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HomePolitikKolumne - Fabian Reinbold

Der letzte Akt von Donald Trump – US-Wahl 2020 vor Entscheidung


Donald Trump kurz vor der Wahlentscheidung
Der letzte Akt

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold, Washington

Aktualisiert am 06.11.2020Lesedauer: 5 Min.
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Donald Trump beim Auftritt im Weißen Haus: Es wird einsam um ihn.Vergrößern des Bildes
Donald Trump beim Auftritt im Weißen Haus: Es wird einsam um ihn. (Quelle: Carlos Barria/reuters)

Es wird einsam um Donald Trump: Beim Kampf gegen die Auszählung der Wahl gehen ihm treue Verbündete von der Stange. Ihm bleibt noch ein Ziel: seinen Fans eine Dolchstoßlegende einzupflanzen.

Die große Aufführung im Weißen Haus hat ihren Schlussakt erreicht. Das viel besprochene Stück, irgendwo zwischen Tragikomödie und Farce angesiedelt, bindet jetzt so viele Zuschauer wie noch nie. Und unser Held? Zeigt sich noch einmal in seinem wahren Wesen.

Donnerstagabend, der erste Auftritt seit der Wahlnacht. Die Aussichten werden schlechter und schlechter, das Ende ist nah, da zieht er noch einmal alle Register: Er hätte, ginge es nur mit rechten Dingen zu, längst gewonnen. Behauptet Donald Trump. Man wolle ihm die Wahl stehlen. Klagt er. Es gibt keinerlei Belege dafür.

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Auf Twitter konnte man in Echtzeit beobachten, wie der Auftritt weltweit für Verstörung sorgte. Manche sahen auf der kleinen Bühne des Press Briefing Rooms im Weißen Haus den Totengräber der US-Demokratie, ich sah einen Verlierer. Natürlich: Man kann das Gebaren als Versuch eines Coups interpretieren, mit dem Ziel, sich um jeden Preis die Macht zu sichern. Oder als Weiterstricken der Legende, nach der er nach der drohenden Niederlage für seinen Teil der Nation weiter Präsident der Herzen ist. Donald Trump, im Felde unbesiegt. Die Dolchstoßlegende des Jahres 2020.

Falls Trump wirklich im Schützengraben liegt, um seine Präsidentschaft zu verteidigen, dann besteht sein letztes Aufgebot aus Kameraden der Güteklasse Rudy Giuliani, Sohnemann Eric, Ex-Berlin-Botschafter Ric Grenell. Andere machen sich klammheimlich davon.

Folgen die Republikaner dem Kommando Trump oder dem demokratischen Prozess? Nach langem Schweigen machen einige mit, andere nicht. Am Donnerstag sieht es so aus, als ob es um Trump einsam wird. Von Stunde zu Stunde wird auffälliger, wie das Medienimperium rund um Rupert Murdochs Fox News in Teilen auf Distanz zu Trump geht. Dass die Wahlstatistiker des Senders am Wahlabend früh und mit Abstand als erstes den mitentscheidenden Staat Arizona für Biden verbuchte, sorgte bei Trump und seinen Getreuen für Zorn.

Und jetzt? Ich sehe – wie immer in Amerika – Anlass zur Hoffnung und Anlass zur Sorge, das Helle und das Dunkle.

Die Institutionen ziehen bislang nicht mit. Trump kann zetern, wie er will, der Prozess geht seinen Gang. Die Gerichte schmettern die ersten Anträge nach der Wahl aus dem Trump-Orbit ab, weil ihre Begründungen nicht in der Realität verankert sind. (Es werden noch viele weitere Anträge und Neuauszählungen folgen.)

Die Demokratie nimmt – trotz aller Unkenrufe – ihren Lauf. Ich lese in Schlagzeilen oft das Wort Wahlchaos. Sehe ich anders. Ja, der Prozess ist unübersichtlich und unverständlich, hier und da quälend langsam und fehleranfällig. Eine Folge des amerikanischen Wahlsystems, wo teils jeder Staat und teils jeder Bezirk eigene Regeln hat. Verstärkt durch die pandemiebedingt stark ausgeweitete Briefwahl, die wie erwartet Probleme verursacht. Aber die Mühlen mahlen. Nur eben langsam.

Doch wenn Trump sagt, dass das alles ein einziger Betrug sei, dann glauben Dutzende Millionen ihm statt den Institutionen. So wie auch fast jedes Wort, das aus seinem Mund kommt. He tells it like it is, er sagt einfach, wie's ist. Kaum einen Satz hört man öfter, wenn man mit Unterstützern des Präsidenten spricht.

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Trupps von Trump-Unterstützern beziehen Stellung vor Wahllokalen in umkämpften Staaten, in Phoenix, in Philadelphia, in Detroit. Aufgestachelt durch Fantasien des Anführers. Wo das noch endet, weiß niemand. Man muss hoffen, dass das alles glimpflich ausgeht. So wenig wie die Gefahr gewalttätiger Konfrontationen ist der langfristige Vertrauensverlust in die Demokratie abzuschätzen.

Auch der genaue Weg für Donald Trump, den die Dramaturgie im letzten Akt vorgesehen hat, ist noch nicht klar. Was er im Amt noch tun wird – und was kommt, wenn er das Weiße Haus doch verlassen muss. Er kann seinen eigenen Fernsehsender gründen. Er kann einfach weiter Wahlkampf machen (und Spenden sammeln) und – jetzt bitte ganz ruhig weiter atmen – 2024 noch einmal antreten.

Die Wahlnacht hat die Treue und Macht seiner Gefolgschaft verdeutlicht, auch wenn er verloren hat. Trump hat nach diesen vier Jahren voller Skandale, nach dem folgenreichen Versagen im Krisenmanagement von Corona- und Wirtschaftskrise, sogar noch Stimmen hinzugewonnen. Mindestens vier Millionen Amerikaner mehr als vor vier Jahren haben für ihn gestimmt (die Wahlbeteiligung ist ja gestiegen).

Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Für uns wird es, wenn die Präsidentschaft Trumps vorbei ist, etwas komplizierter. Wie wunderbar hat sich der Egomane doch geeignet, um alles Absurde und Wahnhafte, was uns aus Amerika begegnet, an ihm festzumachen! Doch die Spaltung hat er nur ausgeschlachtet, nicht hervorgerufen, die Wunden nur offengelegt. Und eine Haltung zur Demokratie, die mir Kopfschmerzen bereitet, nur verstärkt.

Ich musste am Wahltag zwölf Jahre zurückdenken. An einen Besuch als junger Journalist auf einer Wahlkampfrally Sarah Palins. Sie erinnern sich: die Gouverneurin aus Alaska, die damals US-Vizepräsidentin werden sollte. Ich staunte damals über die Reaktionen, die sie mit dem Zelebrieren der Ignoranz hervorrief. Mit Palin und der Begeisterung für sie fing vieles an, worüber wir heute sprechen.

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Ich fand nach etwas Suchen meine Aufzeichnungen von damals wieder. Ich sprach bei Palin mit einem Rentner namens John, der sich über die ganzen neu registrierten Wähler beklagte. Er schlug einen Test am Wahltag vor, um zu überprüfen, ob die Leute "informiert genug sind, um ihre Stimme abzugeben". Außerdem bete er für Regen am Wahltag, sagte er, das würde den "informierten, engagierten Wählern" helfen.

Da mischte sich eine Frau namens Faye ein, engagiert beim örtlichen Rotarier-Club. "Wir machen es den Leuten heutzutage viel zu einfach, zur Wahl zur gehen", sagte auch sie. Andere drückten damals ihre Zweifel aus, dass Barack Obama wirklich Amerikaner sei.

Einige Jahre später machte ein Mann mit dieser damals geborenen Verschwörungstheorie, dass Obama kein richtiger Amerikaner sei, politische Karriere. Es war Donald Trump. Und der wusste genau, was er tat, als er angekommen im letzten Akt im Weißen Haus, gegen die ganzen Stimmen für die Demokraten wetterte, die da noch gezählt werden sollten.

Er weiß: Die ganz offene Ablehnung demokratischer Prinzipien fällt in der stolzen Demokratie auf fruchtbaren Boden. Die Vorstellung, dass manche Amerikaner gleicher sind als andere, ist immer anzuzapfen. Und doch haben zugleich nun so viele der wahlberechtigten Bürger abgestimmt wie seit hundert Jahren nicht mehr.

Das Helle, das Dunkle. Und, ach ja, falls der letzte Akt der Aufführung nicht doch noch zur Farce gerät, heißt der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika: Joe Biden.

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