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Donald Trump: Wie wir immer wieder auf den US-Präsidenten reinfallen


Post aus Washington
Wie wir immer wieder auf Trump reinfallen

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 14.06.2019Lesedauer: 4 Min.
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Donald Trump: Reflexhafte Empörung nutzt ihm am meisten.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Reflexhafte Empörung nutzt ihm am meisten. (Quelle: dpa)

Donald Trump hat es wieder geschafft: Es dreht sich alles um seine Ausfälle. Was steckt dahinter?

Eine Sache hat Donald Trump in dieser Woche besonders umgetrieben. Er kam darauf nach einem seltenen Gottesdienstbesuch am Sonntag zu sprechen, am Dienstag im Oval Office beim Besuch des brasilianischen Präsidenten, oder etwa am Mittwoch bei einem Besuch in einer Panzerfabrik in Ohio.

Gab ja auch viele Themen für den Präsidenten: der Skandal um Boeing und seine Flugaufsichtsbehörde, die Debatte um seine Reaktion auf das Massaker von Christchurch oder die verheerenden Fluten im Mittleren Westen. Doch Trumps Tage durchzog etwas anderes, nämlich seine Fehde mit dem verstorbenen John McCain.

Es begann mit zwei Tweets in einem Twitter-Sturm am Sonntag, der vor Beschimpfungen, Nebelkerzen, Verschwörungstheorien nur so triefte. Mich haben dazu aus der Redaktion und von Lesern einige Fragen erreicht: Was war da los? Lässt Trump nur Dampf ab oder steckt dahinter eine Strategie? Will Trump ablenken und wenn ja, wovon?

Zwei Dinge sind dazu wichtig: 1. Den konkreten Auslöser kennen wir nicht. Auch die Kollegen, die am nächsten am Denken Trumps dran sind, etwa die "New York Times"-Kollegin Maggie Habermann, konnten es nicht erklären. Also: keine Ahnung, warum es am Sonntag so weit war.

2. Generell ist es doch aber typisches Verhalten. Trump ist Trump, wenn er ausgiebig, verletzend, verzerrend twittert, Tabus bricht sowie reale und vermeintliche Gegner diskreditiert. Eigentlich dürfte das niemanden mehr schockieren. Und es ist, bei aller augenblicklichen Empörung, seine Erfolgsmasche. Das will ich genauer erklären.

Auch wenn seine Berater und viele Wähler die Twitter-Ausfälle nicht mögen: Er diktiert damit die Agenda und kann über die folgende öffentliche Empörung seine große Erzählung "Ich gegen das System" hervorragend weiterspinnen. Für seine Kernwählerbasis ist das die wichtigste Botschaft (und McCain eher Vertreter des verhassten Washingtoner Establishments als ein Kriegsheld).

Die Medien fallen drauf rein: Am Mittwoch etwa machten die zwei der drei großen US-Abendnachrichten mit Trumps aktuellstem Nachtreten gegen McCain (aus der Panzerfabrik) auf. Und nicht etwa damit, wie schlecht Trumps führungslose Behörde FAA im Boeing-Skandal dasteht. Natürlich, McCain ist vielen heilig und das alles hat Nachrichtenwert. Aber es zeigt wieder einmal, in welchem Maße Trump in der Lage ist, die amerikanische Öffentlichkeit zu dressieren.

Ich habe mir selbst eine Regel für meine Berichterstattung gegeben: Ich schreibe keine Texte, die nur auf einen Trump-Tweet zurückgehen. Zugegeben: Ich kann das viel leichter durchziehen als die US-Kollegen, für die jede Äußerung ihres Präsidenten News ist. Zumindest war das jahrzehntelang so – doch vielleicht ist es an der Zeit, das einmal neu zu bewerten.

US-Firmen lernen gerade, dass man Trumps so gefürchtete Tweets auch einfach einmal aushalten kann. Journalisten stehen vor einem anderen Spagat: Man will Trumps Ausfälle und Grenzübertretungen nicht ignorieren und damit normalisieren. Aber reflexhafte Empörung, wenn auch inhaltlich nachvollziehbar, über alles, was Trump von sich gibt, nutzt eben nur ihm. Also: Mut zum Ignorieren!

In der "Post aus Washington" berichtet unser Korrespondent Fabian Reinbold von der Arbeit im Weißen Haus und seinen Eindrücken aus den USA. Gefällt Ihnen die Kolumne? Sie können sie hier als kostenlosen Newsletter abonnieren, der noch weitere Beobachtungen und Einschätzungen aus Washington enthält und einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

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Ich habe dazu einen Mann angerufen, der das alles gründlicher durchdacht hat. Brian Ott ist Professor an der Technischen Universität von Texas. Er hat zwei Jahre lang jeden Trump-Tweet wissenschaftlich vermessen und über die Rhetorik und "Twitter-Präsidentschaft" Trumps ein interessantes Buch geschrieben.

Er freute sich, dass mal jemand anrief, der es problematisch findet, dass die Medien sich hier vier Tage lang um die Trump-McCain-Nummer drehen. "Genau!", rief er, "es treibt mich in den Wahnsinn, wie sie immer wieder drauf reinfallen!"

Der Kommunikationswissenschaftler hat Trumps Rhetorik per Twitter in drei Kategorien eingeteilt.

  1. Dissembling – also verzerren, um die öffentliche Meinung zu manipulieren
  2. Distracting – also ablenken, um mittels schockierender Aussagen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen
  3. Discrediting – also Institutionen und Personen in Verruf zu bringen, die er als Gegner wahrnimmt

McCain? "Ganz klar Kategorie 2", sagte Ott. Hat funktioniert für Trump.

Twitter sei impulsgetrieben, doch der sich über Tage ziehende Fall McCain zeige, dass Trump nachlege, wenn es funktioniert. Dabei geht er dann strategisch vor. Die Antwort auf eine der Ursprungsfragen, ob hinter den Tweets Impuls oder Strategie steckt, lautet also: beides.

Zum Schluss fragte ich Ott noch, was das größte Missverständnis sei, wenn es um Trumps Tweets gehe. Er überlegte eine ganze Weile und sagte dann: "Dass wir denken, in einer deliberativen Demokratie könne man überhaupt über Tweets Politik machen." Er selbst hält sich fern von Twitter und Facebook – und hofft inständig, dass der demokratische Herausforderer 2020, wer auch immer es wird, es tunlichst vermeidet, sich auf die Ebene von Trumps Twitter-Scharmützeln hinab zu begeben.

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Die zwei Trumps im Weißen Haus: Am Dienstag hatte der Präsident mal wieder in den Rosengarten geladen – zur Pressekonferenz mit Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. Ich habe mir angeschaut, wie sich Trump vom "Tropen-Trump" schmeicheln lässt.

In einem Hintergrundgespräch hatte uns vorab ein Regierungsbeamter gesteckt, dass Bolsonaro Trumps Aufmerksamkeit in dem Moment hatte, als dieser den Spitznamen "Tropen-Trump" erstmals gehört hatte. Es ist so durchschaubar. Jetzt im Weißen Haus schmeichelte Bolsonaro kräftig weiter. Er sprach davon, dass sein "großer Respekt für die USA mit Ihrem Amtsantritt noch gestiegen sei". Trump grinste.

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Ich habe über diese neue Allianz bereits geschrieben, möchte hier nur noch betonen, wie in einem Satz im Rosengarten aufblitzte, was sich in den vergangenen Jahren in unserer Welt eigentlich verschoben hat.

"Abschließend möchte ich sagen, dass Brasilien und die Vereinigten Staaten Seite an Seite stehen in ihrem Bemühen, Freiheiten zu sichern …", begann Bolsonaro ganz konventionell, doch er holte nur Luft: "… und traditionelle Familienentwürfe zu respektieren, Respekt vor Gott, unserem Schöpfer, gegen die Gender-Ideologie oder politisch korrekte Haltungen und gegen Fake News."

Da kommt also jemand nach Washington, bekommt die größte politische Bühne und darf ohne jeden Widerspruch für die Weltmacht USA reklamieren, dass sie einen Kampf gegen Gender-Ideologie und politische Korrektheit führe. Wer hätte das vor ein paar Jahren für möglich gehalten!

Ach ja, Trump kam ein paar Minuten später auf den Satz zurück. Er sei "sehr stolz", sagte der US-Präsident, dass der Gast seine Wortschöpfung "Fake News" benutzt habe.

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