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Obama-Berater über die US-Wahl und Donald Trump: "Wird zu Krieg führen"


Obama-Berater über die US-Wahl
"Das wird zu Krieg führen"

InterviewVon Fabian Reinbold

Aktualisiert am 27.10.2020Lesedauer: 7 Min.
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Donald Trump und Barack Obama bei der Amtsübergabe 2017: Eine mögliche Wiederwahl seines Nachfolgers bereitet Obama schlaflose Nächte.Vergrößern des Bildes
Donald Trump und Barack Obama bei der Amtsübergabe 2017: Eine mögliche Wiederwahl seines Nachfolgers bereitet Obama schlaflose Nächte. (Quelle: ZUMA Press/imago-images-bilder)

Barack Obama macht sich große Sorgen – sagt sein enger Berater Ben Rhodes. Im Interview verrät er, warum sie beide so besorgt auf die US-Wahl blicken und welche dramatischen Folgen für die Welt sie bei einer Wiederwahl Trumps fürchten.

Ben Rhodes war im Weißen Haus einer der engsten Berater Barack Obamas – und ist dies auch nach dem Ausscheiden aus der Regierung geblieben. So gut wie jeden Tag tausche man sich aus, sagt der außenpolitische Ratgeber des Ex-Präsidenten im Interview mit t-online.

Rhodes verrät, wie sehr er und der Ex-Präsident um den Fortbestand der amerikanischen Demokratie fürchten. "Obama macht sich sehr, sehr große Sorgen, dass wir näher am Abgrund stehen, als es viele Leute erkennen", sagt Rhodes. Er spricht auch darüber, wie man die US-Demokratie reparieren und wo Joe Biden die Zeit zurückdrehen könne.

t-online: Herr Rhodes, was steht für Amerika bei dieser Wahl auf dem Spiel?

Rhodes: Unsere Demokratie. Man kann die Gefahren, die vier weitere Jahre Trump für die amerikanische Demokratie darstellen, gar nicht übertreiben. Es hat Trump zwei bis drei Jahre gekostet, sich das System anzueignen. Es gab auch noch Mitarbeiter wie die drei Generäle, die seine Impulse gezügelt haben.

Sie meinen die sogenannten Erwachsenen im Raum, die mittlerweile gegangen sind: Verteidigungsminister Mattis, Stabschef Kelly, Sicherheitsberater McMaster.

Genau. Jetzt hat Trump im Justizministerium und dem Nationalen Sicherheitsrat Loyalisten platziert und es fällt ihm sehr viel leichter, Gesetze und Normen zu brechen. Wenn er wiedergewählt wird, wird es aussehen, als ob die Amerikaner dieses Vorgehen abnicken. Dann sehen wir aus wie Ungarn und sind eine korrupte Autokratie mit einem politisierten Justizwesen. Das ist dann nicht mehr dem Amerika ähnlich, in dem ich aufgewachsen bin. Wir sind dann auf dem Weg in eine ganz andere Realität.

Ben Rhodes, 42, ist einer der wichtigsten Ratgeber Barack Obamas. Er diente dem US-Präsidenten die gesamten acht Amtsjahre als stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater. Rhodes schrieb zentrale außenpolitische Reden des Präsidenten und führte die Verhandlungen um eine Annäherung an Kuba. Nach dem Ausscheiden aus dem Weißen Haus gründete er eine NGO und arbeitet für Obamas Stiftung.

Was steht für die Welt auf dem Spiel?

Jetzt wird man sagen, ich klänge alarmistisch, aber für die gesamte Welt können sich zwei große Dinge ändern: Eine Wiederwahl Trumps wird diesen nationalistischen Kurs für gültig erklären, den wir nun überall sehen. Ich fürchte, dass das nicht nur zu rhetorischen Konflikten, sondern zu handfesten Konflikten führt. Wenn Sie autoritäre Nationalisten wie Trump, Putin, Xi, Modi, Erdogan, Bolsonaro an der Macht haben, nimmt das kein gutes Ende. Das wird zu Krieg führen. Wir wissen nur nicht wo, ob in Taiwan oder im südchinesischen Meer, im östlichen Mittelmeer oder an den Grenzen Russlands. Haben wir denn wirklich nichts aus der Geschichte gelernt?

Und der andere Punkt?

Ich befürchte bewaffnete Konflikte, und ich sorge mich um die Probleme wie Klimawandel, die gelöst werden müssen, aber die diese Leute nicht lösen werden. Nicht nur, weil sie nicht die richtigen Ansätze haben, sondern weil diese Nationalisten nicht einmal zusammenarbeiten. Das sieht man doch bei Covid: Diese Anführer können nicht zusammenarbeiten. Ich will wirklich nicht übertreiben, aber: Was am 3. November auf dem Spiel steht, ist die Demokratie in Amerika, das Risiko von Konflikten in der Welt und die Fähigkeit, große Probleme wie den Klimawandel zu lösen.

Viele auf der Welt – auch solche, die es mit den USA gut meinen – werden es den Amerikanern wohl nicht verzeihen, wenn sie Trump noch einmal wählen.

Das sehe ich genauso. Ich versuche das meinen Mitbürgern oft zu erklären: Es ist gar nicht der Umstand, dass Donald Trump Präsident ist, der die Menschen auf der Welt so alarmiert. Es ist der Umstand, dass wir so jemanden gewählt haben. Was für ein tiefgreifender unverantwortlicher Akt das doch war! Die Welt hat der US-Politik oft nicht zugestimmt und schon gar nicht unserer Außenpolitik, und dennoch anerkannt, dass angesichts der Alternativen die USA die sicherste Wahl waren, um am Lenkrad des internationalen Systems zu sitzen.

Und jetzt?

Haben wir quasi einen Betrunkenen ans Steuer gesetzt und damit jedermann gefährdet. Was passiert jetzt, was passiert in vier Jahren? Wählen wir noch einmal einen Irren? Da würde ich als ausländischer Politiker denken: Warum soll ich mit den Amerikanern verhandeln, ein Abkommen schließen, wenn dann der nächste Irre kommt und alles wieder rückgängig macht?

Sie beschreiben in Ihrem Buch die Abkommen der Obama-Jahre, bei denen Sie selbst eine wichtige Rolle gespielt haben: den Atom-Deal mit dem Iran, den Pariser Klimaschutzvertrag, die Annäherung an Kuba. Trump hat all das rückgängig gemacht. Jetzt kommt Joe Biden und sagt, er würde wieder zurückkehren in diese Abkommen. Kann man die Uhr wirklich so einfach zurückdrehen?

Zu 100 Prozent können wir ins Pariser Klimaabkommen zurück und dann versuchen, es zu verbessern. Es war ja auch immer so angelegt, dass es sich weiterentwickeln soll. Doch die Welt hat sich natürlich seitdem geändert. Also kann man die Uhr nicht einfach zurückdrehen. Was hat die Trump-Regierung nur für Energie auf den Iran verwendet? Aber momentan sind doch die Herausforderungen durch China und Russland wichtiger, der Klimawandel und Desinformation, Künstliche Intelligenz und die Pandemie.

Was heißt das für eine mögliche Biden-Regierung?

Auch die Biden-Leute sollten den Fehler vermeiden, sich auf die alten Themen zu versteifen. Außenpolitik heißt nicht mehr automatisch, Verhandlungen mit dem Iran zu führen, Frieden im Nahen Osten oder Terrorismus, das sind gar nicht mehr die wichtigsten Themen. Sie spielen auch noch eine Rolle, gewiss, aber nicht die wichtigste. Als Land haben wir neue Probleme vor uns und müssen wir uns von den alten Denkmustern befreien.

Wie kann sich Amerika selbst reparieren?

Man muss der Welt immer wieder erklären, dass sich die Stimmung gar nicht so sehr verschoben hat. Trump hat drei Millionen Stimmen weniger als Hillary Clinton bekommen. Es sind aber viele Faktoren zusammengekommen: Die Republikaner haben sich radikalisiert, es ist mehr Geld in die Politik geflossen, es gibt regelrechte Echokammern …

… auch dank Fox News und Facebook, wo mittlerweile rechte Meinungsmacher dominieren.

Richtig. Die Welt versteht nicht, warum 40 Prozent der Amerikaner Trump unterstützen, weil sie nicht Fox News schauen oder das rechte Facebook lesen. Donald Trump ist nicht Präsident geworden, weil alle Amerikaner verrückt wurden, sondern weil ein Teil der Amerikaner verrückt wurde. Um das Vertrauen der Welt zurückzugewinnen, müssen wir das in Ordnung bringen. Wir müssen nicht unsere Außenpolitik reparieren, wobei wir das ganz sicher auch müssen, aber vor allem muss die Welt sehen, dass wir unsere eigene Demokratie reparieren können.

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Glauben Sie, dass die Wahl ein Referendum über Trump und sein Corona-Management wird?

Ja, es wird ein Referendum über Trump, nicht nur über Corona. Er ist ja geschickt darin, stets die Themen vorzugeben: Recht und Ordnung, die Briefwahl, China, was auch immer. Aber am Ende ist es eine Abstimmung über Trump. Die Biden-Kampagne geht schlau vor, indem sie das einfach geschehen lässt. Biden bietet eine Rückkehr zu Kompetenz und Normalität an und das ist der deutlichste Kontrast zu Trump.

Sind sie sicher, dass Trump verlieren wird?

Ich bin mir sicher: Wenn das Volk tatsächlich abstimmen kann, wird Trump verlieren. Doch ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich möglich sein wird, weil es die üblichen Versuche gibt, Schwarze von der Wahl abzuhalten und die neuen Versuche, die Briefwahl zu stören und das Bestreben, die Wahlbeteiligung niedrig zu halten, indem man sagt, die Stimmabgabe mache ohnehin keinen Unterschied. Die Frage ist: Wird dies eine freie und gerechte Wahl oder nicht? Wenn ja, kann ich mir kaum vorstellen, dass Biden verliert. Aber ich bin mir nicht sicher, dass es eine freie und gerechte Wahl wird. Also gibt es ein Szenario, in dem Trump gewinnen kann.
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Wie oft sprechen Sie eigentlich noch mit Barack Obama?

So gut wie jeden Tag. Wir schreiben uns meist Textnachrichten. Ich arbeite manchmal für ihn und seine Stiftung. Wenn er mal mit Angela Merkel sprechen will, dann leiere ich das an. Aber vor allem tauschen wir uns über die Lage im Land aus, wie alle anderen Leute, die sich zusammenreimen wollen, was gerade vor sich geht.

Und? Was reimt er sich über Amerika im Jahr 2020 zusammen?

Er macht sich große Sorgen. Seit Jahren sprechen wir darüber, dass unsere Demokratien Gefahr laufen, auseinanderzubrechen. Obama macht sich sehr, sehr große Sorgen, dass wir näher am Abgrund stehen, als es viele Leute erkennen.

Woran macht er das fest?

Die demokratischen Normen lösen sich auf, und nun wird das verknüpft mit der Rassenfrage. Da kann es in Amerika sehr schnell gefährlich werden. Obama weiß das natürlich, denn sein Nachfolger im Weißen Haus hatte ja einst Karriere gemacht mit der Lüge, dass Obama in Afrika geboren sei. Das ist also nichts Neues für ihn. Wir reden da seit langem darüber, aber vor fünf Jahren konnten wir uns auch nicht vorstellen, dass einmal paramilitärische Einsatzkräfte durch Amerikas Innenstädte laufen würden und Demonstranten schikanieren.

... wie die von Trump zu den Protesten in Portland entsandten Einheiten …

Genau. Also stellen Sie sich bitte vor, wo wir in vier Jahren sein könnten! Wenn Sie die Fragen von Rasse mit dieser Art von Autoritarismus verknüpfen, kann man schnell an sehr dunkle Orte gelangen, und das ist Obamas Sorge. Während sich die internationale Ordnung auflöst, löst sich auch die amerikanische Demokratie auf, das ist, was Obama schlaflose Nächte bereitet.

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Sieht er etwas in Trump, was in der alltäglichen Berichterstattung untergeht?

Obama sieht Trump nicht als Ausreißer an, sondern als typisch für die neue Republikanische Partei. Seit er 2008 gewählt wurde, hat Obama beobachtet, wie sich die Partei radikalisiert hat, durch die Tea Party oder die Birther-Verschwörungstheorie, nach der Obama kein Amerikaner sei. Das Radikale, die Verschwörungen, Fox News und soziale Medien haben Trump hervorgebracht. Obama versteht das sehr gut, weil er es selbst acht Jahre lang erlebt hat.

Im zweiten Teil des Interviews spricht Rhodes über das deutsch-amerikanische Verhältnis unter Trump und bei einem Sieg Joe Bidens. Und er verrät, wie Barack Obama und Angela Merkel Kontakt halten.

Verwendete Quellen
  • Gespräch per Videokonferenz mit Ben Rhodes
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