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Tötung von IS-Chef Bagdadi: Nährt Donald Trump Zweifel an seiner Weitsicht?


Tötung von IS-Chef Bagdadi
Trump zeigt seine Macht – und seine Ohnmacht

Eine Analyse von Fabian Reinbold, Washington

Aktualisiert am 28.10.2019Lesedauer: 4 Min.
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Donald Trump im Weißen Haus: "Er starb wie ein Feigling. Er starb wie ein Hund."Vergrößern des Bildes
Donald Trump im Weißen Haus: "Er starb wie ein Feigling. Er starb wie ein Hund." (Quelle: Starface/imago-images-bilder)

Die Tötung von Terror-Anführer Bagdadi ist ein großer Erfolg für Donald Trump. Doch in der Stunde des Triumphs nährt der US-Präsident neue Zweifel an seiner Weitsicht.

Es war eine Stunde des Triumphs für Donald Trump – oder sollte es zumindest werden. Der US-Präsident verkündete vor der Weltöffentlichkeit ausführlich, wie US-Einheiten den langgesuchten Führer der Terrormiliz "Islamischer Staat" ausfindig gemacht hätten und sich Abu Bakr al-Bagdadi nach einem Gefecht per Sprengstoffweste das Leben genommen habe.

Was sich in Nordsyrien zugetragen hatte, hatte Trump nach eigenen Angaben im Situation Room im Keller des Weißen Hauses verfolgt. Er gab das Geschehen sehr anschaulich wieder. In der Erzählung Trumps erscheint der gefürchtete Terror-Chef als Feigling. "Er starb wie ein Hund, er starb wie ein Feigling", sagte Trump. Er breitete genüsslich die Szenerie aus, wie Bagdadi am Ende Zuflucht in einem Tunnel gesucht habe, gejagt von Hunden des US-Militärs und per Sprengstoffweste nicht nur seinem Leben, sondern auch dem seiner drei Kinder ein Ende gesetzt habe.

Eine letzte Demütigung

Trump nutzte den Auftritt vor der Weltöffentlichkeit, um den IS-Anführer und dessen Anhänger noch einmal zu demütigen. Letztere bezeichnete er als "Loser" und als "verängstigte Welpen". Die Hunde-Metapher zog sich durch seinen 48-minütigen Auftritt.

Donald Trump kostete den Erfolg also auf seine ganz eigene Weise aus. Und ein Erfolg ist es in dreierlei Hinsicht.

Zum einen war es ein lang erklärtes Ziel der USA, Bagdadi auszuschalten. Trump hatte seinen Militärs freie Hand gegeben, energischer gegen den "Islamischen Staat" vorzugehen, und mit entscheidender Hilfe der kurdischen Kämpfer wurde erst das physische Kalifat um Rakka geknackt. Nun wurde unter Trumps Regentschaft der meistgesuchte Terrorist auf Erden ausgeschaltet.

Es war auch eine bemerkenswerte Aktion inmitten eines chaotischen Abzugs von Truppen aus Syrien, der das US-Engagement gegen den IS-Terror in Zweifel gezogen und das Gebiet Syrien, der Türkei und Russland überließ. Die Mission der US-Truppen, laut Trump ohne eigene Verluste, verdeutliche Amerikas militärische Kapazitäten inmitten des Abzugs, für den Trump von allen Seiten in den USA kritisiert wird. Trump kann im aufziehenden Wahlkampf auf diesen handfesten, leicht verständlichen Erfolg verweisen: Wir haben den IS-Chef getötet.

Ein Befreiungsschlag

Drittens stellt die Nachricht einen Befreiungsschlag für den so stark wie noch nie unter Beschuss geratenen Präsidenten dar. Die Debatte in Washington wird dominiert von der Impeachment-Untersuchung, in der immer mehr belastende Beweise gegen Trump zusammengetragen werden. Das Repräsentantenhaus wird ihn aller Voraussicht nach anklagen, zudem befürworten immer mehr Amerikaner eine Amtsenthebung. Die Tötung Bagdadis verschafft Trump zumindest eine Atempause.

Allerdings war es Trump selbst, der bei seinem Auftritt neue Angriffsfläche für Kritik an seiner Syrien-Politik bot und seine innenpolitische Krise noch befeuerte.

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Ganz anders als Barack Obama, der im Mai 2011 die Tötung Osama Bin Ladens in nüchternen neun Minuten verkündete, beließ es Trump nicht dabei, er schmückte nicht nur aus, er blieb auch noch eine lange Zeit am Pult, um die Fragen der anwesenden Reporter zu beantworten.

Trumps Danksagung erntet prompt Kritik

Und seine Antworten boten prompt Anlass für Widerspruch und Futter: die Schlussfolgerung, dass Trumps Amerika doch nicht so stark dastehe, wie der Präsident es beschrieb.

Trump dankte für die Unterstützung der Mission bei Russland, der Türkei, Syrien, dem Irak. Dann erst erwähnte er die kurdischen Einheiten für "gewisse Unterstützung" – damit nährte er neue Zweifel an Amerikas Unterstützung für die durch die türkische Offensive vertriebene Volksgruppe. Ihre Spitzel hatten nach eigenen Angaben der Kurden vor fünf Monaten begonnen, Geheimdiensterkenntnisse zu Bagdadi an die Amerikaner weiterzureichen. US-Regierungsvertreter lobten den kurdischen Beitrag ebenfalls als zentral, doch Trump sprach ihnen an letzter Stelle Dank aus.

Erfolg trotz Trump?

Schnell gab es Stimmen aus dem Regierungsapparat, dass Trumps kurzfristiger Abzug der Truppen die monatelang geplante Aktion fast durchkreuzt habe und das Risiko des Scheiterns erhöht habe. Der Tod Bagdadis, so fasste die "New York Times" die Äußerungen namentlich nicht genannter Vertreter von Militär und Geheimdiensten zusammen, sei "größtenteils trotz Trumps Handlungen erfolgt". Die künftige Anti-Terror-Fähigkeiten gegen IS-Kämpfer in der Region stünden wegen des Abzugs unter einem großen Fragezeichen.

Im Anschluss zeigte Trump wieder, dass es ihm auch in der Stunde des Triumphs vor allem um sich ging. Er hatte darauf verzichtet, die Chefin des Repräsentantenhauses oder den Geheimdienstausschuss zu informieren – laut seiner Aussage aus Sorge, das könne die Sicherheit der Einsatzkräfte gefährden. Tatsächlich dürfte der eigentlich üblichen Information die Impeachment-Untersuchung im Wege gestanden haben.
Er beklagte sich unter anderem über die Demokraten und die Europäer, die im Umgang mit IS-Kämpfern keine Hilfe seien.

Trumps seltsamer Bin-Laden-Exkurs

In seinem offensichtlichen Bemühen, Amtsvorgänger Obama zu übertrumpfen, behauptete Trump gar, die Festnahme Bagdadis sei größer als jene Osama bin Ladens, die sein Vorgänger im Mai 2011 verkündet hatte.

Er verstieg sich gar zu der Behauptung, dass er in einem Buch bereits vor bin Laden gewarnt habe. Hätte man das nur besser gelesen, hätte der 11. September vielleicht verhindert werden können, lautete seine sinngemäße Botschaft. "Ich habe ein großartiges Buch geschrieben, aber ich bekomme keinerlei Würdigung dafür", beklagte sich der mächtigste Oberbefehlshaber der Welt also in der Stunde des Triumphs vor der Weltöffentlichkeit.

Es ging dabei nicht mehr um die US-Strategie gegen den islamistischen Terror, die Rache für zahlreiche Amerikaner, die IS-Terroristen getötet haben, oder eine Kampfansage gegen Bagdadis Nacheiferer, sondern vor allem nur um: Trump selbst.

Hier zeigte sich der mächtigste Oberbefehlshaber der Welt als geplagt von Selbstüberhöhung und Selbstmitleid. Das sendete ein deutlich schwächeres Signal an die Welt als die erfolgreiche Tötung Bagdadis unter schwierigen Umständen.

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