US-Militäreinsatz in der Karibik Der "Friedenspräsident" droht mit Krieg

Vier mutmaßliche Drogenboote hat das US-Militär bereits zerstört. Nun droht Trump, auch an Land anzugreifen. Er erhöht besonders gegen Venezuela den Druck.
Siegesgewiss trat Donald Trump am Sonntag am Stützpunkt Norfolk vor Marinesoldaten. Das Problem mit dem Drogenschmuggel über Wasser aus der Karibik in die USA ist aus Sicht des Präsidenten behoben. "Wir halten Drogen in einem Maß auf, das noch niemand gesehen hat", sagte Trump. "Wir sind so gut darin, dass es keine Boote gibt." Nicht einmal Fischerboote trauten sich in der Region noch auf das Meer. "Entschuldigung, dass ich das sage", fügte er lachend hinzu. "Wir können einfach niemanden mehr finden."
Seit August haben die USA ihre Militärpräsenz vor der Küste Venezuelas massiv erhöht. Mindestens vier mutmaßliche Drogenboote zerstörte das US-Militär seitdem, mindestens 21 Menschen wurden dabei getötet. Belege für den Drogenschmuggel mit jenen Booten sind jedoch rar. Nur die Dominikanische Republik meldete im September nach einem US-Militärschlag den Fund von nicht spezifizierten Drogenpäckchen rund 150 Kilometer südlich der Isla Beata.
Drohung an Venezuela
Dennoch beabsichtigt Trump nicht nur, an seiner Strategie festzuhalten, sondern sie künftig sogar auszuweiten – auf den Landweg, wie er den Marinesoldaten in Norfolk mitteilte. Da die Drogenbanden nun nicht mehr über das Meer kämen, würden sie es auf dem Landweg probieren, sagte der US-Präsident – und auch dies werde "für sie nicht funktionieren", denn die USA hätten bereits "einen Blick" darauf.
Mit Aussagen wie diesen droht der selbsternannte "Friedenspräsident" Trump dem venezolanischen Regime von Nicolás Maduro immer offener mit militärischer Gewalt. Eine sattelfeste Begründung dafür hat er jedoch nicht. Stattdessen stricken der Präsident und seine Regierung seit Wochen an einer pseudorechtlichen Grundlage für ihr Vorgehen in der Karibik. Was genau Washington mit der Eskalation vor Venezuelas Küste bezweckt, ist indes nicht öffentlich bekannt. Offenbar ist es genau diese Unsicherheit, die Trump generieren will. Denn noch nützt sie ihm außen- wie innenpolitisch.
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Trump erhöht den militärischen Druck
Mitte August entsandte Trump ein bedeutendes Marineaufgebot Richtung Venezuela: Acht Kriegsschiffe, mehrere Aufklärungsflieger des Typs Poseidon P-8, Angriffsdrohnen sowie ein U-Boot sollen sich dort versammelt haben. Hinzu kommen nach Puerto Rico verlegte F-35-Kampfjets und Truppen. Insgesamt sollen sich laut der "New York Times" rund 6.500 Soldaten an Land und auf Wasser in der Region befinden. Für eine Operation, die "nur" dem Kampf gegen Drogenschmuggel gelten soll, scheint das ein zu umfangreiches Aufgebot zu sein.
Einem Bericht des "Washington Examiner" zufolge könnten die USA jetzt tatsächlich andere Ziele anstreben. Demnach halten mit der Planung beauftragte Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums die Kräfte für stark genug, um strategische Schlüsselpositionen wie Häfen oder Flugfelder in Venezuela einzunehmen. Das gäbe dem US-Militär eine gute Ausgangsposition für weitere Militäroperationen in dem südamerikanischen Land.
Der US-Sender NBC News berichtet, dass US-Beamte bereits Optionen für militärische Schläge gegen Drogenschmuggler auf Venezuelas Festland vorbereiten. Diese können demzufolge "innerhalb weniger Wochen" beginnen. Noch habe Trump indes keine Genehmigung erteilt, heißt es. Möglicherweise könnte er das jedoch schon bald nachholen.
Meinungsunterschiede innerhalb der Trump-Administration
Denn der US-Präsident scheint zu dem Entschluss gekommen zu sein, dass die militärische Option mittlerweile seine einzige ist. Laut "New York Times" wies er seinen Sondergesandten Richard Grenell an, diplomatische Bemühungen für eine gemeinsame Lösung mit Maduro abzublasen. Demnach soll der ehemalige US-Botschafter in Deutschland an einem Deal gearbeitet haben, der US-Firmen Zugang zu venezolanischem Öl ermöglichte. Das Land besitzt die größten weltweit bekannten Erdölreserven.
Damit schlägt sich Trump innerhalb seiner Administration offenbar auf die Seite der Falken, die insbesondere von Außenminister Marco Rubio verkörpert werden. Diese sprechen sich Berichten zufolge dafür aus, den venezolanischen Machthaber Maduro aus dem Amt zu drängen – wenn nötig, mit militärischer Gewalt. Die Falken sehen in Maduro den Kopf eines Drogenkartells. Auf dieser Grundlage hat Washington das Kopfgeld auf ihn bereits auf 50 Millionen US-Dollar angehoben.
Laut "New York Times" arbeitet die US-Administration mit einer Gruppe venezolanischer Oppositioneller um María Corina Machado zusammen. Machado war eigentlich Maduros Gegenkandidatin bei den Präsidentschaftswahlen 2024, ihre Kandidatur wurde jedoch verboten. Am Freitag erhielt sie für ihren Einsatz für die Demokratie den Friedensnobelpreis.
Dem Bericht zufolge hat die Opposition bereits einen Plan für einen Übergang, sollte Maduro gestürzt werden. Doch wie das vonstattengehen soll, bleibt offen.
Trump scheiterte bereits während seiner ersten Präsidentschaft damit, Maduro aus dem Amt zu drängen. Damals unterstützte seine Regierung den selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó. Heute lebt dieser im Exil in den USA. Nimmt der US-Präsident nun einen zweiten Anlauf? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Trump erneut scheitern könnte. Experten sehen bisher keinen Riss in der venezolanischen Elite, der die Abspaltung einer Gruppe gegen Maduro prophezeien ließe.
Trump gibt umstrittene Begründung für Militäroperation
Währenddessen rechtfertigte Trump sein Vorgehen bereits vor dem US-Kongress. In einem Schreiben begründete die US-Regierung die jüngste Eskalation mit einem "bewaffneten Angriff auf die Vereinigten Staaten" durch Drogenkartelle. Nach Trumps Einschätzung handele es sich um "nichtstaatliche bewaffnete Gruppen, die als terroristische Organisationen eingestuft sind". Mutmaßliche Drogenschmuggler werden als "illegale Kämpfer" bezeichnet.
Experten halten diese Begründung für nicht rechtmäßig. Geoffrey S. Corn, pensionierter Militärrichter und ehemaliger leitender Berater der US-Armee für Fragen des Kriegsrechts, sagte der "New York Times", dass Drogenkartelle keine "Feindseligkeiten" gegen die Vereinigten Staaten ausübten. Der Verkauf eines gefährlichen Produkts sei nicht mit einem bewaffneten Angriff gleichzusetzen. Die Maßnahme des Präsidenten sei "Missbrauch", der eine wichtige rechtliche Hürde überschreite. "Das ist keine Auslegung der Grenzen", sagte er. "Das ist eine Zerstörung dieser Grenzen. Das ist ein Zerreißen dieser Grenzen."
Venezuelas Rolle im weltweiten Drogenhandel
Auch auf dem Marinestützpunkt Norfolk nannte Trump als Grund für den Militäreinsatz zudem die Fentanyl-Schwemme in den USA. Dieser fielen 2024 300.000 Menschen zum Opfer, behauptete Trump. Nur: Laut Einschätzung von Experten spielt Venezuela beim Schmuggel des synthetischen Opioids eine unbedeutende Rolle. Dennoch findet diese Argumentation Anklang bei vielen US-Amerikanern.
Auch beim Kokainhandel gilt Venezuela eher als Mittelsmann. Der Großteil der Droge wird in Ländern wie Kolumbien, Peru und Bolivien produziert. Einer Einschätzung der Drogenbekämpfungsbehörde DEA aus dem Jahr 2019 zufolge kommt außerdem nur rund ein Viertel des Kokainschmuggels über die Karibik in die USA, der überwiegende Teil jedoch über den Pazifik, an den Venezuela nicht grenzt. Vor diesem Hintergrund erscheint es wahrscheinlicher, dass die US-Regierung in Wahrheit einen Regimewechsel in Venezuela erzwingen und dort nicht nur Drogenkartelle bekämpfen will.
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Venezuela demonstriert Stärke
Maduro wappnet sich offenbar bereits dafür. Am Montag kündigte er an, wegen der Gefahr einer "Aggression" durch die USA möglicherweise den Ausnahmezustand auszurufen. Dieser würde ihm weitreichende Vollmachten bis hin zur Beschränkung der Grundrechte einräumen.
Zudem meldete er ebenfalls am Montag mutmaßliche Anschlagspläne gegen die US-Botschaft in Caracas. Es bestehe die Möglichkeit, dass "eine örtliche Terroristengruppe" bei einer "False-Flag-Operation" einen Sprengsatz in der US-Botschaft in Caracas platziert habe, um den aktuellen Konflikt mit Washington zu verschärfen, sagte Maduro unter Berufung auf zwei namentlich nicht genannte Quellen. Der linksnationalistische Präsident sprach von einer "Provokation". Belege legte er nicht vor.
Am Mittwoch rief Maduro dann den sogenannten "Plan Independencia 200" in den Bundesstaaten Carabobo und La Guaira im Norden des Landes aus. Dieser sieht die Aktivierung von Verteidigungsmaßnahmen für den Luftraum und kritische Infrastruktur vor.
In den vergangenen Wochen ordnete Maduro zudem bereits eine ganze Reihe an Militärübungen an. Außerdem fanden in mehreren Landesteilen militärische Trainings für Zivilisten statt. Bereits im August mobilisierte Maduro zudem rund 4,5 Millionen Milizionäre im Land. Dabei handelt es sich um einen überwiegend mit Zivilisten ausgestatteten Teil der venezolanischen Streitkräfte. Der Machthaber will damit zeigen: Im Falle einer militärischen Eskalation steht Venezuela bereit.
Mit solch einer Einschätzung dürfte Maduro recht behalten. Zwar hält sich sein Regime vor allem mittels Repressionen gegen die eigene Bevölkerung an der Macht. Im Falle einer US-Intervention aber gilt es als sicher, dass die Mehrheit der Venezolaner diese nicht befürworten und zumindest in Teilen Widerstand leisten würde – nicht für Maduro, aber gegen die verhassten USA.
Unterstützung bekommt Maduro auch vom Nachbarn aus Kolumbien. Der dortige linksgerichtete Präsident Gustavo Petro verurteilt seit Langem den US-Militäreinsatz. Am Mittwoch meldete Petro zudem auf X, dass auf dem zuletzt von den USA angegriffenen mutmaßlichen Drogenboot Kolumbianer gewesen seien. "Die Aggression richtet sich gegen ganz Lateinamerika und die Karibik", fügte Petro hinzu. Belege legte er nicht vor. Später bestätigte jedoch die "New York Times" unter Berufung auf Regierungskreise, dass bei einem der Angriffe auf Boote Kolumbianer an Bord waren. Offiziell weist das Weiße Haus die Darstellung jedoch zurück. Der Konflikt in der Karibik droht, sich auszuweiten.
Eine Intervention der USA wäre innenpolitisch unpopulär
Doch auch innenpolitisch birgt eine militärische Konfrontation für Trump Risiken. Denn diese Entscheidung wäre in den USA äußerst unpopulär. Einer Anfang September von YouGov durchgeführten Umfrage zufolge sind 62 Prozent der US-Amerikaner gegen einen Einmarsch in Venezuela, nur 16 Prozent wären einverstanden. Ebenfalls sprechen sich 53 Prozent dagegen aus, Maduro mit militärischen Mitteln aus dem Amt zu drängen, lediglich 18 Prozent befürworten dies.
Dennoch lehnte der US-Senat am Mittwoch einen vorläufigen Antrag ab, der es Trump untersagen sollte, ohne Zustimmung des Kongresses Militärgewalt gegen mutmaßliche Drogenboote anzuwenden. Der Antrag, der von den demokratischen Senatoren Adam Schiff aus Kalifornien und Tim Kaine aus Virginia eingebracht und vom republikanischen Senator Rand Paul aus Kentucky unterstützt wurde, wurde mit 48 zu 51 Stimmen abgelehnt.
Noch kann Trump seine harte Hand gegen Venezuela mit der von ihm ausgerufenen heimischen Drogenkrise begründen. Doch je mehr sich am Horizont eine militärische Intervention auf venezolanischem Boden abzeichnet, desto mehr wird voraussichtlich die Zustimmung der US-Amerikaner sinken. Gleiches gilt für langfristig ausbleibende Fortschritte beim Kampf gegen die Drogen auf den Straßen von US-Städten. Bisher sind diese nach der Bekämpfung von vier mutmaßlichen Drogenbooten kaum messbar.
Womöglich noch schwerer wiegen jedoch die schlecht absehbaren Folgen einer Intervention für die USA. Ein Krieg in Venezuela dürfte einen Flüchtlingsstrom auslösen, der sich zu einem bedeutenden Teil in Richtung der Vereinigten Staaten bewegen würde. Trump könnte sich so selbst eine ganz neue Krise schaffen.
- Eigene Recherche
- nytimes.com: "Trump, Drug Cartels, Venezuela and War: What We Know" (englisch)
- washingtonexaminer.com: "US military deployments near Venezuela portend seizure operations" (englisch)
- nbcnews.com: "U.S. preparing options for military strikes on drug targets inside Venezuela, sources say" (englisch)
- nytimes.com: "Fear and Hope in Venezuela as U.S. Warships Lurk" (englisch)
- crisigroup.org: "U.S. 'Anti-drugs' Strike Stirs Fears of Venezuela Intervention" (englisch)
- nytimes.com: "Trump Calls Off Diplomatic Outreach to Venezuela" (englisch)
- nymag.com: "Are We at War With Venezuela?" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP














