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Nordkorea-Diplomatie: Was will Donald Trump und was darf Kim Jong Un?


Nordkorea-Diplomatie
Was will Trump und was darf Kim?

  • Gerhad Spörl
MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 21.05.2018Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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TV-Nachrichten in einem Bahnhof in Südkoreas Hauptstadt Seoul: Für Kim (l.) und Trump wäre ein Scheitern der Gespräche in Singapur am 12. Juni gleichermaßen blamabel.Vergrößern des Bildes
TV-Nachrichten in einem Bahnhof in Südkoreas Hauptstadt Seoul: Für Kim (l.) und Trump wäre ein Scheitern der Gespräche in Singapur am 12. Juni gleichermaßen blamabel. (Quelle: Ahn Young-joon/ap-bilder)

Mit seinem Angebot auf Abrüstung riskiert Nordkorea viel. Kein Wunder, dass China über seinen Vasallen nicht amüsiert ist. In Washington kursieren neuerdings Maximalforderungen, die das Ganze scheitern lassen könnten. Wie geht es weiter?

Im Jahr 1978 überlegte sich Deng Xiaoping, wo er etwas über einen asiatischen Weg zum Kapitalismus lernen könnte. Mao war tot, der Irrsinn der Kulturrevolution lag hinter China, die radikalen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Experimente hatten das Land versehrt und geschunden. Deng war 74 Jahre alt, er gehörte zu den Weggefährte Maos seit dem Bürgerkrieg und war zwischendurch in Ungnade gefallen, aber nun war er der Mann, auf den es im Riesenreich ankam.

Von wem konnte China lernen? Von Singapur. Damals wie heute ein kleiner Stadtstaat ohne Ressourcen, aber ökonomisch hoch erfolgreich: gelenkte Presse, gelenkte Wahlen, ein Sozialstaat ohne Armut – der klassische Kapitalismus, aber unter Verzicht auf westliche Demokratie.

Hauptsache, sie fängt Mäuse

So absurd es auch klingen mag, das kleine Singapur wurde zum Modell für das große China. Fünf Jahre später sagte Deng seinen berühmten Satz: Egal ob die Katze schwarz oder weiß ist – Hauptsache, sie fängt Mäuse. Die Hauptsache war für ihn, dass der Kapitalismus dabei hilft, das sozialistische Versprechen auf den Ausgang aus der Armut und den Übergang in den Wohlstand einzuhalten, und zwar unter der rigiden Führung der Kommunistischen Partei.

Am 12. Juni wollen sich Donald Trump und Kim Jong-un in Singapur treffen. Kim ist nicht Deng und Nordkorea nicht China, aber der Beweggrund für die Neuorientierung ist ähnlich: Die nukleare Aufrüstung hat das isolierte Land erschöpft. Der Ausgang aus der Armut hängt davon ab, ob die wirtschaftlichen Sanktionen aufgehoben werden. Und der Ausgang aus der Unmündigkeit hängt davon ab, ob sich Nordkorea aus der absoluten Abhängigkeit von China lösen kann. Wie macht man das am besten? Indem man sich mit Amerika versöhnt.

Kims Angebot ist spektakulär

Seitdem die Schalmeienklänge aus Pjöngjang erklingen, habe ich mich gefragt: Wie wichtig ist es dem Trump-Amerika, dass aus dem Treffen in Singapur ein Erfolg wird? Kim bietet an, sein nukleares Arsenal, kaum aufgerüstet, wieder abzurüsten. Das ist ziemlich viel und ein spektakuläres Angebot sowieso, das sollte man bei dem wilden Hin und Her der letzten Tage nicht vergessen.

Ich glaube, dass Donald Trump in Singapur an einem Erfolg interessiert ist. Aus seinen Tweets wissen wir, was er sich persönlich davon verspricht: den Friedensnobelpreis; einen historischen Durchbruch, wie er Barack Obama und Bill Clinton verwehrt war; Rehabilitation in den Geschichtsbüchern. Dafür, dass sich daran nichts geändert hat, spricht die Reaktion auf die wüsten Drohungen Kims, wonach Amerika das Treffen mit den Manövern in Südkorea gefährdet und schon sehen wird, was es davon hat. Für seine Verhältnisse antwortete Trump verhalten, jedenfalls ergingen keine wüsten Gegendrohungen.

Erstmal Frieden schließen

Noch mal: Was kann, was sollte Amerika anbieten? Pragmatisch gesehen liegt ein Friedensvertrag nahe. Formell dauert der Krieg zwischen Südkorea (plus Amerika) und Nordkorea (plus China) nämlich noch immer an, obwohl er 1953 zu Ende gegangen war. Ohne Friedensvertrag macht alles Weitere keinen Sinn. Dazu kommt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, ohne die wiederum das Treffen der beiden Nummer Eins sinnlos wäre. Aber danach wird es richtig schwierig, danach dürften lange Verhandlungen folgen, in denen die Denuklearisierung mit der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen harmonisiert werden müssen.

Was hat sich eigentlich geändert, seitdem das Datum und der Ort des Treffens feststehen? John Bolton mischt neuerdings mit, er ist jetzt Nationaler Sicherheitsberater im Weißen Haus. Er ist eine wirkliche Gefahr, durchaus auch für den Weltfrieden, wenn er Trumps Ohr so finden sollte wie bisher. Bolton ist für Draufhauen, für Regimewechsel, für militärisches Eingreifen, auch in Iran, auch in Nordkorea, gerne mit Atomwaffen.

Vorbild Libyen

Bolton ist aus der Zeit gefallen. Er hat übersehen, was aus dem Irak nach der US-Intervention geworden ist und dass Syrien eine Folge davon ist. Er liebt es wie Trump zu ignorieren, dass Amerika militärisch zu oft und zu unüberlegt in fernen Gegenden eingegriffen hat und damit seine Autorität verspielt hat. Wie Trump hält er Komplexes für unamerikanisch.

Bolton hat in den letzten Tagen Maximalforderungen erhoben: völlige Abrüstung Nordkoreas, auch chemisch und biologisch, und erst danach Aufhebung der Sanktionen. Sein Vorbild ist Libyen, das im Jahr 2003 auf seine Atomwaffen verzichtete. Im Jahr darauf verließ ein Schiff mit 500 Tonnen entsprechenden Materials das Land mit Ziel Amerika. Für dieses Wohlverhalten verbesserten sich die Beziehungen zum Westen.

China ist nicht amüsiert

Natürlich weiß Bolton auch, dass Libyen für Nordkorea ein Albtraum ist. Acht Jahre später wurde Muammar al-Gaddafi aus Kims Sicht von Amerika verraten und geopfert, als eine Revolte im Land ausbrach. Deshalb nennen ihn die Verlautbarungen aus Pjöngjang auch mit Namen: "Wir verhehlen nicht unsere Abneigung ihm gegenüber."

Vor dem Rückfall in den Austausch von Unfreundlichkeiten hat sich noch etwas geändert. Die chinesische Führung ist, wie man sich denken kann, nicht amüsiert über das Tempo und das Ausmaß der nordkoreanischen Angebote. Sie findet es unangemessen, dass Kim den tollen Maxe spielt und so tut, als gäbe es den großen Mentor, den großen Retter damals im Krieg und in den späteren Hungerjahren gar nicht, als käme es nur auf einen an, auf Kim, und sonst niemanden.

Warum sollte es Nordkorea anders ergehen als Iran?

Zweimal innerhalb kurzer Zeit musste Kim in China vorsprechen. Sicherlich hat ihn Xi Jinping auch daran erinnert, dass Trump gerade das Atomabkommen mit Iran für null und nichtig erklärt hat. Warum sollte er sich oder ein Nachfolger an einen Deal mit Nordkorea halten? Gut möglich, dass Kim sein Unverständnis über die südkoreanisch-amerikanischen Manöver deshalb scharf formulierte: Sie seien "ein flagranter Verstoß und eine absichtsvolle Provokation, die der positiven politischen Entwicklung zuwider laufen". Wenige Tage zuvor hatte er gegenüber dem Außenminister Mike Pompeo noch Verständnis für die jährlich wiederkehrenden Luftwaffenübungen geäußert.

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Wie geht es weiter? Das können wir schon in den nächsten Tagen sehen. Von Mittwoch bis Freitag sollen im Mantap-Gebirge unterirdische Tunnel gesprengt werden, in denen sechs Atomtests seit 2006 stattfanden. Dazu sollen ausländische Journalisten eingeladen werden. "Eine kluge und großzügige Geste", hat Trump gesagt. Bleibt es bei der Geste?

Ein Scheitern wäre für beide eine Blamage

Es ist schon so, dass Nordkorea vor Singapur Zeichen für seine Ernsthaftigkeit setzen will. Es ist auch so, dass für Kim wie Trump einiges auf dem Spiel steht. Singapur scheitern zu lassen, wäre eine riesige Blamage für beide. Keine Frage, beide Herren könnten es überleben und sind geübt darin, den jeweils anderen mit Unflat zu bewerfen. Gestern Kriegsgesänge, heute Schalmeienklänge, morgen wieder Kriegsgesänge, kein Problem.

Es ist auch kein Wunder, dass es in diesem Teil der Welt viele Gegner der Entspannung gibt. Japan schaut mit Argusaugen zu und fragt sich, wie verlässlich Amerika eigentlich noch ist. Südkorea hofft auf Wiedervereinigung wie 1989 in Deutschland und befürchtet, dass Trump das Interesse verlieren könnte. China möchte nicht Nordkorea so verlieren, wie es Vietnam und Myanmar verloren hat. Die Welt ist eben komplex, das ist keine Überraschung.

Auf Trumps Selbstverliebtheit ist Verlass

Trump hat es leicht, wenn er will. In seinem Namen handelte Außenminister Pompeo die Übereinkunft für Singapur aus. Folgerichtig könnte er daran festhalten. Will er aber Singapur scheitern lassen, muss er nur seinen Sicherheitsberater Bolton noch mehr von der Leine lassen.

Ich glaube, dass sich Trump am Ende für Singapur entscheiden wird. Bei ihm können wir uns auf eines verlassen: auf seine Selbstverliebtheit, auf seine Egomanie, auf sein Schielen nach dem Friedensnobelpreis.

Kim hat China im Nacken

Kim hat es schwerer. Er hat China im Nacken. Die Frage ist mehr denn je, ob er noch darf, was er will, ob er unter Kuratel bleiben muss oder sich daraus befreien kann. An ihm kann Singapur scheitern, selbst wenn er es nicht will.

Wäre schade, ist aber eben komplex. Hoffen wir das Beste, es ist ja Pfingsten.

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