maßnahmen dieser zweiten Amtszeit: Er hat Mittel für die Auslandshilfe USAID gestrichen, Regulierungen im Umwelt- und Verbraucherschutzbereich beseitigt und versucht im Tandem mit Donald Trump, die Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed zu untergraben. Schon in seiner Amtszeit als Chef der Finanzaufsicht wollte er 90 Prozent der Behördenmitarbeiter entlassen. Sein Ziel: "Wir wollen sicherstellen, dass sich die Bürokratie in künftigen Regierungen nicht wieder selbst aufbauen kann", sagte er damals.

Ein Plan, der die bisherige Demokratie zerstören könnte

Den aktuellen Shutdown könnte Vought nun gezielt ausnutzen. Seine Budget-Behörde hat die US-Bundesministerien bereits aufgefordert, sich nicht nur auf vorübergehende Zwangspausen für Hunderttausende Mitarbeiter vorzubereiten, sondern auf dauerhafte Entlassungen. Rund 750.000 Bundesangestellte sollen mindestens beurlaubt, viele von ihnen wohl auch ganz entlassen werden. Trump hat als Vergeltung für die Blockade der Demokraten bereits "unumkehrbare, schlimme Dinge" ankündigt.

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Würde der Plan von ihm und Russell Vought wirklich umgesetzt, wäre das eine beispiellose Eskalation. In bisherigen Shutdown-Situationen wurden Beamte bislang meist nur temporär beurlaubt. "Wir wollen es nicht tun, aber vielleicht müssen wir", kommentierte Trump die Lage noch vor dem Shutdown lakonisch.

Voughts langfristige Strategie: Es will mit den forcierten Massenentlassungen juristische Auseinandersetzungen erzwingen, aus denen die Trump-Regierung letztlich mithilfe des konservativ besetzten Supreme Courts gestärkt hervorgehen soll. Langfristig könnten Gerichtsentscheidungen die Macht des Präsidenten über das Haushaltsrecht stärken und den Kongress in seiner ureigensten Aufgabe extrem schwächen.

Verfassungsrechtsexperten sehen darin einen Angriff auf die Grundlagen der US-Demokratie. Tatsächlich ist das Haushaltsrecht eines der wenigen verbliebenen, mächtigen Mittel, um den Präsidenten zu kontrollieren und zu beschränken.

Ausgang offen

Ob der Shutdown als vielleicht letzter Akt des demokratischen Widerstands Erfolg haben wird, ist offen. Trump und die Republikaner geben den Demokraten die Schuld an der Krise und setzen insbesondere auf wirtschaftlichen Druck, um sie zum Einlenken zu zwingen. Die Mitarbeiter zahlreicher Behörden erhielten bereits eine E-Mail, in der zu lesen war, dass die Demokraten "leider" mit ihrer Blockade für die folgenden Maßnahmen verantwortlich seien. Die gezielten Entlassungen und das Einstellen von Programmen sollen so auf den politischen Gegner abgewälzt werden.

Doch im Moment des Stillstands könnte tatsächlich etwas in Bewegung kommen. Erstmals seit Beginn der Trump-Ära riskieren die Demokraten bewusst einen politischen Schaden, um ein größeres Ziel zu verfolgen: Es ist die Verteidigung des Staates gegen seine Demontage von innen. Ob dieser Shutdown wirklich zu diesem Wendepunkt wird, muss sich in den kommenden Wochen zeigen. Die Frage in Washington ist: Halten die Demokraten auch dann noch durch, wenn die Trump-Regierung ihren Plan ohne Rücksicht auf eigene Verluste im öffentlichen Ansehen einfach durchzieht? Dieser Kampf um die Deutungshoheit hat spätestens Mittwoch um Mitternacht begonnen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
  • nytimes.com: "The Man Behind Trump’s Push for an All-Powerful Presidency" (Englisch, kostenpflichtig)

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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