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Trump droht mit Notstandsgesetz: USA am Rande einer Verfassungskrise?


Extremer politischer Schritt
Das könnte die USA in eine Verfassungskrise stürzen

  • Bastian Brauns
Eine Analyse von Bastian Brauns

09.10.2025Lesedauer: 4 Min.
Sicherheitskräfte bei den Protesten gegen die US-Abschiebebehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) in Chicago: Eskalationen mit ungewissem Augang.Vergrößern des Bildes
Sicherheitskräfte bei den Protesten gegen die US-Abschiebebehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) in Chicago: Eskalationen mit ungewissem Augang. (Quelle: Jim Vondruska)
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Donald Trump bezeichnet die Proteste gegen seine Abschiebepolitik als "Aufstände" und droht damit, ein Notstandsgesetz zu erlassen. Dahinter steckt eine Erzählung, die Politik, Religion und die Macht des Präsidenten vermischt.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Immer wieder haben Präsident Donald Trump und seine Regierung in den vergangenen Tagen ihre Rhetorik zu den landesweiten Protesten vor Gebäuden der Einwanderungsbehörde ICE verschärft. Was als weitgehend friedliche Demonstrationen gegen Trumps Abschiebepolitik begonnen hat, wird nun zumindest vom Weißen Haus als "gewaltsame Aufstände" und gar als "Insurrection", als Aufruhr oder Rebellion, bezeichnet.

Trump diskutiert öffentlich sogar den Einsatz des sogenannten "Insurrection Act". Dieses Notstandsgesetz würde den Präsidenten dazu ermächtigen, das Militär im Inland einzusetzen. Laut US-Medienberichten werden die Gespräche für diesen extremen politischen Schritt ernsthaft geführt. Parallel dazu fordern Trump und seine Unterstützer gar die Verhaftung demokratischer Gouverneure und Bürgermeister. Aufgeladen wird dieses Gebaren zudem mit religiöser Symbolik, die offenkundig als Rechtfertigung für das eigene Handeln dienen soll.

Trump: Gouverneur sollte ins Gefängnis

Seit Wochen protestieren Menschen in den USA gegen das Vorgehen der Abschiebebehörde ICE. Betroffen von den teils gewaltsamen und intransparenten Aktionen sind nicht nur Migranten, sondern mehrfach auch Amerikaner. Videos von oftmals maskierten Beamten, die brutal gegen ihre Zielpersonen, deren Angehörige oder deren Unterstützer vorgehen, machen im Fernsehen und in sozialen Netzwerken die Runde.

In der Folge kommt es immer häufiger zu Demonstrationen vor ICE-Gebäuden in Städten wie Portland, Chicago, New York, Los Angeles oder Denver. Aktivistinnen und Aktivisten versuchen dabei unter anderem, Zufahrten zu blockieren. Sie halten Schilder hoch, skandieren Parolen. Regelmäßig kommt es dabei auch zu Rangeleien mit Polizeikräften. Es häufen sich Festnahmen wegen Hausfriedensbruchs oder Verkehrsbehinderung. Die Beamten setzen Tränengas und Pfefferspray ein. Ein Mann wurde sogar erschossen. ICE-Mitarbeiter behaupten, sie hätten in Notwehr gehandelt, was sich zumindest anhand von Videoaufnahmen nicht eindeutig belegen lässt.

So unübersichtlich die Situationen sein mag, so deutlich nutzt Trump die Ereignisse, um eine dramatischere Geschichte zu erzählen. In einem Post auf seiner Plattform "Truth Social" erklärte er etwa, dass Illinois' Gouverneur J.B. Pritzker und auch Chicagos Bürgermeister Brandon Johnson ins Gefängnis gehörten, weil diese seine ICE-Beamten bei ihrer Arbeit nicht ausreichend schützten.

Zahlreiche Mitglieder der Trump-Regierung, etwa der stellvertretende Stabschef Stephen Miller, aber auch viele konservative Medien von "Fox News" bis "Newsmax" sowie ein Heer von rechten Influencern unterstützen diese Linie. Sie zeichnen das Bild von "linksextremen Gewalttätern", die angeblich ganze Städte lahmlegten und in "Kriegsgebiete" verwandelten. Das Vorgehen von ICE wird dagegen nicht kritisiert. Vor Kurzem erklärte der US-Präsident zudem die Antifa-Bewegung zu einer inländischen Terrororganisation.

Der "Insurrection Act" – Militäreinsatz im Inland

Es geht längst um mehr als nur um die Wahl der richtigen Worte. Insbesondere, weil Trump und seine Mitstreiter offen mit dem Einsatz des "Insurrection Act" drohen, fürchten die Demokraten den nächsten, gefährlichen Tabubruch. Trump hatte gegen den deutlich artikulierten Willen demokratischer Gouverneure Nationalgardisten in Bundesstaaten wie Kalifornien, Illinois, Oregon oder in die Hauptstadt Washington entsandt, angeblich, weil die Sicherheitslage dies erforderte.

Der "Insurrection Act" wäre die nächste Eskalationsstufe. Das Notstandsgesetz stammt aus dem 19. Jahrhundert und berechtigt den Präsidenten zum Einsatz des aktiven Militärs im Inland. Eigentlich ist dieses weitgehende Gesetz dafür gedacht, das Bundesrecht durchzusetzen, sollte das anders nicht mehr möglich sein, oder um gravierende Aufstände niederzuschlagen. Historisch wurde er nur in Ausnahmefällen genutzt – etwa um die Integration von afroamerikanischen Kindern in die Schule gegen den rassistischen Mob in Little Rock im Jahr 1957 durchzusetzen oder zuletzt bei gewalttätigen Unruhen in Los Angeles im Jahr 1992.

Anders als das Weiße Haus weisen Rechtsexperten darauf hin, dass die aktuellen Proteste nicht einmal annähernd die Voraussetzungen erfüllen, die das Notstandsgesetz eigentlich vorsieht. Denn weder handelt es sich um bewaffnete Aufstände noch um eine Situation, in der die öffentliche Ordnung kollabiert wäre. Meistens sind es lokale Polizeikräfte, die mit überschaubarem Aufwand für die Sicherheit sorgen können. Wo es zu Festnahmen kommt, handelt es sich laut Medienberichten meist um Ordnungswidrigkeiten oder zivilen Ungehorsam und nicht um kriegsähnliche Zustände, die einen Militäreinsatz rechtfertigen würden.

US-Gerichte haben in mehreren Fällen bereits erfolgreich den Einsatz von Einheiten der Nationalgarde als innenpolitisches Polizeiinstrument blockiert. Die rechtlichen Hürden für das Aufstandsgesetz liegen sogar noch höher. Würde Trump den Notstand erklären, wäre das angesichts der tatsächlichen Lage in den Städten ein Präzedenzfall. Würde er sich auch noch gegen Gerichtsurteile hinwegsetzen, wäre eine Verfassungskrise die direkte Folge.

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Religiöse Symbolik als politische Rechtfertigung

Doch Trumps Regierungsmitglieder schüren nicht nur Wut auf Richter und politische Gegner, die nicht entlang der Linie des Weißen Hauses entscheiden. Sie laden die innenpolitische Lage mit einer tief religiösen Dimension auf.

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So inszeniert sich insbesondere Kristi Noem, Trumps Ministerin für Heimatschutz, zunehmend in einem christlichen Kontext. Bei einer Besprechung mit ICE-Beamten betete sie öffentlich mit den Einsatzkräften und forderte die Bevölkerung dazu auf, "unsere Ordnungshüter im Gebet zu tragen".

Das Department of Homeland Security verbreitet über seine offiziellen Social-Media-Kanäle außerdem dramatische Videos, garniert mit Bibelzitaten. So postete Noems Ministerium etwa aus der Bibelstelle Jesaja 6:8 den Satz: "Hier bin ich, sende mich", zusammen mit einem Video. Doch weil darin ein Song der Band "Black Rebel Motorcycle Club" verwendet wurde, was diese als Urheberrechtsverletzung anzeigte, musste es später depubliziert werden.

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Trumps Regierung ist dabei, mit hochumstrittenen Maßnahmen nicht nur die Grenzen zwischen staatlichem Handeln und der eigenen politischen Agenda zu verwischen. Mittels christlicher Rhetorik wird das Handeln obendrein zur "göttlichen Mission" erklärt.

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