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Klimasünder: Die USA verschwenden Ressourcen wie kaum ein Land


Klimasünder USA
Der katastrophale Konsum der Amerikaner

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 08.11.2021Lesedauer: 6 Min.
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Oculus Mall in Manhattan, New York: Der private Konsum ist in den USA nach wie vor ungebrochen. Auf ökologische Nachhaltigkeit wird dabei oftmals kaum geachtet.Vergrößern des Bildes
Oculus Mall in Manhattan, New York: Der private Konsum ist in den USA nach wie vor ungebrochen. Auf ökologische Nachhaltigkeit wird dabei oftmals kaum geachtet. (Quelle: getty-images-bilder)

Die USA verschwenden Ressourcen wie kaum ein Land auf der Erde. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Warum das so ist – und Deutschland beim Klimaschutz besser ist, als viele denken.

"You need a bag?" – diese freundliche Frage nach einer Tüte ist an Supermarktkassen in den USA nicht nur Standard. Sie ist auch ein extrem beschönigender Singular. Denn "a bag" ist hier selten nur "eine Tüte". Das fällt in der so liberalen Hauptstadt Washington ausgerechnet in jenen Läden auf, die stolz ihre Nachhaltigkeit und ihr Biosegment bewerben.

Ob bei Trader Joe's, Whole Foods oder Yes! – die Kassierer greifen sofort nach zwei riesigen braunen Recycling-Papiertüten und stapeln sie routinemäßig ineinander, damit auch gewiss nichts reißt. "A bag" – das sind also immer gleich zwei Tüten. Und "two bags" sind eigentlich vier. Kostenlos. Wer einmal im Regen seine Einkäufe nach Hause tragen musste, weiß diese so gewonnene Stabilität zu schätzen. Da weicht nichts durch. Aber so oft regnet es hier eigentlich nicht.

Wer sich einmal mit der Energiebilanz solcher Einwegtüten aus Papier beschäftigt hat, weiß aber auch: Damit Papiertüten die gleiche Reißfestigkeit wie Plastiktüten haben, wird bei der Herstellung doppelt so viel Material benötigt. Beim Ressourcenverbrauch schneiden Papiertüten deshalb sogar schlechter ab als Einwegplastiktüten.

Die Washingtonians, die hier in der US-Hauptstadt etwas auf sich und ihren vermeintlich nachhaltigen Lifestyle halten, müssten ihr moralisches Handeln also durchaus noch einmal überprüfen, wenn sie die Frage nach "einer Tüte" guten ökologischen Gewissens bejahen.

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Land des Konsums und des Mülls

Während in Glasgow derzeit über die Rettung des Planeten verhandelt wird, fällt in der US-Hauptstadt eines schnell auf: Die Deutschen und die Europäer können sich gerne anstrengen. Aber ohne die USA wird das mit dem Klimaschutz nichts.

Bei aller anekdotischen Evidenz des Supermarktbeispiels: Es kommt nicht von ungefähr, dass die Vereinigten Staaten, ein Land mit 330 Millionen Einwohnern, nicht nur zu den absoluten Spitzenreitern gehören, wenn man den Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 mit anderen Ländern vergleicht.

Amerikaner stoßen etwa doppelt so viel aus wie Deutsche. Die USA sind neben Kanada auch jenes Land auf der Erde, das pro Kopf mit am meisten Müll verursacht. Und daran scheint sich auch 2021 wenig zu ändern.

Während in Deutschland umgerechnet jeder Bürger pro Tag 1,72 Kilogramm Müll produziert, sind es in den USA 2,24 Kilogramm. Der Durchschnitt pro Weltbürger beträgt pro Tag hingegen nur 0,79 Kilogramm. Was ein Land pro Tag und Bürger an Müll verursacht, sagt viel aus über das Konsumverhalten und die Produktionsverfahren, sagt viel aus über den Energie- und damit, zumindest beim aktuellen Strommix, auch über dessen CO2-Ausstoß. Denn was weggeworfen wird, musste einst auch mit viel Energieaufwand produziert werden.

Direkt neben dem Biosupermarkt auf der 14th Street in Washington liegt eines der zahlreichen Cafés der Stadt. Richtige Tassen, Löffel oder Gläser gibt es nicht, auch wegen der Pandemie. Aber selbst wer drinnen verweilen möchte, bekommt einen zwar wunderschönen, schwarz-gold verzierten Becher, aber eben doch ein Einwegprodukt.

Manche Besucher kommen sogar nur, weil sie diese Becher so besonders finden und sie spazieren tragen – für sich und ihre Follower auf Instagram. Wer einen einzelnen Cookie kauft, bekommt eine schicke Papiertüte, die so groß ist, dass darin 15 Kekse Platz hätten. Dazu noch ein Haufen brauner Servietten. Organic.

In einer im März dieses Jahres veröffentlichten Studie zum Müllaufkommen in Washington macht Papier mit 31 Prozent tatsächlich den größten Anteil von verursachtem Abfall aus. Rund 355.000 Tonnen Papiermüll fallen hier pro Jahr an. Gefolgt von weggeworfenem Essen mit 157.000 Tonnen und Plastik mit 144.000 Tonnen. Die Papierindustrie ist in den USA der drittenergieintensivste Sektor.

Und es wird schlimmer. In einer Projektion für Washington wird berechnet: Von insgesamt rund 1,3 Millionen Tonnen Müll im Jahr 2013 soll das Aufkommen bis 2038 nicht etwa sinken, sondern auf mehr als 1,8 Millionen Tonnen ansteigen. Während die Staaten der Erde, einschließlich der USA, um eine Reduktion von CO2 und von Methangas ringen, scheint der Konsum in den USA samt seiner Abfallprodukte weiter voll auf einen unbeschränkten Ressourcenverbrauch ausgerichtet zu sein.

Wer die zahlreichen Burgerläden in Washington besucht oder dafür mit dem Auto in die Nachbarbundesstaaten Virginia und Maryland fährt, bekommt dort für seinen Milkshake seit einiger Zeit keinen Plastikstrohhalm mehr. Was wie ein kleiner Fortschritt aussieht, regt viele aber schlicht auf.

Ein Gast in der Schlange beschwert sich über "woke leftists", die glauben würden, mit Pappstrohhalmen die Welt retten zu können. "Das Ding ist nach wenigen Minuten durchgeweicht. Darum muss ich jetzt immer gleich drei mitnehmen", schimpft er, steigt in seinen BMW und braust davon.

Ohne Auto geht auch künftig nichts in den USA

Ohne Auto kann man in Washington zwar überleben. Es gibt eine Metro, es gibt City-Fahrräder. Doch wer halbwegs mobil sein möchte, um etwa zu einem erschwinglicheren Supermarkt, zum Möbelhaus oder zu einer Mall zu fahren, braucht selbstverständlich wie fast überall in den USA auch hier ein Auto. Die Straßen rund um die Hauptstadt sind zu allen erdenklichen Tages- und Nachtzeiten verstopft.

Statt für weniger Autos zu sorgen werden mehr Highways gebaut. Wer mit der Familie in den Urlaub fährt, bugsiert hier sein Auto gerne auf einen Autozug, um damit nach Tampa, Florida oder bis nach Kalifornien zu reisen. Ohne Auto, ob elektrisch oder nicht, wird in den USA auch künftig wohl wenig funktionieren. Wie soll so ein riesiges Land auch durchgängig mit Zügen und Nahverkehr erschlossen werden?

Vom Laubbläser bis zur Flutlichtanlage eines kleinen Sportplatzes in Downtown läuft in Washington nach wie vor vieles noch mit dem good old Diesel. Die Tage sind jetzt kürzer und ab 17 Uhr rattern zahlreiche kleine Generatoren, die rund um das Spielfeld aufgestellt sind. Auf jedem Dieselgenerator ein riesiger, hell strahlender Scheinwerfer. Das scheint noch immer günstiger zu sein als ein permanenter Anschluss an das örtliche Stromnetz.

Zumindest stört sich keiner daran. Viel geholfen wäre der Umwelt damit aber auch nicht, denn der Strommix in den USA besteht nach wie vor zu mehr als 60 Prozent aus fossilen Energien (Erdgas, Kohle und Mineralöl). Während die erneuerbaren Energien in Deutschland inzwischen mehr als 50 Prozent des Stromaufkommens ausmachen, liegt der Anteil in den USA nur bei 20 Prozent.

Beim Primärenergieverbrauch wird noch deutlicher, wie viel hierzulande noch geschehen muss, um die Klimaziele von am Ende null Emissionen zu erreichen. In den USA fällt der Anteil der Kohle mit 10 Prozent zwar geringer aus als in Deutschland mit 16 Prozent. Aber die erneuerbaren Energien liefern hier bislang noch immer nur rund 12 Prozent des Primärenergiebedarfs.

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Hauptquelle blieb 2020 Erdgas mit 34 Prozent und Mineralöl mit 35 Prozent. Wie schnell wird sich das ändern können? Zumal im Jahr 2024 womöglich wieder ein Mann ins Weiße Haus einziehen könnte, der sich erst kürzlich in einem Interview wie folgt geäußert hat: Windenergie sei viel zu teuer und die Windräder würden die ganzen Vögel töten, wetterte Donald Trump auf Fox News. Die Turbinen kämen außerdem aus China und aus Deutschland.

Wann kommt die Wende?

Viele US-Bundesstaaten wie Kalifornien haben zwar längst Pläne und Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren festgelegt und verfolgen sie auch. Aber insbesondere in von den Republikanern regierten Bundesstaaten gibt es nicht einmal Ziele.

Auch nicht im Kohlestaat West Virginia, aus dem der renitenteste Senator der Demokraten, Joe Manchin stammt. Der Mann, der es dank seiner eigenen Kohlefirma zum Multimillionär geschafft hat, wird hier in Washington seit Wochen immer wieder heftig angegangen. Mal rudern Umweltaktivisten auf dem Potomac-Fluss an seine Yacht "Almost Heaven" heran, um ihn zur Rede zu stellen, warum er die Umwelt- und Sozialgesetze im Senat blockiere.

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Mal sind es junge Studentinnen und Studenten von "Hunger Strike 4 Climate Justice", die in den Hungerstreik für das Klima getreten sind. Manchin konnte in seinem Maserati nicht aus dem Parkhaus fahren, weil die Aktivisten die Ausfahrt blockierten.

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Doch so groß in den USA nach wie vor der Verbrauch der Ressourcen und der Ausstoß der Treibhausgase ist, so klein und unbedeutend wirkt hierzulande die Klimabewegung. Hier gibt es keine amerikanische Greta und Fridays for Future USA gleicht eher einem versprengten Haufen als einer Jugendbewegung.

Von den kleinen minutenlangen Klimaprotesten im Regierungsviertel an der National Mall bekommt hier ohnehin kaum jemand etwas mit. Der größere Aufreger bleiben hier die Benzinpreise. In den USA kostet der Liter Benzin derzeit rund einen Dollar. Das ist umgerechnet noch immer halb so teuer wie in Deutschland.

Verwendete Quellen
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