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Merkel-Äußerungen zum Ukraine-Krieg: Ist diese Kritik gerechtfertigt?


Äußerungen der Altkanzlerin
Das ist böswillig


Aktualisiert am 08.10.2025Lesedauer: 1 Min.
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Im Video: Ex-Kanzlerin Merkel über den geplatzten Putin-Plan. (Quelle: t-online)
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Angela Merkel bemängelt, dass im Vorfeld des Ukraine-Kriegs ein neues Dialogformat mit Russland wegen Polen und der baltischen Staaten gescheitert war. Ist eine solche Kritik gerechtfertigt?

Eigentlich wollte Angela Merkel noch weiter mit Wladimir Putin das Gespräch suchen. Im Sommer 2021 wollte sie gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein neues Format auf EU-Ebene entwickeln, erklärte die Altkanzlerin jüngst in einem Interview mit dem ungarischen Medium "Partizán".

Doch dazu kam es nie: Länder wie Polen oder die baltischen Staaten Lettland, Estland und Litauen hätten ein solches Format nicht gewollt. Im Herbst schied Merkel dann aus dem Amt aus, wenige Monate später begann die russische Vollinvasion der Ukraine.

Der Aufschrei innerhalb der genannten Staaten ist seitdem groß. Unter anderem nannte Estland Außenminister Margus Tsahkna Merkels Äußerungen "unverschämt" und "schlichtweg falsch".

War es also angebracht, dass sich Angela Merkel in dieser Art zur Rolle der ost- und mitteleuropäischen Staaten geäußert hat?

Pro
Nilofar BreuerRedakteurin Politik und Wirtschaft

Ja, sie hat nur damalige Positionen erklärt

Über eines sind sich alle einig: Der russische Präsident Wladimir Putin trägt die Schuld am Ukraine-Krieg, nicht etwa Polen oder die baltischen Staaten. Und dass Letztere eine Mitschuld tragen, hat Altkanzlerin Merkel auch nicht behauptet. Einzig und allein der Kremlchef ist für sie schuld am Krieg. Ihre moralische Haltung hatte die Altkanzlerin in der Vergangenheit oft genug deutlich gemacht.

Warum ist der Aufschrei so groß? Weil man ihr das Wort im Mund umgedreht und aus ihrer zusammengefassten Darstellung dessen, was vor dem Ausbruch des Angriffskriegs geschah, einen konfrontativen Vorwurf gesponnen hat.

Merkel hatte in dem Interview dargelegt, welche Akteure vor dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs mit welchen Prämissen gehandelt haben. Es habe an Kommunikation und Geschlossenheit gefehlt, erklärte sie. Was daraus folgt, ist pure Interpretation.

Sie sagte: "Wir werden heute nicht mehr klären können, was gewesen wäre, wenn." Aber was gelesen wird, ist: Hätten Polen und das Baltikum ihr zugestimmt, wäre der Krieg nicht ausgebrochen. Und darin liegt der Fehler. Diese Worte hätte Merkel sicherlich nicht gewählt.

Was Merkel in dem Interview, das inzwischen fast eine halbe Million Aufrufe auf YouTube zählt, versucht, ist eine Erklärung damaliger Verhältnisse und Positionen. Zwar ist es ein Drahtseilakt, sich in der inzwischen fragilen Lage Europas zur Rolle Polens und der baltischen Staaten im Ukraine-Krieg zu äußern. Aber ihr auf dieser Grundlage anzudichten, sie gebe den Ländern eine Mitschuld, ist böswillig.

Kontra
David SchafbuchStellvertretender Ressortleiter Politik & Wirtschaft

Nein, ein wenig mehr Selbstkritik würde der Kanzlerin guttun

Natürlich sagt die Altkanzlerin in dem Interview nicht, dass die Balten und Polen eine Mitschuld am Ausbruch des russischen Angriffskriegs haben. Klug waren diese Ausführungen allerdings auch nicht. Sie fügen sich stattdessen in das Bild ein, das Merkel seit ihrem Auszug aus dem Kanzleramt von sich kultiviert: Eigene Fehler sind eher mit der Lupe zu suchen. Einer Politikerin ihres Formats ist eigentlich mehr Selbstkritik zuzutrauen.

Hätte Merkel die russische Gefahr immer richtig eingeschätzt, hätte sie eigentlich andere Schlüsse ziehen müssen: Nach Putins Krieg in Georgien 2008 und allerspätestens nach der völkerrechtswidrigen russischen Annexion der Krim 2014 hätte die westliche Staatengemeinschaft Russland einen Riegel vorschieben müssen. Doch große Waffenlieferungen an die Ukraine, die Stärkung des eigenen Militärs, harte Sanktionen oder einen endgültigen Stopp der Nord-Stream-Pipelines gab es erst, als russische Soldaten die Ukraine schon überfallen hatten. Bis dahin ließ Deutschland lieber seine Wirtschaft mithilfe von günstiger russischer Energie brummen.

Solche scharfen Maßnahmen hätten vermutlich die russische Aggression nicht vollständig verhindern können. Die Kriege Russlands werden deshalb geführt, weil Wladimir Putin es so will. Allerdings hätte man sich auf diesen Fall besser vorbereiten können. Denn es gab Staaten, die schon jahrelang die russische Gefahr richtig eingeschätzt haben: Es sind ironischerweise Staaten wie Polen, Litauen, Estland oder Lettland, genau die, die laut Merkel ein weiteres Gesprächsformat mit Russland verhindert hatten.

Die heutige Weltlage zeigt deutlich: Es wäre nicht besser gewesen, noch mehr auf Putin einzureden. Merkel und andere Staatenlenker hätten stattdessen lieber ihren Kollegen in Mittel- und Osteuropa mehr zuhören sollen. Diesen historischen Fehler räumen in Deutschland immer noch zu wenige Politiker ein, Angela Merkel ist eine von ihnen.

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